Helfen bei kleinem Alleinunfall

Ein Radfahrer verhielt sich merkwürdig, ich bin noch einmal gucken gefahren. Und in der Tat: Er hatte sich ganz leicht verletzt und stand unter Schock.

Auf dem Weg zurück vom Fitnessstudio bin ich die Bundesgrenzschutzstraße entlanggefahren. Dort gibt es einen schmalen Radweg. Ein älterer Herr schob sein Fahrrad und wirkte dabei ziemlich verwirrt. Das ist eigentlich eine Stelle, an der es keine Ziele gibt, man würde da mit dem Fahrrad fahren.

Ich hatte mir dabei erst nichts gedacht, verwirrte Menschen gibt es im Straßenverkehr genug. Aber der wirkte nicht so verplant verwirrt, der wirkte eher so geschockt verwirrt. Ich bin also nochmal zurückgefahren und habe ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei.

Beim Anblick war klar, dass es das nicht war. Er konnte zwar stehen und sein Fahrrad schieben, sein Kinn war aber voller Blut. Er erzählte mir dann von seinem Sturz. Das Fahrrad sei ganz neu und er hätte auch gerade eine Knie-OP gehabt.

In diesem Bereich ist der Radweg von Wurzelaufbrüchen gezeichnet. Im Bereich der Kreuzung mit der Sankt Augustiner Straße gibt es einige enge Verschwenkungen, das ist schwer zu fahren. Insbesondere wenn man dann noch ein neues Fahrrad mit Scheibenbremsen hat, kann das schnell zu einem Alleinunfall führen.

Seit meinem Unfall am Ottoplatz habe ich immer eine kleine Verbandstasche dabei. Die habe ich dann also rausgeholt und hatte fast alles, was ich brauchte.

Irgendwie fehlten die Gummihandschuhe, die ich dann doch gerne zum Eigenschutz gehabt hätte. Da sie fehlten, habe ich ihm dann einfach nur ein Pflaster auf das Kinn geklebt, ihn sein Blut aber selbst mit Taschentüchern abtupfen lassen. Mit dem Pflaster war es dann auch schon getan.

Bei meinem letzten Einsatz als Ersthelfer hatte ich ziemlich lange gezögert bevor ich den Schock des Unfallopfers verstanden hatte. Hier habe ich die Symptome ziemlich schnell erkannt. Ich habe mir also noch die Zeit genommen mich nett mit dem Herren zu unterhalten. Wir haben auch noch nach seinem Fahrrad geschaut, das Schutzblech war ein bisschen verbogen. Das war schnell gerichtet.

Er erzählte mir von seiner Knie-OP, und dass er sich noch an das künstliche Gelenk gewöhnen muss. Und auch, dass er sein neues Fahrrad noch nicht so ganz unter Kontrolle hat. Er hat sich überschwänglich für meine Hilfe bedankt, dabei war es ja nur ein Pflaster. Während wir da standen, kamen noch einige andere Personen vorbei. Die nahmen uns aber nur als Störfaktor wahr, niemand sonst hatte Hilfe angeboten. Ich kenne das von meinen Unfällen und Pannen, die Leute ignorieren das meist. Es ist schade, wie wenig Hilfsbereit die Leute sind.

Irgendwann hatte er sich wieder ziemlich gesammelt. Er meinte schelmisch, dass seine Frau nichts davon erfahren dürfte, schließlich sagte sie ihm ja noch er solle vorsichtig fahren. Wenn wir in einer Kneipe gewesen wären, hätte er mir ein Bier ausgegeben, sagte er. Da wusste ich, dass er wohl wieder hinreichend fit ist um weiter zu fahren oder zumindest um bis nach Hause zu schieben.

Es ist einfach ein schönes Gefühl helfen zu können. Unsere Gesellschaft hat so viele positive Momente zu bieten, wenn wir das nur wollen. Wahrscheinlich haben wir aufgrund von Leistungsdruck und anderen Härten einen notgedrungenen Egoismus, der Leuten den Weitblick verwehrt und aggressiv macht.