»Darf ich mal in Ihre Taschen schauen?«

Beim Hit wollte man in meine Fahrradtaschen schauen, ohne einen konkreten Verdacht zu haben.

An der Alten Heerstraße in Niederpleis gibt es den großen Hit. Das ist so ein Supermarkt, der nach außen hin alles tut, um Kundschaft mit dem Auto anzulocken: Gelegen an einer Durchgangsstraße, riesiger Parkplatz, Hänchengrillwagen vor der Tür. Auf dem Parkplatz den Hinweis »Taschen bitte im Auto lassen«. Die Fahrradständer sind so mittelmäßig.

Manchmal gehe ich da aber trotzdem rein, weil sie eben das komplette Rewe-Sortiment haben und er gegenüber von meinem Stamm-Aldi ist. Den Laden selbst finde ich aber sehr mühsam, weil er einfach viel zu groß ist. Und die Sortierung ist wirklich das bekloppteste, was ich bisher gefunden habe. Sogar noch schlimmer als der eine Rewe. Im Aldi sind Reibekuchenteig und Fertig-Tortellini direkt nebeneinander, bei den gekühlten Fertiggerichten. Beim Hit ist das aber nicht so. Da ist der Reibekuchenteig bei der Feinkost ganz hinten links, die Fertig-Tortellini sind aber in der »Frischewelt« beim Eingang vorne rechts. Man muss also diagonal durch den ganzen Laden gehen.

Und an dem Tag suchte ich Plastik-Trinkbecher. Die sind nicht bei den Küchenutensilien (wo es Papier-Muffinförmchen gibt), sondern bei den Schreibwaren. Schließlich sind Servietten aus Papier, und Papp-Trinkbecher sind auch aus Pappe. Das habe ich auch nur gefunden, weil mich ein missmutiger Mitarbeiter in die richtige Richtung geschickt hatte. Die Gründe, warum ich dort nicht gerne hingehe, sammeln sich.

Ich suchte allerdings explizit Plastikbecher, weil wir damit ein Reservoir für Topfpflanzen bauen wollten. Aus ökologischen Gründen gibt es die Teile allerdings nur noch aus Pappe zu kaufen. Von daher hatte ich nicht das gefunden, was ich wollte. Ich bin also mit leeren Händen zu den Kassen gegangen.

Dort fing man mich ab, schließlich hatte ich neben meinem Rucksack noch zwei Fahrradtaschen über die Schulter geschlungen. Da hatte ich Helm und Einkäufe aus der Apotheke drin. Solche Taschen sind das:

Die Mitarbeiterin wollte in meine Taschen schauen. Ich habe sie gefragt, ob sie einen begründeten Verdacht hätte. Das verneinte sie.

Ich bin kein Jurist, habe aber Texte von Juristen für Nicht-Juristen gelesen. So findet man diverse Texte zu dem Thema, der hier von der Verbraucherzentrale erscheint mir gut. Dort steht zum einen, dass ich mir eben nicht in die Taschen schauen lassen muss:

Ohne einen konkreten Verdacht ist eine Taschenkontrolle im Supermarkt unzulässig.

Und genau den hatte die Mitarbeiterin ja nicht. Ich versuchte zu erklären, dass das so nicht zulässig ist. Es kam der typische »wer nichts zu verbergen hat« Spruch. Ich versuchte noch ein bisschen zu erklären, dass Rechte nicht nach dieser Maßgabe funktionieren. Inzwischen hatte sich eine zweite Mitarbeiterin dazugestellt. Das kann ich gut verstehen, als zierliche ältere Frau würde ich auch nur ungerne einem größeren trainierten Mann Anfang dreißig alleine gegenüberstehen wollen. Ich habe versucht das Gespräch auf die Ebene zu heben, dass ich nichts gegen sie persönlich hätte, aber die Politik des Marktes nicht in Ordnung fände.

