Tiefbau in Kopenhagen

Durch den Radentscheid Bonn bin ich in einer Arbeitsgruppe Tiefbaustandards mit der Verwaltung der Stadt Bonn. Dort diskutieren wir vor allem die Gestaltung von großen Ampelkreuzungen, die Gestaltung von Einmündungen und privaten Zufahrten. Bezüglich der Einmündungen hatten wir neulich einen Ortstermin in Endenich. An der Einmündung der Max-Bruch-Straße in die Endenicher Allee haben wir das Konzept der niveaugleichen Einmündung diskutiert. Hier ist wichtig die teils konträren Bedürfnisse von blinden Personen und Personen im Rollstuhl abzuwägen.

Vor einer Woche war ich in Kopenhagen (Artikel zur Bahnfahrt) und habe dort einmal mit diesem neuen Blick auf den Tiefbau dort geachtet. Dies ist ein Kontrast zu meiner letzten Reise nach Kopenhagen, bei der ich vor allem auf die Fahrradinfrastruktur geachtet habe.

Hauptstraßen

Die Niederländer haben ein klares Konzept von Hierarchie bei den Straßen, in Kopenhagen konnte ich das gleiche erkennen. So gibt es große Hauptstraßen, bei denen es immer einen separat geführten Radweg gibt. Hier ist die Geschwindigkeit für den Kraftverkehr über 30 km/h. Durch die Trennung ist das kein Problem. Die Parkplätze sind zwischen Radweg und Fahrspuren angeordnet, sodass hier auch kein Kreuzen passiert. Die Personen müssen in den Autoverkehr aussteigen, Dooring ist hier nur durch Beifahrer*innen ein Problem. Die Radwege sind aber breit genug, sodass man nicht immer in der Dooring-Zone fahren muss.

Getrennte Radwege sind auf der Geraden einfach zu machen. Interessant wird es an den Kreuzungen. Und das hat man in Deutschland bisher nicht hinbekommen und ist daher von getrennten Radwegen weg. In den Niederlanden haben sie die Kreuzungen gemeistert, von daher ist das alles kein Problem. In Kopenhagen sind die Kreuzungen okay. Hier wird der Radweg zu einem kombinierten Fahrstreifen, mit dem der Kraftverkehr nach rechts abbiegen kann.

Dieses Mischen klingt erstmal ziemlich gefährlich, erscheint mir aber ein durchaus akzeptabler Kompromiss zu sein. Möchte man mit dem Auto rechts abbiegen, so muss man langsamer werden, man muss sich dann eben in den Radverkehr einfädeln. Dazu hat man ein längeres Stück Platz und somit auch Zeit. Die Geschwindigkeit muss vorher angepasst werden. Sobald sich Rad- und Autoverkehr hintereinander sortiert haben, gibt es keine Probleme mehr beim eigentlichen Abbiegen, weil die Radfahrenden klar vor oder hinter dem Auto sind. Das ganze funktioniert aber auch nur deshalb, weil es in Kopenhagen viele Radfahrenden gibt, und diese vom Autoverkehr auch respektiert werden.

Nach der Kreuzung geht es dann getrennt weiter:

Das ganze hat den Vorteil, das man bestehende Fahrstreifen zum Abbiegen direkt weiternutzen kann, man braucht keinen zusätzlichen Platz. Und so kann man dann Hauptstraßen mit zwei oder drei Fahrstreifen für den MIV auf einen Fahrstreifen MIV und getrennten Radweg umbauen. An den Kreuzungen braucht man keinen zusätzlichen Platz, ein Hauptargument gegen die Schutzkreuzungen nach niederländischem Vorbild.

Einmündungen mit Radweg

Bei Einmündungen von untergeordneten Straßen in Hauptstraßen möchte man den Fuß- und Radverkehr entlang der Hauptstraße möglichst bevorrechtigen. In Deutschland gibt es dann meist einfach nur abgesenkte Bordsteine, der Fußverkehr ist allen anderen gegenüber wartepflichtig. An der Endenicher Allee hat man eine Aufpflasterung ausgeführt, durch die verbleibende Bordsteinkante ist der Fußverkehr trotzdem weiterhin wartepflichtig.

Ein Beispiel aus Kopenhagen ist diese Einmündung, die in eine Straße mit Radweg führt. Dort ist der Radweg fast niveaugleich geführt, ohne irgendwelche Kanten.

Der Gehweg ist zwar niveaugleich geführt, jedoch mit Kopfpflastersteinen. Die unebene Oberfläche soll wohl Aufmerksamkeit beim querenden Kraftverkehr erzeugen.

