Kommentar zu Streitgespräch im General-Anzeiger-Bonn

Im General-Anzeiger-Bonn ist heute der Artikel »Sperrung oder Durchfahrt: Was ist besser für die Bonner Innenstadt?« erschienen. Dort streiten sich der Vorsitzende des Einzelhandelsverbandes, Jannis Vassiliou, und die Bonner ADFC-Vorsitzende Annette Quaedvlieg über die Wiedereröffnung des Bonner City-Rings. Wenig überraschend ist der Einzelhändler für eine Wiedereröffnung. Die Argumente sind aber haarsträubend, das möchte ich gerne einmal kommentieren.

Herr Vassiliou eröffnet nach der Frage zur Bedrohung der Innenstadt durch einen gekappten City-Rings hiermit:

Die Bonner Innenstadt hat eine wunderbare Fußgängerzone, eine echte Errungenschaft.

Also ein Bereich, in dem keine Autos fahren, ist eine echte Errungenschaft. Mit dem Auto direkt vor das Geschäft zu fahren, ist schlecht. Es ist besser, wenn man mit dem Auto nur außerhalb sein darf und zu Fuß in der Stadt unterwegs ist. Okay, merken wir uns.

Das ganze bekräftigt er dann weiter:

Der Gedanke, in jedes Parkhaus hereinzukommen und sich innerhalb der Fußgängerzone zu Fuß zu bewegen, ist richtig, damit Käufer in die Stadt hereinkommen können.

Und ihm scheint es auch undenkbar dies zu ändern. Er meint natürlich den Teil mit den Parkhäusern. Die Autofahrer sollen also direkt an den Rand der Zone fahren dürfen. Da soll bloß kein Fußweg außerhalb des autofreien Bereichs erforderlich sein. Das ist schon ziemlich bizarr. Autofahrern kann man also nicht zumuten, dass sie sich in der Nähe von Autos und Autoverkehr aufhalten müssen. Anscheinend ist Autoverkehr nicht zuträglich für die Aufenthaltsqualität.

Er führt weiterhin aus, dass viele Kundschaft von außen kommt. Er selbst ist Juwelier, das ist natürlich ein Segment, in dem wenige aber teure Verkäufe gemacht werden. Man macht das wahrscheinlich auch nicht so spontan, sondern eher geplant. Ich kann also vollkommen verstehen, wenn er also ein großes Einzugsgebiet hat und das so ausdrückt:

Der Handel lebt nicht nur von den Menschen, die in der Innenstadt leben. Wir brauchen auswärtige Kundschaft.

Ihm sind die Kunden, die selbst in der Innenstadt leben, nicht unbedingt unwichtig. Aber die Aufenthaltsqualität für die Leute vor Ort ist zweitrangig. Also soll die Innenstadt schon eine Freiluft-Mall sein, dazu schrieb ich schon. Das kann man machen, aber warum nicht einfach eine fette Mall auf die grüne Wiese und da dann das Juweliergeschäft rein?

Als nächstes kam dann wieder der Appell an gegenseitige Rücksichtnahme.

Ein Kompromiss ist allerdings nur dort möglich, wo sich beide Seiten bewegen. Wir für unseren Teil wollen die Fahrräder in der Stadt haben und auch sichere Radwege.

Wo ist die Bewegung des Einzelhandelsverbandes, wenn der City-Ring wieder zurückgesetzt wird? Und natürlich möchte jeder sichere Radwege haben. Nur darf bloß dem Autoverkehr dafür kein Platz weggenommen werden. Aber in dem Absatz des Artikels geht es dann noch besser weiter:

Aber das Ergebnis der Cityring-Kappung ist doch beispielsweise gewesen, dass der Kaiserplatz quasi tot ist.

Der City-Ring hat Autoverkehr am Kaiserplatz vorbei geführt, dort konnte man aber nicht halten oder parken. Der Autoverkehr hat den Kaiserplatz also höchstens belebt, als dass dort Durchgangsverkehr aufkam. Aber ist das wirklich was positives? Weiter vorher klang es doch so, als würden Einkaufswillige keinen Autoverkehr um die Geschäfte haben wollen.

Ein Geschäft lebt in nicht unerheblichem Maße davon, dass Autofahrer an den Läden vorbeifahren, sie wahrnehmen.

Was ist »nicht unerheblich«? Mehr als 10 %? Es soll also einen Typ Autofahrer geben, der nur dort einkauft, wo er vorher auch langgefahren ist. Das ist jetzt aber im krassen Widerspruch zu oben. Ganz viele Geschäfte in der Innenstadt sind nicht mit der Front zum City-Ring, sie sind tief in der Innenstadt. Wie überleben diese Geschäfte, an denen keine Privatleute mit dem Auto vorbeifahren? Denkt man es zu Ende, dürfte es erst gar keine Fußgängerzone geben. Vielmehr sollte man durch alle Straßen mit dem Auto fahren können, damit die Geschäfte wahrgenommen werden.

Noch weiter gedacht müsste das Juweliergeschäft dann direkt an die Autobahn, schließlich fahren dort die meisten Fahrzeuge am Tag entlang.

Frau Quaedvlieg behauptete, dass Radfahrer als Verbraucher zweiter Klasse behandelt werden. Das wollte der Herr Vassiliou nicht auf sich sitzen lassen:

Da will ich doch entschieden widersprechen. Der Handel freut sich über alle Kunden, natürlich auch, wenn sie mit dem Rad kommen.

Klar, mehr Kunden sind immer gut. Aber wenn man sich jetzt entscheiden muss welchem Kunden man den roten Teppich ausrollt, dann werden es wohl die Autofahrer sein. Seine Aussage ist da kein Widerspruch zu.