Ich hätte wohl die Polizei rufen können, weil man mich ohne konkreten Verdacht festhält. Allerdings hätte ich dann wahrscheinlich eine halbe Stunde auf die Polizei gewartet. Das wäre eine ziemlich langweilige Situation gewesen, ich hatte auch nichts zu lesen dabei. Zudem wollte ich es auch nicht an der Mitarbeiterin auslassen, dass sie rechtswidrige Arbeitsanweisungen hat.

Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht habe ich mir dann in die Taschen schauen lassen. Sie schienen etwas enttäuscht zu sein, dass da nur ein Fahrradhelm und ein paar Waren von der Apotheke inklusive Kassenbon drin waren. Anscheinend versteht man nicht, warum man als gesetzestreuer Bürger etwas dagegen hat, wenn man anlasslos in seine Taschen schauen mag.

Danach erklärten sie mir, dass ich beim nächsten Mal doch bitte meine Taschen einschließen soll. Schließlich gäbe es da ganz hinten Schließfächer, die man mit einer Zwei-Euro-Münze nutzen könnte. Oder man gibt sie bei der Information ab. Interessanterweise steht aber im Eingangsbereich kein Hinweis dazu, dass man die Taschen abgeben soll. Nur eben der Hinweis, dass man die Taschen bitte im Auto lassen soll.

Dazu haben Händler anscheinend ein Recht. Aus dem Artikel der Verbraucherzentrale:

Ein Händler kann verlangen, dass Sie am Eingang Ihre größeren Taschen abgeben, wenn diese bewacht werden oder in einem Schließfach gesichert werden können.

Dazu muss das aber auch klar ersichtlich sein, das ist es in dieser Filiale aber nicht.

Laut Verbraucherzentrale habe ich mich aber »richtig« verhalten:

Wenn das Personal dennoch darauf besteht, sollten Kund*innen die Kontrolle zulassen und sich hinterher bei der Geschäftsführung beschweren.

Wobei im Artikel auch steht, dass man Strafanzeige stellen kann, wenn man ohne konkreten Verdacht festgehalten wird. Da weiß ich nicht, ob das wirklich sein muss.

Beschwerde beim Markt

Auf der Webseite von Hit findet man nur eine allgemeine Kontaktadresse für alle Märkte, also habe ich einfach an diese geschrieben und nochmal den Vorfall beschrieben. "E-Mail an kontakt@hit.de am 20.05.2023:

Sehr geehrte Damen und Herren,

soweben war ich in der Hit-Filiale an der Alten Heerstraße 53, 53757 Sankt Augustin, einkaufen. Da ich mit dem Fahrrad einkaufe, hatte ich einen Rucksack und zwei Fahrradtaschen für den Gepäckträger dabei. Da ich diese, wie am Parkplatz angeschlagen, schlecht »im Auto lassen« kann, nahm ich sie mit in das Geschäft. Das war bisher bei allen besuchten Filialen von Aldi, Lidl, Rewe, Edeka, dm und Rossmann kein Problem. Ich schließe die Taschen und kaufe mit Einkaufswagen oder -korb ein, damit keine Missverständnisse entstehen können.

Leider fand ich trotz der echten Vielfalt nicht das, was ich suchte. So ging ich mit leeren Händen zum Kassenbereich und wollte das Geschäft wieder verlassen. Eine Mitarbeiterin hielt mich allerdings auf und wollte in meine Taschen schauen. Meine Frage nach einem konkreten Verdacht verneinte sie, es würden allgemein Taschen durchsucht. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass dem Marktleiter oder der Marktleiterin die Rechtsgrundlagen für Taschendurchsuchungen nicht bekannt sind. Es ist also davon auszugehen, dass hier bewusst das Recht der Kund*innen missachtet wird in der Hoffnung die Verluste durch Diebstahl zu reduzieren.