Ich bin davon ehrlich gesagt schockiert, weil das für Personen mit Rollstuhl, Rollator und Kinderwagen wirklich nicht angenehm zu fahren ist. Hier sind immerhin noch ein paar Gehwegplatten, aber das ist nicht immer so.

Von der anderen Seite kann man sehen, dass die Entwässerung etwas in die untergeordnete Straße verschoben worden ist. Auch verschwindet der Bordstein nicht, die Fahrbahn kommt hier etwas hoch um auf den Gehweg zu treffen.

Aus Sicht der Einmündung auf die Hauptstraße hat man hier recht klar das Gefühl von einer untergeordneten Straße zu kommen. Das ist eindeutig, und so muss das sein.

An anderen Stellen ist das nicht so ausgeführt, da ist es niveaugleich, jedoch ist der Gehweg optisch unterbrochen. Das wirkt nicht mehr so bevorrechtigt, wie im vorherigen Beispiel.

Einmündungen ohne Radweg

In der untergeordneten Straße selbst gibt es keine Radwege mehr. Dort ist die Geschwindigkeit auf 30 km/h gesenkt, und damit ist Mischverkehr möglich. Hier sind die weiteren Einmündungen dann ohne Radweg ausgeführt. Die Gehwege in den Wohngebieten bestehen aus sehr mageren Platten, links und rechts daneben ist nur Dreck. Die Einmündungen sind dann teils komplett in Kopfsteinpflaster ausgeführt. Das ist mit Rollstuhl, Kinderwagen und Rollator ziemlich nervig. Dazu scheint es auch ein Quergefälle zu geben, und durch die asphaltierte Rampe gibt es keinen Grund für den Autoverkehr, wirklich langsamer zu werden.

Gehwege in Wohngebieten

Die Gehwege in Wohngebieten sind teilweise wirklich in extrem schlechten Zustand. Da hat man eine Reihe von großen Platten, daneben einfach Dreck.

An den Kreuzungen sind die Bordsteine nicht abgesenkt. Dort kann man also mit Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator nicht sinnvoll passieren.

Die betroffenen Personen scheinen sich dann dadurch zu helfen, dass sie auf der Fahrbahn fahren. Weil in den Wohngebieten eher langsam gefahren wird, scheint das okay zu sein.

Je nach Ortsteil ist dann auch die Fahrbahn richtig marode. Das scheint wohl ein eher älteres Viertel zu sein.

Manche Straßen sind auch neuer, da sind die Gehwege besser in Schuss. Hier ist auch Gehwegparken erlaubt, es bleibt aber genug Platz auf dem Gehweg.

Private Zufahrten

Die privaten Zufahrten sind teilweise mit einer eher steilen Rampe ausgeführt, sodass es kein Quergefälle auf dem Gehweg gibt. Das ist angenehm für Personen im Rollstuhl, weil sie dann nicht zur Seite abgelenkt werden.

Blindenleitsysteme

Auch sehr schlecht ausgebaut sind die Blindenleitsysteme. Das sind diese Streifen und Noppen, mit denen blinde Personen über Kreuzungen geleitet werden sollen. Man findet sie in Kopenhagen fast nicht. Ich habe in Frederiksberg ein paar gefunden, die waren aber in einem miserablen Zustand. Dazu waren sie, wie alles in Kopenhagen, in grau ausgeführt. Somit sind sie auch nicht für Personen zu erkennen, die nur seheingeschränkt, aber nicht vollblind sind. Man muss auf dem folgenden Foto schon sehr genau hinschauen, damit man links die Noppen und rechts die Streifen sieht.

An sich soll das hier eine geteilte Kante sein. Einmal mit Nullabsenkung für Rollstuhl, und einmal mit Tastkante für den Langstock. Aber überzeugend ist das nicht. Ich möchte in Kopenhagen nicht blind sein, das stelle ich mir sehr unangenehm vor.

Fazit

Bezüglich niveaugleicher Einmündungen ist Kopenhagen Bonn deutlich voraus. Im Detail könnte die Umsetzung noch etwas besser sein, mit glatteren Oberflächen im Bereich des Gehwegs und Kopfsteinpflaster nur dort, wo der Kraftverkehr fährt. Bei den Radwegen ist Kopenhagen auch Jahrzehnte weiter.

Bei der Zugänglichkeit für blinde Personen und Personen im Rollstuhl sind aber eklatante Mängel offensichtlich; und das für eine interessierte aber unbetroffene Person wie mich. Hier ist Bonn generell deutlich weiter, scheint mir. Wahrscheinlich liegt das daran, dass in Kopenhagen die Radverkehrsinfrastruktur aufgebaut wurde, bevor die Bedürfnisse von behinderten Personen in den Planungen entsprechend berücksichtigt wurden.