Unseriöse Behandlungen bei Orthopäden

Ich habe sehr durchwachsene Erfahrungen mit Orthopäden gemacht. Meine Bereitschaft welche aufzusuchen ist auf fast Null gesunken. Ein paar Geschichten.

Kniesehne

Normalerweise mache ich Radtouren auf asphaltierten Wegen, entsprechend ruhig läuft mein Fahrrad. An einem Tag hatte ich aber mal Lust auf eine Tour über grobe Waldwege. Mein Trekkingrad ist dafür nicht gedacht, da kommen sehr viele Schläge direkt im Lenker an. Mit 5,5 bar Luftdruck in den eher schmalen Reifen ist das vielleicht auch nicht so clever. Gut, ich habe aber nur das eine große Fahrrad.

Über eine Woche danach fing mein Knie an zu schmerzen. Was war da passiert? Weil das Fahrrad so enorm gerüttelt hat, bin ich relativ lange Passagen im Stehen gefahren. Meine Beine waren dann immer angewinkelt und konnten so die ganzen Stöße gut aufnehmen. Allerdings ist das nicht folgenlos.

Schauen wir uns einmal das Knie an. Das hier ist eine Ansicht von schräg vorne:

Bildquelle: Uwe Gille, Mysid. Knee_diagram.svg. gemeinfrei.

Wir haben da vorne die Kniescheibe (Patella). Und diese ist mit Bändern mit dem Ober- und Unterschenkel verbunden. Zieht man den vorderen Oberschenkelmusel (Quadrizeps) an, so zieht man diese Sehne nach oben und drückt die Kniescheibe in das Kniegelenk. Das ganze zieht dann auch ordentlich an der Sehne unterhalb der Kniescheibe, die das ganze am Schienbein verankert.

Wenn das Knie relativ weit gestreckt ist, dann wirkt auf die Kniescheibe eine brutale Hebelkraft. Das Prinzip ist in der Mechanik auch als Kniehebel bekannt und wird zum Beispiel bei Springformen, Bolzenschneidern oder der Lademechanik einer Armbrust genutzt. Es geht darum mit geringer Kraft eine brutale Kraft zu ermöglichen.

Das ist dann aber auch genau das Problem beim Knie. Wenn man in den Knien steht, dann zieht das ein guter Teil des Körpergewichts an dieser Sehne. Und wenn man dann über eine Unebenheit fährt und sie mit dem Knie wegfedert, dann gibt das einen Ruck in den unteren Teil der Sehne, weil da kein flexibler Muskel mehr ist. Man federt zwar aus dem Oberschenkelmuskel, ballert sich die Stöße aber unelastisch in diese Sehne rein.

Wenn man das einmal verstanden hat, ist es auch nicht mehr weiter verwunderlich, dass es das Läuferknie (Patellaspitzensyndrom) gibt. Das ist eben exakt das: Man hat es beim Laufen übertrieben und daher ist diese Sehne gereizt. Sehnen sind im gegensatz zu Muskeln schlecht durchblutet, daher braucht es einfach viel Zeit, bis das nach Überlastungen und den einhergehenden kleinen Verletzungen wieder alles verheilt ist. Therapie ist hier ganz einfach: Pause machen, danach sich langsam steigern und es nicht im Überschwang total mit untypischen Belastungen übertreiben.

Mit diesem Wissen erscheint mir das relativ einfach und offensichtlich. Damals wusste ich das halt nicht. Und ich bin nicht der Typ, der bei einer Sportverletzung einfach weiter trainiert und die Schmerzen ignoriert. Man könnte es auch Hypochonder nennen. Jedenfalls bin ich dann zu einem Orthopäden gegangen, damals als privat Versicherter zu einem reinen Privatorthopäden weil ich da eben einen Termin bekommen konnte.

