Positives Twitter

Seit ungefähr zwei Jahren bin ich wieder auf Twitter. Inzwischen habe ich über 1000 Follower, da ist einiges passiert. Mit der Zeit lernt man einige Muster kennen, sodass es sich teilweise eher eintönig anfühlt.

Twitter, und andere soziale Netzwerke, ermuntern die Nutzer*innen sich mit Personen zu umgeben, die ähnliche Ansichten haben. Dadurch ist kann umgeben von einer Art Echokammer, die die Person in ihren Ansichten bestärkt. Das ist nicht verwunderlich, wir Menschen haben alle ein Bedürfnis nach Geselligkeit, verstanden werden, Zugehörigkeit. Auf Twitter manifestiert sich dann dann darin, dass man Personen folgt, die ähnliche Inhalte verbreiten. So sieht man Inhalte, die einem gefallen, man fühlt sich wohl, tauscht sich mit Gleichgesinnten aus.

Das wäre eine schöne und heile Welt, wären da nicht die ganz anderen Leute und der Twitter-Algorithmus. Twitter ist eine Firma, die Werbeplätze verkauft, also die Aufmerksamkeit der Nutzer. Je mehr davon eingesammelt wird, desto mehr Umsatz macht Twitter. Der Algorithmus lernt die gezeigten Inhalte so zu steuern, sodass die Leute möglichst viel Zeit auf Twitter verbringen. Eine sehr erfolgreiche Strategie ist das Einmischen von Beiträgen aus »verfeindeten« Bubbles. In meinem Fall würde ich zum Beispiel Tweets bekommen wie »Radfahrer halten sich nie an Regeln« oder »Berlin muss autofrei werden«. Das soll mich dann »triggern«, sodass ich eine Diskussion mit denen anfange.

Dieses System hat Lanier1»Bummer« getauft, es ist die Manipulation der Nutzer, um ihre Aufmerksamkeit zu verkaufen. Dabei zählt nur, wie sehr sie Beiträge schreiben und lesen, aber nicht, wie sie sich dabei fühlen. Der Algorithmus hat gelernt, dass man mit Wut und Empörung die Nutzer*innen an Twitter fesseln kann, und nutzt das dann aus. Lanier nimmt dies als Argument um von der Nutzung der sozialen Netzwerke komplett abzuraten.

Über Twitter erfahre ich schon viele interessante Dinge, die ich sonst nicht erfahren hätte. Außerdem gibt es auch viele nette Leute dort, mit denen ich gerne interagiere. Es gibt einige Accounts, sich hauptsächlich an anderen abarbeiten, denen Folge ich irgendwann nicht mehr. Mit der Zeit versuche ich eine möglichst positive Filterbubble zu bekommen, in der es um Erfolge in der Umsetzung der Verkehrswende geht. Dazu brauche ich weder rechte Hasser, libertäre Autofans, oder aber aufgeregte linke Dauerempörte.

Ich selbst muss auch aufpassen, was ich teile. Es ist zu einfach mit Wut oder Empörung Reichweite zu bekommen. Ganz schnell ist ein Retweet mit »Schaut euch an, wie dumm das ist!« gemacht. Aber das ist genau die Art von Interaktion, die ich loswerden möchte. Sie ist kurzfristig berauschend, macht mittelfristig depressiv und langfristig bringt es die Verkehrswende überhaupt nicht weiter.

Und so entfolge ich einigen Accounts. Hasser blocke ich einfach, ich schreibe da auch keine überlegenen Antworten. Ich werde diese Leute nicht überzeugen, und daher werde ich ihnen keine Energie mehr geben. Dauerempörte werde ich eventuell stumm schalten. Es erscheint mir viel sinnvoller diese Energie an die Stadtverwaltung, Bezirksregierung oder Landesregierung ranzutragen, als auf Twitter zu sein. Ich werde die Reichweite auf Twitter gerne nutzen um über Erfolge zu berichten, dann meist als geteilten Blogeintrag.

Mal schauen, wie gut das so in der Realität klappt. Denn ich bin, auch wenn ich es gerne anders hätte, genauso anfällig für die Manipulation durch Twitter, wie alle anderen auch.


  1. Jaron Lanier. Ten Arguments for Deleting Your Social Media Accounts Right Now (2018)