Willenskraft und Resilienz beim Krafttraining

Wenn man nach Gründen gefragt wird, warum man nicht alle vorgenommenen Dinge umsetzen konnte, wird häufig mangelnde Zeit genannt. Für mich trifft das aber häufig nicht zu. Mir fehlt manchmal einfach die Energie. Das ist gerade bei dem kalten Wetter wenig verwunderlich. Eine Nacht schlechter Schlaf kann schon reichen. In letzter Zeit nehme ich aber eine weitere wichtige Ressource war: Willensstärke. Und so kann ich manchmal noch Zeit und Energie haben, aber einfach keinen Willen mehr.

Besonders merke ich das beim Krafttraining. Die Methode dort sind langsame Wiederholungen ohne Absetzen mit je 12 Sekunden Dauer. Man soll zwischen 90 und 120 Sekunden Belastungszeit schaffen. Schafft man mehr oder weniger, erhöht bzw. reduziert man das Gewicht beim nächsten Training ein bisschen. An Samstagmorgen habe ich genug Zeit, und durch das Frühstück davor auch noch genug Kraft. Was aber unterschiedlich ist, das ist mein Willen. An manchen Tagen habe ich fest vor die 120 Sekunden zu übertreffen, damit ich das Gewicht erhöhen kann. An anderen Tagen will ich einfach nur die 90 Sekunden vollmachen, damit ich nicht reduzieren muss.

Die ersten 60 Sekunden sind immer ziemlich einfach. Aber dann merke ich wirklich sehr stark, wie resillient ich an dem Tag bin. Es fängt an anstrengend zu werden, und natürlich ist der erste Impuls dann nachzugeben und aufzuhören. Ich muss mir dann aber sagen, dass ich das durchziehen will, und dass das Gefühl des Erfolges die vergänglichen Schmerzen überwiegen wird. Mit jeder Wiederholung wird die Stimme »das reicht doch« lauter, und das »eine Wiederholung geht noch« wird schwächer. Je nach Willenskraft kann ich aber noch ein bisschen weitermachen.

Zu Beginn waren die Gewichte sehr niedrig und ich hatte viele Steigerungen in kurzer Zeit machen können. Es war auch psychologisch sehr einfach bis ans Limit zu gehen, weil es noch so neu war. Meine Nerven waren auch noch komplett damit überfordert die Muskeln anzusteuern, also waren die Nerven dann irgendwann überlastet. Inzwischen zittere ich nicht mehr so viel, die Muskeln sind irgendwann einfach erschöpft. Das ist ein richtig fieses Gefühl, wenn man bis zum Muskelversagen trainiert. Es bringt aber enorm viel, genau das zu tun. Inzwischen braucht es mehr, bis ich zum Muskelversagen komme, und es fühlt sich etwas fieser an. Daher braucht es mehr Willenskraft.

Die Anzahl der Wiederholungen beim Krafttraining sind ein wunderbarer Indikator für meine psychologische Resillienz. Denn neben dem Gedanken, dass es anstrengend ist, kommen noch diverse weitere Gedanken dazu. Die Ausreden bieten förmlich um die Wette und wollen beachtet werden. Mal lasse ich mich von anderen Leuten ablenken, mal passiert vor dem Fenster irgendwas. Und sobald ich mit den Gedanken nicht mehr komplett bei der Bewegung bin, scheinen die Muskeln erschöpfter, als sie wirklich sind. Wenn ich gestresst oder anderweitig dünnhäutiger bin, dann lasse ich mich schneller von meinem Weg abbringen.

Seit ich das beim Krafttraining so klar beobachten konnte, nehme ich das auch in immer mehr Lebensbereichen wahr. Sei es der Gedanke, dass ich die Spülmaschine auch noch später ausräumen kann. Wenn ich morgens Energie und Willen habe, räume ich noch locker die Küche auf und starte so aufgeräumt in den Tag. An anderen Tagen könnte ich mir zwar die Zeit nehmen und die Energie abrufen, die Willenskraft fehlt aber.

Weil ich durch diese Reflexion jetzt direkter mitbekomme, wie meine Willenskraft rauf- und runtergeht, habe ich auch viel darüber gelernt, an welchen Umständen das liegt. Ich weiß inzwischen viel genauer, was mir Willenskraft raubt, und was sie erneuert. Und wenn ich jetzt merke, dass mir Willenskraft fehlt, kann ich mich explizit darum kümmern. Als ich es früher immer nur auf mangelnde Zeit geschoben hatte, konnte ich nichts beeinflussen. Jetzt aber kann ich aber Maßnahmen ergreifen um meine Willenskraft wiederherzustellen.

Ich kann empfehlen einmal im Alltag bewusst darauf zu achten, ob es mangelnde Energie, Zeit oder Willen ist. Mit ein bisschen Übung kann man es besser auseinanderhalten und dann auch besser steuern.