»Science Fiction« und »Space Fantasy«

Viele Bücher, Filme, Computerspiele und Serien, die sich als »Science Fiction« beschreiben sind eigentlich »Space Fantasy«. Ein paar Beispiele und Hintergründe.

Meist lese ich Sachbücher, aber dann doch immer wieder mal ein paar Romane dazwischen. Ich lese oder schaue ganz gerne Science Fiction, allerdings muss es für mich eine gewisse Verankerung mit der realen Wissenschaft haben. Wenn es zu willkürlich ist, dann ist es nur noch Fantasy, hat aber mit Wissenschaft nichts zu tun.

The Expanse

Nehmen wir »The Expanse«, da habe ich die Serie geschaut. Es ist aktuell meine bestes Beispiel für gutes Science Fiction. Die Serie spielt in der nahen Zukunft, die Menschheit hat angefangen das Sonnensystem mit Raumschiffen zu erkunden. Der Mars ist bevölkert, und eine dritte Fraktion kümmert sich um Bergbau im Asteroidengürtel. Die Fraktionen von Erde, Mars und Gürtel sind in einer kalten Krieg, das ganze hat viel Drama.

Die Raumschiffe verfügen über ein effizientes Fusionstriebwerk. Das ist etwas, das wir aktuell nicht haben, aber nach der mir bekannten Physik ist das nicht unmöglich. Die Schiffe werden dann konstant beschleunigt, mit ungefähr Erdbeschleunigung. Weil die Schiffe wie Hochhäuser aufgebaut sind, hat man dadurch künstliche Schwerkraft, die aber mit der Physik komplett vereinbar ist. So etwas gefällt mir sehr gut, weil sich da jemand wirklich Gedanken gemacht hat, und nicht nur einfach »künstliche Schwerkraft« aktiviert hat.

Die Waffen der Schiffe sind auch überaus glaubhaft. Einerseits haben sie Raketen mit Kernwaffen, die haben wir heute ja auch schon. Dann haben sie Railguns, von denen wir auch schon länger Prototypen haben. Die Punktverteidigung nach Art der Phalanx CIWS haben wir auch schon längst. Es gibt keine magischen Tarnfelder, keine ausgedachten Schutzschilde. Die Tarnung, die es in der Serie gibt, ist einfach nur radarabsorbierende Nanooberfläche, das ist mit Vantablack vom Prinzip her auch schon längst Realität.

Die Schlachten nutzen wirklich den dreidimensionalen Raum aus, haben unterschiedliche beschleunigte Bezugssysteme. Die Relativitätstheorie kommt nur insofern zum Tragen, als dass die Signallaufzeiten realistisch sind und zusätzliche Spannung in der Handlung erzeugen.

Daher ist das fantasievoll hinzugefügte »Protomolekül« auch gut zu akzeptieren. Da kam durch einen Asterioden ein merkwürdiges Molekül in unser System. Es hat sich dann selbst repliziert und immer mehr Fähigkeiten gesammelt. Es ist nicht direkt wissenschaftlich erklärt. Es öffnet am Ende Tore zu anderen Sonnensystemen, das ist dann wirklich Fiktion. Diese Fiktion ist aber eingebettet in ein glaubhaftes Universum, wodurch ich die Fiktion gut akzeptieren kann.

Stargate

Ein anderes Universum, in dem die Wissenschaft nicht zu sehr vernachlässigt worden ist, ist »Stargate«. Die Menschheit findet große Metallringe, die sich mit viel Energie aktivieren lassen und ein stabiles Wurmloch zu einem anderen dieser Tore öffnen können. Die US Luftwaffe hat ein Spezialteam gebildet, das mit diesem Tor die anderen Welten erkundet.

Die anderen Welten sehen immer irgendwie so aus, wie die Erde auch. Am Anfang erscheint das ein bisschen einfallslos. Allerdings ist es schlüssig. Schließlich haben die »Antiker« die Tore auf Planeten plaziert, auf denen sie selbst leben können. Und somit passt der Teil mit der Atemluft. Dass alle Englisch sprechen ist aber etwas merkwürdig.

Wurmlöcher sind an sich möglich, man braucht nur unglaublich viel Energie. Das wird dadurch gelöst, dass es das »Zero-Point-Modul« (ZPM) gibt, eine Art Universum in der Flasche. Aus diesem wird die Vakuumenergie oder Nullpunksenergie rausgesogen, bis das enthaltene Universum maximale Entropie hat. Das ist ziemlich dubios. In der Physik kann man nur Energiedifferenzen messen. Dass es in der Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie einige Theorien gibt, die dem Vakuum eine gewisse Energie zuschreiben, heißt aber nicht, dass man diese herausziehen kann. Es ist einfach eine Verschiebung des Nullpunktes, mehr nicht. Immerhin ist das allerdings etwas, was schon sehr spezifisch in die Quantenphysik geht und alleine das gefällt mir dann schon.

