Das große und das kleine Auto

Der direkte Vergleich von zwei Autos auf vergleichbaren Strecken ist schon interessant, ich fahre ganz unterschiedlich je nach verfügbarer Leistung. Und freue mich im eigenen Auto wenig Leistung zu haben.

Unser Kleinwagen hat 60 kW Motorleistung. Man kann damit ganz locker in der Stadt unterwegs sein. Auf der Autobahn kann man auch gut 120 km/h damit fahren. Danach fängt es einfach an sehr laut zu werden, außerdem liegt es nicht so satt auf der Straße, dass es wirklich angenehm wäre. Aus eigener Kraft schafft es vielleicht 150 km/h, aber das ist schlicht nicht mehr angenehm zu fahren.

Beim Auffahren auf die Autobahn muss man wissen, wie man die volle Leistung aus dem Auto holt. Also die Kurve zum Beschleunigungsstreifen im zweiten Gang fahren, am Scheitelpunkt der Kurve komplett das Gaspedal durchdrücken, bei ungefähr 4500 U/min in den dritten Gang schalten und wieder Vollgas geben. Dann hat man früh genug 90 km/h erreicht und kann sich einfädeln. Das ist kein Problem, man darf aber nicht trödeln und hoffen es am Ende des Beschleunigungsstreifens ausgleichen zu können.

Fahre ich mit dem Auto in der Stadt, so kann ich wirklich entspannt 30 oder 50 km/h fahren. Es gibt keinen Drang schneller zu fahren.

Fahre ich auf dem Weg in den Urlaub durch Eifel oder Hunsrück auf kurvigen Landstraßen, so kommt das Auto schnell an seine Leistungsgrenze. Dann muss ich in den vierten Gang herunterschalten, damit genug Leistung für die Steigung übrig bleibt. Aber das ist kein Problem, dann fahre ich eben einen Abschnitt mit etwas höherer Drehzahl.

Eigentlich ist das sogar ziemlich cool. Ich habe früher Rennspiele am Computer gespielt und fand es großartig dort die virtuellen Autos an ihre Grenzen zu bringen. Dadurch lernt man Kurven zu fahren und richtig zu schalten. Im Alltag kann man sich natürlich nicht mit 200 km/h durch den Gegenverkehr schlängeln, daher bringt man das Auto nie an eine Grenze. Von daher ist Autofahren einfach ziemlich öde. Hat man aber ein kleines Auto, so ist man dieser Grenze viel näher. Und das macht mir dann wieder Spaß. Mit einem fett motorisierten Auto Fahrfehler durch Beschleunigung auf der nächsten Geraden ausgleichen kann jeder.

Auf der Autobahn fahre ich mit dem Auto bis zu 120 km/h. Wenn auf dem linken Fahrstreifen die Dienstwagen mit 200 km/h ausgefahren werden und ich keine Lust auf den Stress habe, dann fahre ich halt mit um 90 km/h hinter den LKWs lang. Das dauert nur unwesentlich länger, spart aber Treibstoff und meine Nerven.

Das Kontrastprogramm dazu ist ein Auto, das mir freundlicherweise für einen Urlaub geliehen wurde. Es ist deutlich größer, besser gedämmt und hat vor allem mit 135 kW Motorleistung mehr als die doppelte Leistung von unserem Auto. Das Auto ist zwar schwerer, das Gewicht pro Leistung ist trotzdem ungefähr das doppelte.

Es sieht auch viel schicker aus als unsere Kunststoff-Knutschkugel. Das könnte man schon fast als Werbefoto nehmen:

Das Auto fährt sich ganz anders. Es ist immer genug Leistung da. Bei 180 km/h noch schnell auf 200 km/h beschleunigen ist kein Problem. Man drückt einfach das Gaspedal herunter, die Automatikschaltung wählt aus den sieben Gängen den passenden aus und der Motor mit Aufladung bietet genug Drehmoment an. Bei der Autobahnauffahrt muss man nicht groß planen. Man fährt da einfach um die Kurve und drückt drauf. Man kann auf dem Beschleunigungsstreifen schon 150 km/h erreichen und dann einfach nach ganz links rüberziehen.

Auf der Autobahn selbst kann man einfach immer links bleiben. Ist vor einem frei, beschleunigt man einfach immer weiter. Und auch bei 170 km/h fährt das Auto ganz ruhig und liegt mit dem langen Radstand gerade auf der Straße. Die Seitenwindempfindlichkeit ist ebenfalls geringer. Die hohen Geschwindigkeiten fühlen sich nicht so schnell an.

An der Stelle beginnt dann auch mein »Problem« mit dieser Klasse von Autos. Weil sie so laufruhig sind und durchzugsstark beschleunigen, verliert man das Gefühl für die Geschwindigkeit. Mit dem Fahrrad sind 40 km/h wirklich ein Ding. Bergab mit 55 km/h ist schon ziemlich fahrlässig. Mit dem Auto in der Stadt sind 55 km/h (was Leute halt so bei Tempo 50 fahren) aber ganz normal. In so einem gut ausgestatteten Auto kommt es mir sogar langsam vor. Das Auto könnte doch viel schneller fahren, warum haltet ihr mich alle auf? Ich hasse es, wenn Leute über meine Zeit verfügen!

Ich fahre mit beiden Autos besonnen und halte mich an die Höchstgeschwindigkeiten. Auch überhole ich Radfahrer immer mit viel Abstand und nicht bei Gegenverkehr. Mit dem kleinen Auto bin ich aber genügsamer, wenn ich nicht die Höchstgeschwindigkeit ausfahren kann. Das kleine Auto fühlt sich schon angestrengt an. Das große Auto bietet beständig mehr Leistung und Geschwindigkeit an.

Insgesamt freue ich mich über das kleine Auto. Das verbraucht zumindest im Vergleich zu anderen Autos relativ wenig Benzin, war günstig in der Anschaffung und ist günstig im Unterhalt. Bisher haben wir auch alle Ziele damit erreicht und konnten alles Gepäck unterbringen. Das Auto reicht also aus. Und auf irgendeine Art bin ich auch froh, dass das Auto nicht mehr kann und somit das Gefühl entstehen lässt, man müsste das irgendwie ausnutzen.

Ob sich das auf andere Autofahrer verallgemeinern lässt, weiß ich natürlich nicht. Es könnte aber sein, dass hochmotorisierte Autos in enthemmten Händen zu deutlich aggressiverem Fahrverhalten führen. Möglicherweise würde es gut tun, wenn im Straßenverkehr etwas abgerüstet werden würde.