Puh, und dann wurde es wild. Er hat mich nicht gefragt, was ich vorher gemacht hätte. Durch die zeitliche Distanz war mir das auch nicht so ganz klar. Er hat mich dann einfach untersucht und zwar mit seinen teuren Geräten. Da hat er dann alle möglichen scheinbar pathologischen Diagnosen gestellt. Ich bräuchte Einlagen, ich bräuchte dies, ich müsste das tun. Puh, da war ich Mitte 20 und körperlich fast am Ende. Ohje!

Aber kein Problem, er hat mir dann ein Werbevideo für sein Sportgerät gezeigt und mir danach eine Laserbehandlung gegeben. Darüber schrieb ich schon einmal, es war bezüglich Lasersicherheit abenteuerlich. Dann noch Akupunktur und diverse Dinge, die man gewinnbringend abrechnen kann.

Die Symptome wurden besser, aber kamen immer wieder. Irgendwie kamen auch noch Überlastungsschmerzen in den Handgelenken hinzu. Ich hatte totale Angst, dass ich irgendwann nicht mehr tippen könnte. Der Orthopäde behandelte das dann auch mit einem Laser. Symptome gingen und kamen irgendwann wieder.

Mir wurde das zu doof. Ich wollte eine zweite Meinung. Ich bin zu meiner Hausärztin und die hatte einen guten Tipp: Ich sollte zu einer Physiotherapie gehen, sie gibt mir ein Rezept. Die würden schließlich diese Dinge immer therapieren, teilweise seien die näher an den tatsächlichen Problemen der Leute dran. Versuchen wollte ich es.

Ich bin also dort hin und habe die Probleme geschildert. Die erste Frage war, was ich vor dem Auftreten gemacht habe. Ich habe vom ganzen Tippen am Computer erzählt und vom Radfahren. Die Physiotherapeutin lächelte wissend und erklärte mir, dass das einfach eine Überlastung sei. Gerade wenn man bergab fährt und die Bremse umklammert, gehen alle Stöße in das Handgelenk. Sie gab mir Dehnübungen.

Zuhause habe ich den Lenker meines Fahrrades minimal höher gestellt. Dadurch hatte ich eine leicht aufrechtere Sitzposition und weniger Gewicht in den Handgelenken. Und ich habe mir Lenkergriffe besorgt, die die Handflügel stabilisieren. Zack, nach einer Woche waren die Symptome weg und kamen nie wieder. Beim Knie ähnlich, ich habe halt keine übertriebenen Radtouren auf unbefestigtem Grund gemacht. Kam auch nie wieder.

Schmerzen im oberen Rücken

Viele Jahre später hatte ich Probleme mit Rücken- und Nackenschmerzen am Schreibtisch. Ich holte mir bessere Monitorständer, aber das Problem blieb. Wenn ich nur daran dachte an einem Laptop eingekauert zu sitzen, verkrampfte sich mein Nacken.

Da ich inzwischen gesetzlich versichert war, suchte ich einen neuen Orthopäden. Ich hatte einen gefunden, der halbwegs seriös aussah und auch noch einen Termin frei hatte. Dann bin ich dort hin. Der hat dann immerhin nicht mit Geräten diagnostiziert sondern mich einfach stehen lassen. Das war schon etwas besser. Er diagnostizierte rückblickend wenig überraschend einfach zu wenig Muskeln im Oberkörper und eine daraus resultierende Fehlhaltung. Ich bräuchte mehr Muskeln. Er würde mit Geräte-Krankengymnastik verschreiben.

Er ließ mich aber nicht gehen, ohne mir noch Geld für eine individuelle Gesundheitsleistungsleistung (IGEL) aus dem Kreuz zu leiern. Ich müsste Akupunktur machen, damit die Muskeln ideal auf die Geräte-KG vorbereitet werden. Ich ließ also 200 EUR für die Sitzungen dort.

Danach war ich dann bei der Geräte-KG, der Arzt dort stellte mir einen Trainingsplan zusammen. Ich erzählte stolz von der Akupunktur. Er schaute mich mitleidsvoll an. Der Blick sagte alles, ich wurde verarscht.