Das Stargate selbst ist aus Naquadah, einem superschweren Metall. An sich kennen wir sehr schwere Atome, allerdings können sie nur kurz im Teilchenbeschleuniger erzeugt werden und zerfallen schnell. Es gibt die hypothetische »Insel der Stabilität«, bei der irgendwann die Kerne wieder stabil werden. Das Naquadah soll von dieser Insel kommen. Daher ist es total in Ordnung, dass das Metall einfach stabil existiert, aber von Menschen nicht erzeugt werden kann. Und natürlich hat es besondere Eigenschaften. Hier haben die Autoren eine Lücke in der aktuellen Physik gefunden und sie kreativ gefüllt. Das gefällt mir auch. Irgendwann kann die Physik das vieleicht widerlegen, aber eben nicht heute.

Später bauen sie die Raumschiffe Prometheus und Daedalus. Diese haben von den Asgard einfach künstliche Schwerkraft und Überlichtantrieb bekommen. Das funktioniert dann einfach über »Subraum«. An sich ist es durchaus möglich, dass unsere Raumzeit in einen höherdimensionalen Raum eingebettet ist und man sich durch diesen Raum bewegen kann. So würden Distanzen deutlich kleiner werden. Allerdings ist das mehr Wunschdenken und ermöglicht die Handlung einfacher zu machen, als wirklich raffiniertes Finden von Lücken in der Wissenschaft und deren Ausschmückung.

Forever War

Im Buch Forever War1 geht es um eine Zukunft, in der man »Kollapsare« gefunden hat, das klang ein bisschen wie Neutronensterne. Man hat das Slingshot-Manöver damit genutzt, sodass man ein Raumschiff auf sehr große Geschwindigkeiten beschleunigen kann. Das ist an sich gar nicht so weit hergeholt.

Damit die Besatzung die Beschleunigung überleben kann, werden sie in Stase versetzt und dann in Wassertanks gepackt. Da das Wasser die gleiche Dichte hat, wie der Körper, sollen so hohe Beschleunigungskräfte aushaltbar werden. So richtig stimmig ist das noch nicht, man muss nämlich noch irgendwie atmen. Aber das ist schon okay.

Das wirklich spannende an diesem Universum ist die Integration der Zeitdilatation in die Geschichte. Die mit hoher Geschwindigkeit reisende Besatzung des Schiffes altert nämlich langsamer als die, die auf der Erde zurückbleiben. Und die Gegner reisen auch, altern aufgrund ihrer Trajektorien anders. So kann es dann sein, dass die zwei Kontrahenten in einer Schlacht in ziemlich anderen Jahrhunderten aufeinandertreffen. Dadurch sind manchmal die einen total überlegen, manchmal die anderen.

Man kann hier etwas über Relativistik lernen, das ist eine echt toll gemachte Geschichte.

Mass Effect

Über die Physik in Mass Effect hatte ich schon einmal geschrieben. Letztlich erscheint der grundlegende »Masseneffekt« ziemlich absurd zu sein. Es gibt ein »Element Zero«, dass durch die Anregung mit elektrischen Feldern Massen so verändern kann, dass deren Masse negativ wird. Das ist schon total bekloppt, negative Massen ergeben erstmal keinen Sinn. Setzt man in eine Newtonsche Formel wie F = m a eine negative Masse ein, so würde sich ein Objekt rückwärts bewegen, wenn ich es anschiebe. In der allgemeinen Relativitätstheorie ist mir auch nicht klar, was negative Masse sein soll.

Jedenfalls wird dann behauptet, dass man dadurch dann zur Überlichtgeschwindigkeit kommen kann. Man könnte das so interpretieren, dass der Masseneffekt Dinge in Tachyonen umwandelt. Diese haben eine imaginäre Masse, das Quadrat der Masse ist dann negativ. Vielleicht haben sie das so gemeint.

Das Raumschiff Normandy hat einfach künstliche Schwerkraft, die halt da ist. Die Citadel Raumstation hingegen dreht sich, um Schwerkraft zu erzeugen. Die Waffen haben irgendwelche Wissenschaftsbeschreibungen, die halt cool klingen sollen. Aber es wirkt auf mich eher so, als hätte da jemand aus der Schule Begriffe aus einem Buch genommen, das er nicht versteht, weil sie so cool klingen.

Die Geschichte im Universum ist allerdings wirklich toll. Bis auf das Ende vom dritten Spiel, das ist ziemlich enttäuschend.

