Schwebebalken am Bertha

Der Bertha-von-Suttner-Platz ist einer der wichtigsten Verkehrsknoten im Bonner Zentrum. Hier treffen die B 56 und die B 9 aufeinander, es ist eine große Bus- und Straßenbahnhaltestelle. Ein richtiger Verkehrsknotenpunkt also. Die meisten Bonner nennen ihn aber einfach nur »Bertha«. Und er ist gleichzeitig auch heftiger Angstraum für Radfahrende. In diesem Beitrag will ich zeigen, warum das so ist, und wie ich fahre um weniger gestresst zu sein. Vor allem die Fahrtrichtung von West nach Ost ist ein großes Problem. Ich zeige erstmal ein Luftbild vom ersten Teil.

Bildquelle: Bonn 3D1

Man kann hier schon ganz gut sehen, was da passiert. Man hat unten links den Schutzstreifen, mit dem man an der Oxfordstraße ankommt.

Auf dem Fahrrad sieht das dann so aus:

Man hat da so eine kleine vorgezogene Haltelinie, mit der man sich auf die Abschussposition bringen kann. Als nächstes beginnt der »Schwebebalken«, also der Radstreifen in Mittellage:

Nun hat man nicht mehr Abstand zu den Autos. Man kann im Bild direkt erkennen, dass die 150 cm Überholabstand nicht eingehalten werden. Rechtlich gesehen darf man da einfach gar nicht überholen. Der Radstreifen ist also total sinnfrei, der macht den Fahrstreifen nicht breiter. Aber für die Personen im Auto wirkt es natürlich so, als könnten sie mit 50 km/h ohne Abstand vorbeifahren. Wie das dann real ausschaut:

Zum Radstreifen sind das vielleicht noch 30 cm, das ist nicht wirklich weit. Und ganz rechts fahren will man auch nicht, da kommen die Busse und überholen einen von rechts. Weil da ein Breitstrich ist, ist das nämlich ein Sonderweg und somit kein Überholen. Da braucht es dann auch keinen Abstand mehr, laut Verordnung.

Schaut man sich das Überholen von dem weißen Seat einmal in der rückwärtigen Kamera an, dann wird einem echt Angst und Bange:

Wer möchte nicht da fahren, wenn von hinten fast ohne Abstand ein Auto mit deutlicher Geschwindigkeitsdifferenz ankommt?

Zweiter Abschnitt

In der Mitte des Platzes wird dann der rechte Fahrstreifen von einem Busstreifen zum Rechtsabbiegerstreifen. Die Busse, die weiter geradeaus auf die Kennedybrücke fahren, wechseln also über den Radstreifen nach links. Die Autofahrenden, die nach rechts wollen, wechseln über den Radstreifen nach rechts. Hier das Luftbild:

Bildquelle: Bonn 3D1

Vom Fahrrad sieht das so aus:

Dort ist noch eine extra Ampel, die den Bussen dann etwas Vorsprung verschaffen kann. Rad- und Autoverkehr rollt aber gleichzeitig los, was echt zu Chaos führt. Da werden teilweise Radfahrende noch schnell überholt und dann geschnitten. Man sieht oben den Seat schon ein bisschen nach rechts orientiert. Im nächsten Bild sieht man dann, dass der vor den Radfahrenden nach rechts gewechselt hat:

Man kann schon erkennen, dass ich in den Fahrstreifen gewechselt habe, weil mir das zu doof geworden ist. Damit verstoße ich wahrscheinlich gegen das Rechtsfahrgebot, jedoch verstoßen dort fast alle Autofahrer*innen gegen den Überholabstand. Somit ist das einfach Selbstschutz. Man wird so nämlich nicht mehr geschnitten. Wenn jemand nach rechts möchte, muss der das vor oder hinter mir tun, aber nicht neben mir.

Noch so ein lustiges Detail ist, dass da rechts zum einen Taxiparkplätze sind, aber auch ganz normale Parkplätze mit E-Auto-Ladesäule. Das empfinde ich als große Frechheit. Bei einem großen Platz, bei dem angeblich kein Platz für ordentlichen Radverkehr war, ist aber genug Platz für eine Ladesäule für ein E-Stehzeug.

Dritter Abschnitt

Der Platz kreuzt im Westen dann die B 9. Dort ist eine riesige Kreuzung, die aber trotz der riesigen Anlage in viele Richtung kein Linksabbiegen erlaubt. Der Radverkehr ist verachtenswert reingequetscht worden. Es wäre genug Platz für eine Schutzkreuzung nach niederländischem Vorbild vorhanden, man wollte aber zwei Fahrstreifen für den MIV haben. Gerade nach Osten raus ist das sinnfrei, weil es auf der Brücke nur einen Fahrstreifen gibt. Auf dem Luftbild sieht das so aus:

Bildquelle: Bonn 3D1

Man kommt da an der letzten Ampel an, und wird mit dem Radstreifen noch ein bisschen weiter geradeaus geleitet:

Der Schwebebalken geht noch ein Stück weiter, man wird jetzt links mit 50 km/h und rechts mit 30 km/h überholt. Keine angenehme Erfahrung, wenn man nicht wie ich mit 30 km/h den ganzen Fahrstreifen beansprucht. Man kann schon ein bisschen erkennen, das man gleich rechts auf das Hochbord muss.

Das Hochbord hat wieder so eine tolle Konfliktfläche, weil die Radfahrenden aus der Friedrichstraße (parallel zum Bertha) da auch noch rein müssen. Und die ganzen Fußgänger*innen natürlich auch.

Und wäre das noch nicht genug auf die Fläche gequetscht, so ist das auch noch ein Radweg in beide Richtungen.

Dafür ist der zum einen zu schmal, auch führt das an der Kreuzung da hinten dann zu gefährlichen Situationen.

Viele Radfahrer*innen weichen dann auf die Friedrichstraße aus. Das ist aber eine beliebte Flanierstraße. Die ist offiziell wohl keine Fußgängerzone, zumindest nicht von der einen Richtung. Die ist auch für den Radverkehr freigegeben. Realistisch kann man dort aber nur Schrittgeschwindigkeit fahren, weil man eben vorsichtig und rücksichtsvoll um die entspannten Personen zu Fuß herumradeln muss. Das dauert deutlich länger, als wenn man die Oxfordstraße und den Bertha fährt.

Die Oxfordstraße soll im Sommer 2022 je eine Umweltspur, teilweise auch geschützte Radstreifen bekommen. Bis der Bertha angegangen wird, wird es allerdings noch ziemlich lange dauern.


  1. Bild von Bonn in 3D:

    • Bundesstadt Bonn, Amt für Bodenmanagement und Geoinformation (CC-by-sa 4.0)
    • Land NRW (2017)/Bundesstadt Bonn, Amt für Bodenmanagement und Geoinformation, dl-de/by-2-0
    • GeoBasis-DE/LVermGeoRP2018, dl-de/by-2-0, https://www.lvermgeo.rlp.de