Ich bekam dann einen Trainingsplan an modernen Exzentermaschinen zum Aufbau von Kraft. Ich absolvierte 12 Trainingseinheiten, dann kam Corona und die Physiopraxis musste leider schließen. Es hat aber mega etwas gebracht, ich fühlte mich viel besser. Der Effekt ließ im Lockdown natürlich nach, die Schmerzen kamen wieder.

Nach dem Lockdown habe ich dann bei Kieser-Training angefangen und war etwas überrascht, dass sie dort die gleichen Exzentermaschinen haben. Es stellte sich heraus, dass die Geräte-KG letztlich Kieser-Training auf Rezept war, die Maschinen kommen nämlich von Kieser. Seit ich dort bin, habe ich fast keinerlei Beschwerden mehr. Das Problem ist also gar kein Verschleiß gewesen, es war einfach Fehlhaltung wegen Muskelmangel. Und den habe ich inzwischen behoben.

Die 200 EUR für die Akupunktur hätte ich mir aber auch echt sparen können. Da bin ich dann als Unwissender einfach total reingefallen und habe mich abzocken lassen. Es ergibt allerdings Sinn, wenn man sich die Finanzierung einer solchen Praxis anschaut. Über die Kasse bekommt er nur relativ wenig Geld für die eigentliche Behandlung. Für das Setzen von ein paar Nadeln kann er aber 20 EUR privat abrechnen. Das lohnt sich richtig, die Praxis ist die reinste Akupunktur-Fabrik.

Wieder Schmerzen im Knie

Ich hatte während Corona angefangen zu Joggen, irgendwie wollte ich mich bewegen. Und ein bisschen Ausdauersport für mehr Lungenfunktion erschienen mir eine gute Sache bei einer umgehenden Lungenkrankheit. Aber dann kamen diese Schmerzen im Knie wieder.

Ich bin also wieder zu dem Orthopäden. Er machte erstmal ein Röntgenbild. Und da fängt das Problem eigentlich schon an. Es gibt Studien, bei denen haben sie Orthopäden einfach Röntenbilder von gesunden und kranken Leuten gegeben. Und die mussten dann diagnostizieren, was die Leute haben. Die Trefferquote war sehr gering, von Zufall nicht statistisch signifikant zu unterscheiden. Orthopäden nutzen also unbewusst aber nachweisbar die Röntenbilder um post-hoc Hypothesen aufzustellen, was das Problem sein könnte. Das ist auch viel bequemer als sich wirklich mit dem Patienten zu beschäftigen.

Er diagnostizierte abenteuerliche Dinge aus dem Bild. Ich hätte eine Asymmetrie, die zur erhöhten Belastung und Verschleiß führt. Mit Anfang 30 und ein paar Joggingrunden sei daher mein Knie leider schon verschlissen. Er demonstrierte mir das noch, indem er meine Kniescheibe nahm und ein bisschen bewegte. Das fühlte sich sehr unangenehm an. Und weil es nicht ganz glatt glitt, sei der Knorpel da schon aufgerieben.

Ich wand ein, dass der Schmerz aber unterhalb der Kniescheibe (Finger auf die Kniescheibe, Richtung Fuß bewegen) ist. Er bestand darauf, dass mein Schmerz aber unter der Kniescheibe (Finger auf die Kniescheibe, gedanklich zur Kniekehle gehen bis man unter der Kniescheibe ist). Er belächelte mich dafür, dass ich vorher den Unterschied zwischen unterhalb und unter sei. Als medizinischer Laie könne ich das ja nicht wissen. Und er als Arzt wusste natürlich auch besser, wo mein Schmerz ist. Ich würde das nicht richtig fühlen, auch das sei ganz normal. Es würde nicht da schmerzen, wo es wirklich kaputt ist.

