Kidical Mass und das Rechtsverständnis von Demonstrationen
Die Tage sah ich die Ankündigung der Bonner Polizei zur Kidical Mass. Das ist angelehnt an die Critical Mass, einer Protestform gegen schlechte Radverkehrsinfrastruktur. Die Grundlage bildet StVO, § 27:
(1) Für geschlossene Verbände gelten die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß.Mehr als 15 Rad Fahrende dürfen einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürfen sie zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren. Kinder- und Jugendgruppen zu Fuß müssen, soweit möglich, die Gehwege benutzen.
(2) Geschlossene Verbände, Leichenzüge und Prozessionen müssen, wenn ihre Länge dies erfordert, in angemessenen Abständen Zwischenräume für den übrigen Verkehr frei lassen; an anderen Stellen darf dieser sie nicht unterbrechen.
Die Kidical Mass ist besonders, da dort auch explizit kleine Kinder anwesend sein sollen. Es wird dann als angemeldete Demonstration realisiert, die noch weniger unterbrochen werden darf. Nun hatten wir heute eine Situation, die schnell aufheizte. Die Demonstration passierte die Fußgängerampel, und irgendwann wurde sie wieder einmal rot für die Fahrbahn. Als Verband gilt das für uns aber nicht mehr, wie bleiben geschlossen.
Das sahen aber einige Fußgänger nicht ein, und zwangen sich durch den Verband. Dabei kam es wohl zu einer Kollision, da lag dann das Fahrrad eines querenden Fußgängers auf der Straße.
Als ich auf der Höhe war, fuhren unsere Radfahrer schon weiter. Ich höre noch, wie die Fußgänger argumentierten, dass sie doch grün hätten, und wir rot. Das ist natürlich erstmal korrekt, aber die Demonstration hat hier Sonderrechte. Das wollten sie aber nicht einsehen, und beschimpften uns dann als Leute, die sich über das Gesetz stellen. Mehrere Leute verwiesen auf die Polizeibegleitung, die wir hatten. Ungefähr 20 m hinter mir war das Schlussfahrzeug der Bonner Polizei. Irgendwie hat die Leute das gar nicht interessiert.
Dann stimmte eine mit »Schamt euch!« an, die anderen stimmten ein und riefen es immer wieder. Es war mir dann auch einfach zu doof, und schließlich soll der Verband nicht abreißen. Dann bin ich weitergefahren.
Es ist ja schon richtig, erschreckend viele Radfahrer halten sich nicht an die Verkehrsregeln. Erschreckend viele Autofahrer aber auch nicht. Letztlich ist es unabhängig vom Verkehrsmittel, es gibt einfach viele egoistische Arschlöcher im Straßenverkehr. Das jetzt an einer angemeldeten Demo auszulassen, ist aber der falsche Weg.
Das ganze hat mich an den Auftritt von Florian Schroeder bei Querdenker 711. Dort fragt er die Menge, ob sie die »totale Meinungsfreiheit« wollen. Es kommt Jubel aus der Menge. Dann äußert er seine Meinung, nämlich dass er die Maßnahmen der Regierung gut findet, das Virus ernst nimmt und die Masken für sinnvoll hält. Danach wurde er ausgebuht. Das ist natürlich auch wieder Meinungsfreiheit der Menge.
Warum ist es denn jetzt ein Problem, dass die Radfahrer durch die angemeldete Demonstration eben das Recht haben, über die rote Ampel zu fahren? Wenn man schon anfängt zu diskutieren, dann sollte man sich auch informiert haben, was denn jetzt eigentlich erlaubt ist.