Ich versuchte der Mitarbeiterin zu erklären, dass sie kein Recht dazu hat, meine Tasche zu durchsuchen. Sie beharrte darauf, es kam noch eine Kollegin dazu. Man versuchte mir zu erklären, dass eine anlasslose Taschenkontrolle kein Problem sei, wenn man nichts zu vergeben hätte. Sie würden ja auch nur die Vorgaben umsetzen.

Mir meiner Rechte bewusst überlegte ich, ob ich die Polizei dazuholen wollte. Da ich allerdings nicht auf unbestimmte Zeit in der Filiale die Eigenwerbung in der Durchsage ertragen wollte, ließ ich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu, dass man in meine Tasche schaute. Die Mitarbeiterinnen schienen schon fast enttäuscht, dass dort nichts interessantes enthalten war.

Als nächstes erklärte man mir, dass ich meine Taschen doch an der Information abgeben oder sie in die Schließfächer einschließen könnte. Diesen Hinweis hätte ich vor dem Betreten des Verkaufsbereichs gebraucht, nicht hinterher. Stellen Sie doch bitte ein entsprechendes Schild am Eingangsbereich auf.

Witzigerweise haben die Mitarbeiterinnen nicht in meinen Rucksack schauen wollen. Der war prall gefüllt mit meiner Regenkleidung, Wasserflasche und Kleinkram. Somit hat diese rechtswidrige anlasslose Taschenkontrolle sogar auch noch ihren Zweck verfehlt. Wenn jemand also etwas hätte entwenden wollen, wäre das im Rucksack möglich gewesen.

Mein Fazit für diesen Besuch in der Hit-Filiale fällt sehr schlecht aus. Ich konnte das Geschäft betreten ohne einen Hinweis mit der Bitte auf Abgabe der Taschen zu sehen. Beim Herausgehen hielt man mich fest und wollte rechtswidrig meine Taschen durchsuchen. Der Hinweis, dass das rechtswidrig sei, führte zu keiner Verhaltensänderung.

Ich hoffe, dass Sie genug Kund*innen haben, die entweder mit dem Auto anreisen oder die ihre Rechte nicht kennen. Ich werde vorerst nicht mehr bei Ihnen einkaufen.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Ueding

Ich bekam relativ zügig eine Antwort, man würde den Vorfall bedauern. Man bot mir das persönliche Gespräch an, um die Sache zu klären. Interessant fand ich, dass in der E-Mail vor allem der Wert des persönlichen Kontakts betont worden ist. Von einem klaren Bekenntnis, dass das Verhalten so rechtswidrig war, stand da aber nichts.

Nach meinem Urlaub hatte ich das Gesprächsangebot angekommen. Es war dann ganz witzig an der Information des Marktes zu stehen und nach dem Marktleiter zu fragen, ich hätte einen Termin. War in dieser Form auch für mich ein erstes Mal.

Wir haben ungefähr 20 Minuten gesprochen, es war ein angenehmes und ruhiges Gespräch. Der Marktleiter erklärte mir die Notwendigkeit von Taschenkontrollen um den hohen Inventurdifferenzen beizukommen. Gerade jetzt mit der steigenden Inflation würde die Verlustrate wohl höher als üblich sein. Und zwar sollten die Mitarbeiter*innen nach den Taschen fragen, aber dann nicht darauf beharren. Das sei in meinem Fall falsch gemacht worden.

Zwischen meiner Beschwerde und unserem Termin hätte er auch noch eine Schulung zu dem Thema durchgeführt. Meine Beschwerde sei nicht die einzige in letzter Zeit gewesen. Ich fand das schon ziemlich interessant, weil er trotz der Beschwerden an der Maßnahme festhalten möchte. Sein Ansatz ist auch die Taschenkontrollen so sichtbar zu machen, dass die Leute merken, dass sie kontrolliert werden. Er erhofft sich davon eine abschreckende Wirkung, also bezüglich des Diebstahls. Ein Schild mit »Taschen bitte abgeben« wollte er hingegen nicht aufstellen, weil er die Leute erst gar nicht auf die Idee bringen wollte, Taschen mit in den Markt zu nehmen.