Nachdem ich mich dann zum einen hinreichend krank und hinreichend dumm fühlte, präsentierte er die Lösung: Spritzen zum Knorpelaufbau. Würde auch nur so 400 EUR pro Behandlung kosten, dafür dann aber drei Jahre halten. Ich fragte ihn, ob ich nicht einfach eine andere Sportart als Joggen machen sollte. Joggen soll ja schon belastend für die Knie sein. Nein, er als Sportarzt würde das nie empfehlen. Lieber behandeln und wiederherstellen, und dann weiter Sport machen.

Ich hatte überhaupt keine Lust irgendwas mit meinen Knien machen zu lassen, solange nicht wirklich nötig. Wenn da irgendwas schief geht, dann habe ich wirklich ein großes Problem. Er sah mein Zögern und legte noch im Paternalismus nach: Das seien ja jetzt sehr viele Informationen gewesen, er könnte schon verstehen, dass das überfordern würde. Dabei lehnte er sich wie ein Großkotz in seinem Stuhl zurück. Der Gott im weißen Kittel, mit der Dr. med. am Türschild.

Meine Ehrfurcht vor Leuten mit Doktortitel Doktorgrad hat massiv nachgelassen seit ich das System einmal von innen gesehen habe. Inzwischen finde ich das eher peinlich wenn Leute das zu sehr vor sich herumtragen. Wenn Leute damit aber so arrogant auftreten und dann aber fachlich nicht liefern können, dann geht das in Verachtung über. Ich verstehe ja, dass Medizin komplex ist. Und es da diverse Komplikationen gibt, die man auch alle wissen muss. Aber wenn ich das, dank eines anderen Orthopäden zu dem wir gleich kommen, verstehen und hier im Blog erklären kann, so ist es wohl keineswegs zu viel verlangt das von jedem Orthopäden zu verlangen.

Aufgrund der hohen Kosten der Behandlung, der Nebenwirkungen und der fraglichen Notwendigkeit bin ich dann zu einem weiteren Orthopäden gegangen. Ich hatte gerade beim Kieser-Training angefangen und als Teil des Angebotes ist auch ein Orthopäde, bei dem man kurzfristig einen Termin bekommen kann. Der Herr ist mir sehr sympathisch in seiner pragmatischen unaufgeregten Art. Er scheint in Rente zu sein und nur noch die Leute im Fitnessstudio zu betreuen. Dort muss er nichts verkaufen und kann wirklich den Leuten helfen. Seine Motivation mir zu helfen ist nicht durch windige Abrechnungstricks vernebelt wie in dieser Akupunkturpraxis.

Er schaute mich an und meinte nur trocken, dass ich mit Anfang 30 doch etwas sehr jung für eine Knorpelaufbautherapie sei. Er erklärte mir an einem analogen Schaubild das Knie und wie sehr das eben belastet wird. Er klärte mir auch, dass Sehnen lange für die Erholung brauchen. Wir einigten uns darauf, dass ich lieber in kleinen Gängen und wenig Kraft Radfahren gehe und nicht Jogge. Das sei einfach besser für die Gelenke.

Seitdem habe ich auch keine nennenswerten Probleme mehr. Und falls doch, dann schone ich mich einfach und warte, bis das regeneriert ist. Es ist so einfach.

Fazit

Es sind also nicht alle Orthopäden per se schlecht. Aber wenn man eher als lukrativer Kunde als wirklich als Patient wahrgenommen wird, so wird man nur merkwürdig behandelt. Die eigentlichen Probleme werden nicht gelöst, man bekommt unnötige Behandlungen.

Ich bin jedenfalls froh jetzt einen seriösen Orthopäden zu haben, zu dem ich gehen kann. Und bin bestärkt darin, dass man lieber versucht selbst Körpergefühl aufzubauen als sich ganz ohne zu hinterfragen von guten Verkäufern in weißen Kitteln behandeln lässt.