Bonner Innenstadt als Freiluft-Mall?
Ich bekomme über lokale Zeitungen, Twitter, Newsletter des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) immer wieder Einblicke in die Verkehrsplanung in Bonn. Interessant ist das Festhalten von vielen am City-Ring, einem Rundkurs im Uhrzeigersinn um die Fußgängerzone (Belderberg, Am Hof, Rathausgasse, Maximilianstraße, Rabinstraße, Berliner Freiheit, Oxfordstraße, Bertha-von-Suttner-Platz). In der Maximilianstraße gab es das Experiment zur Sperrung für MIV, dann ein ähnliches Experiment in der Rathausgasse zur Errichtung einer Radspur in Gegenrichtung. Nun wurde neulich beschlossen, dass der MIV wieder durch die Rathausgasse fahren darf.
Dafür stimmte auch der BBB (Bürger-Bund-Bonn). Über Twitter habe ich mit deren OB-Kandidaten darüber diskutiert, die IHK Bonn (Industrie- und Handelskammer) machte ebenfalls mit. Letztere kenne ich als Vertretung für die bedingungslose Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto.
Es ist anscheinend oberste Priorität, dass man mit dem Auto im Kreis um die Fußgängerzone fahren kann. Man muss von einem Parkhaus zum nächsten fahren können. Wenn man am Busbahnhof wartet, sieht man manchmal aber die immer gleichen Poser mit dem Auto im Kreis fahren, wollen den Leuten an den Bushaltestellen zeigen, wie geil laut ihr Auto ist. Durch die Kappung des City-Rings wurde das unterbunden. Für mich hat das die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erhöht. IHK und BBB sahen hier aber den Untergang.
In der Diskussion kam dann heraus, dass die Erreichbarkeit der Innenstadt für Externe wichtiger ist, als eine für die Anwohner leisere und lebenswertere Stadt zu haben. Der »inhabergeführte Einzelhandel« würde anscheinend sofort pleite gehen, wenn man nicht mehr um die Innenstadt kreisen kann. Der ADFC hat ein Konzept vorgeschlagen, bei dem man das Parkhaus auf der jeweiligen Seite der Innenstadt erreichen kann, und dann wieder abfährt. Es gibt keinen Grund im Kreis zu fahren. Aber das reicht anscheinend dem scheuen Reh Einzelhandel nicht.
Es soll also keine Innenstadt geben, deren Fußgängerzone sich immer weiter ausbreitet. Man soll mit dem Auto direkt an den Rand fahren können. Effektiv soll es also eine Freiluft-Mall geben, in der man Einkaufen kann. Dass da irgendwie Leute leben, die weniger Lärm befürworten würden, scheint nicht das Ziel zu sein. Aus unerfindlichen Gründen soll man vor dem Bahnhof vorbeifahren können, das beste Argument der IHK Bonn war »die Aussicht« dort.
Und welchen »inhabergeführten Einzelhandel« meinen die eigentlich? Große Kleidungsketten, Handyläden oder die Schnellrestaurant-Ketten?
Aber gut, dass der City-Ring wieder eröffnet werden soll. Schließlich ist in der kurzen Zeit der Schließung Galeria Karstadt Kaufhof in Zahlungsschwierigkeiten geraten, noch mehr Verluste braucht es nicht für einen Gesinnungswandel zur autofreundlichen Fußgängerzone.