Ich erzählte ihm, dass in keinem anderen Markt je jemand in meine Taschen schauen wollte. Manchmal werde ich gebeten die Taschen hochzunehmen, aber nicht mehr. Er fand das überraschend. Seine einziger Erklärungsversuch war, dass sein Markt viel größer sei als andere Märkte. Das ist aber im Hinblick auf den große Rewe in Pützchen auch nicht stichhaltig.

Bezüglich des Rechts auf Privatsphäre tat er verständnisvoll, fragte mich aber auch, ob es denn wirklich so ein Problem für mich sei, in meine Taschen schauen zu lassen. Schließlich hätte ich ja nichts zu verbergen. Das finde ich immer eine sehr gefährliche Argumentationslinie, schließlich geht es bei Rechten nicht darum, ob man sie gerade in diesem Moment braucht. Er schien da irgendwie nur so abstrakt mitgehen zu wollen. An sich könnte man das mit dem »nichts zu verbergen« auch noch weiterspinnen. Schließlich kann ich kleine teure Produkte wie USB-Ladekabel einfach in die Hosentasche oder eine kleine Handtasche stecken. Konsequenterweise dürfte man auch keine Hosen mehr tragen. Das Konzept nenne ich »Nacktkauf« in Anlehnung an »Nahkauf«. Ich habe vom Fahrradfahren einen Knackarsch, den ich nicht verbergen muss. Trotzdem würde ich mich in meiner Privatsphäre verletzt fühlen.

Wir kamen dann noch auf das Abgeben der Taschen zu sprechen. Er schien generell überrascht, dass ich überhaupt mit so großen Taschen einkaufen gehen würde. Er meinte dann, dass das ja sehr vorbildlich und nachhaltig sei, wenn ich sogar den großen Einkauf mit dem Fahrrad machen würde. Ich hatte also durchaus Recht, die Kundschaft dort kommen fast alle mit dem Auto. Er erklärte mir, dass ich meine Taschen ja in die Schließfächer packen oder an der Information abgeben könnte. Ihm sei bewusst, dass das ein Mehraufwand sei, jedoch hätte ich davon ja auch den Vorteil nicht falsch verdächtigt zu werden. Dass die Schließfächer zu klein für meine Fahrradtaschen sind und eher nur für Wertsachen nutzbar sind, habe ich gar nicht mehr erwähnt.

Interessant war allerdings die Frage nach der Haftung. Er sagte, dass er die Haftung für die an der Information abgegebenen Dinge übernehmen würde. Natürlich müsste ich irgendwie nachweisen können, was im Rucksack gewesen ist, falls ich da einen Diebstahl anzeigen wollte.

Und mit der Abgabe der Taschen schließt sich der Kreis zu den Rechten: Ich soll also einseitig den Nachteil des zusätzlichen Aufwandes in Kauf nehmen, damit der Händler eventuell weniger Diebstahl hat. Dazu muss ich noch Nachweise für meinen Rucksackinhalt erbringen können. Dann kann ich mich mit dem Händler darum streiten, dass ich eine 1000 EUR Kamera im Rucksack habe, wenn ich Einkaufen gehe. Das ganze wird mir dann noch als Vorteil verkauft, weil ich dann gar nicht um mein Recht auf Privatsphäre kämpfen müsste (hat er natürlich anders formuliert). Mir erscheinen das drei Nachteile und kein Vorteil zu sein.

Auch wenn das Gespräch menschlich sehr nett war, hat sich mein Fazit nur ein winziges bisschen verschoben. Man hätte mich nicht festhalten sollen, das hat man eingesehen und in einer Schulung schon berücksichtigt. Ich sehe aber nicht ein, dass ich meine Taschen dort einschließen oder abgeben soll. Das ist für mich mehr Arbeit. Und dann kann ich auch einfach in andere Märkte gehen, wo man mich nicht so behandelt.