Frau Quaedvlieg sagte, dass es wenig »Radabstellmöglichkeiten direkt vor den Geschäften« gibt und somit die weniger sicheren Radfahrer die Stadt schlechter erreichen können. Von Herrn Vassiliou kam dann direkt das hier:

Ich muss Ihnen sagen, dass ich Radfahrer gerade in der Stadt oft als rücksichtslos wahrnehme.

Das ist ja korrekt. Aber was hat das mit dem Thema zu tun? Der Handel freut sich also über alle Kunden, sogar wenn sie mit dem Rad gekommen sind. Trotzdem seien das häufig rücksichtslose Leute, die dort die wichtigen Kunden (mit dem Auto anreisend) vergrämen. Oder wie war das jetzt gemeint?

Das Thema wurde dann auf die Erreichbarkeit von Hofgarten und Rheinufer gelenkt. Auch das scheint keine gute Idee zu sein:

Schauen Sie sich die Rathausgasse und die Straße Am Hof an. Früher gab es dort jede Menge Geschäfte. Heute sind die Straßen tot.

Also das Viktoriakarree ist schon länger am absterben, nicht erst seit der Kappung des City-Rings. Es ist schon länger im Gespräch, dass die Signa dort eine große Mall hinsetzen möchte. Die neue Verkehrsplanung hat damit nicht direkt etwas zu tun. Zumal doch gerade dort die ganze Zeit Geschäfte waren, die man vom Auto aus sehen konnte. Von daher hätte es dem Karree doch sogar besser gehen müssen als der Innenstadt.

Die wichtigsten Kunden sind laut dem Herrn aber die Pendler!

Wir docktern am falschen Problem herum. Das Problem sind die Pendler. Während Corona konnte man das gut beobachten: Die ganzen Angestellten von Post, Postbank und Telekom blieben zu Hause. Die Straßen waren leer, leider auch die Parkhäuser.

Die Innenstadt wird also angetrieben von Leuten, die mit Hemd oder gar Anzug zur Arbeit gehen. Und nur weil diese Leute jeden Tag quer durch die Stadt fahren, sollen diese dann auch noch in der Innenstadt einkaufen? Ich kann das hier nicht so ganz bewerten, aber fahren wirklich so viele Leute zur Hauptverkehrszeit freiwillig in die Stadt noch etwas einkaufen?

Dann kommt noch ein Wunsch:

Die Stadt hat viele Chancen liegen gelassen, die Verkehrssituation zu verbessern. Beispielsweise mit einer unterirdischen Zufahrt zum Hauptbahnhof mit direkter Anbindung des Hotels und so weiter.

Und was soll das bringen? Was soll man mit dem Auto am Hauptbahnhof? Entweder lässt man jemanden raus, dann ist man aber kein Einkäufer in der Stadt. Oder man fährt in die Stadt um von dort einen ICE/IC in eine andere Stadt zu nehmen. Das geht bereits ganz gut in der Quantiusstraße. Und das Hotel anbinden? Fahren Leute mit dem Auto in die Stadt um dann direkt neben dem Bahnhof zu schlafen? Ich verstehe das nicht, allerdings kenne ich die Bonner Hotellandschaft auch nicht.

Frau Quaedvlieg führt an, dass die meisten Wege sehr kurz sind, man sie also gut mit dem Fahrrad erledigen kann. Das lässt Herr Vassiliou aber nicht gelten:

Sie nannten deutschlandweite Zahlen. Aber was Bonn anbelangt, haben wir ein Zahlendefizit.

Er hat schon Recht, dass man die Änderungen am City-Ring wissenschaftlich begleiten müsste. Ich finde es auch erschreckend, dass das nicht gemacht worden ist. Aber zu behaupten dass in Bonn die Verteilung der Wegstrecken komplett anders ist, erscheint mir das wegwischen eines validen Argumentes.

Am Ende wird noch diskutiert, ob man nicht endlich mal eine zweite Unterführung der Bahn zum Kaiserplatz für Radfahrer umsetzen soll. Ist seit 40 Jahren Position des ADFC. Könnte man langsam mal machen, ja. Und dann noch einen Radweg dort, wo er den Autoverkehr nicht stört, könnte er sich gut vorstellen.

Vielleicht wäre es in der Tat an der Zeit, einen guten Stadtplaner von außerhalb mit einem Gesamtkonzept zu beauftragen.

Ideen haben wir genug. Und Konzepte gibt es auch. Es fehlt nur der Wille irgendwas zu ändern. Aber vielleicht wäre es extern gar nicht so schlecht. Dann kommt möglichweise so etwas wie ein Bahnhofsvorplatz heraus, man kennt es aus Städten wie Köln, Aachen, Dortmund.

Was ich allerdings ablehne ist, den Bürgern vorschreiben zu wollen, welches Fortbewegungsmittel sie zu benutzen haben.

Klar, erstmal den Verkehrsraum so aufteilen, dass das Auto am meisten Platz bekommt. Und dann einen auf Wahlfreiheit mimen. Wohnraum in der Stadt ist so teuer, dass sich die wenigsten etwas innerhalb leisten können. Da die Anbindung mit dem Rad teils unzumutbar ist und mit dem ÖPNV ineffizient und unregelmäßig, bleibt das Auto. Aber es soll jeder selbst wählen können, ist klar.

Insgesamt vermisse ich in dem Gespräch allerdings den Streit und das Auseinandernehmen der Argumente des anderen. Das hätte man doch noch deutlich schärfer machen können, wenn ich als einfacher Bürger da schon so viel finden kann.