Enceladus

Die Eismond-Reihe, mit Enceladus2 als ersten Teil ist wirklich interessant zu lesen. Es gehört zu Kartegorie Hard Science Fiction, soll also sehr wissenschaftlich sein. Und das ist es auch. Die Protagonisten sind mit einem Ionenantrieb unterwegs, das wir in der Form schon haben. Es dauert alles ziemlich lange, daher verbringen sie viel Zeit im Raumschiff. Das Raumschiff wurde im Mondorbit gebaut, meine ich. Das ist auch realistisch.

Auf dem Saturnmond Enceladus finden sie ein intelligentes Wesen, das aus elektrisch leitendem Wassereis besteht. Das erscheint auch möglich, also in dem Sinne als das dieses Eis als Nervenzellen bestehen kann. Das Wesen ist extrem intelligent und besitzt enorme Fähigkeiten. Es ist ein bisschen wie ein großes Pilzgeflecht, das den ganzen Planeten einnimmt. Das kann man physikalisch nicht ausschließen, und das macht es interessant.

Star Wars

Star Wars spricht mich einfach nicht an. Es fängt mit der merkwürdigen Reihenfolge der Filme an, und geht dann mit diesem überzeichneten Imperium weiter. Die Lichtschwerter ergeben überhaupt keinen Sinn. Wenn es Licht ist, was da schneidet, dann sollte das nicht mal so eben in einer Säule zu bündeln sein. Licht lässt sich mit elektrischen Feldern nicht direkt manipulieren.

Es gibt eine quantenfeldtheoretische Wechselwirkung von Licht mit Licht, dazu habe ich eine nette Bachelorarbeit gefunden. Die Größe dieser Effekte ist allerdings so klein, dass sie nicht für den Betrieb eines Lichtschwertes taugen würde.

Genauso absurd sind die Lichtwaffen, die einen kurzen Lichtimpuls abfeuern. Das ist doch bekloppt, so würde eine Laserwaffe nie aussehen.

Wäre das ganze Plasma, so wäre alles okay. Plasma kann man mit elektrischen Feldern manipulieren, es leuchtet, man kann damit Dinge schneiden. Wären es also Plasmaschwerter, wäre das gut.

Naja, und dann die Macht. Das ist halt wirklich Space Magic. Und Star Wars ist eine Space Opera, nur halt kein Science Fiction. Da sie aber immer wieder irgendwelche Wissenschaftswörter nutzen, will es wohl doch Science Fiction sein. Und das stört mich dann.

Per Anhalter durch die Galaxis

Die fünfteilige Reihe Anhalter durch die Galaxis3 will gar kein Science Fiction sein. Das ist dann auch wieder okay. Das ist einfach ein lustig geschriebenes Buch voller Absurditäten. Damit kann ich umgehen.

Three-Body Problem

Die Reihe Drei Sonnen4 will Science Fiction sein, ist aber auch nicht so ganz überzeugend. Das Dreikörperproblem und seine mangelnde Integrabilität ist schon durchaus korrekt. Auch, dass es ein chaotisches System ist. Das macht das Buch erstmal wissenschaftlich spannend. Auch dass die Signallaufzeit lange dauert und eben, dass die Feinde dann lange brauchen, bis sie mit ihren Raumschiffen vor Ort sind.

Im Mittelteil passieren mystische Dinge, zum Beispiel flackert plötzlich die kosmische Hintergrundstrahlung. Das ist schon wirklich etwas, was nicht passieren sollte.

Aufgelöst wird es dann am Ende dadurch, dass die Feinde von Trisolaris die Wissenschaft auf der Erde unterwandern wollten. Die haben dazu eine autonome KI gebaut, die in ein Proton geklebt worden ist. Die Trisolaris-Zivilisation hat die zusätzlichen Raumdimensionen entdeckt. Das ist etwas, was zum Beispiel die Stringtheorie auch hat. Im Buch wird dieses Proton dann aufgefaltet, die versteckten Dimensionen in unsere drei Dimensionen gebracht. Dadurch wurde das eine Proton zu einer Fläche, mit der man einen ganzen Planeten umhüllen kann. Das klingt schon einmal etwas merkwürdig.

Noch merkwürdiger ist aber, dass sie dann einen Computer auf diese riesige Fläche aufgebracht haben. Woher dieser seine Energie bekommen hat, wurde nicht geklärt. Aber man hat das Proton dann wieder eingefaltet und es hatte die gleiche Masse wie vorher auch. Dann hat man es mit einem Teilchenbeschleuniger zur Erde geschickt. Anscheinend hat es auch einen eigenen Antrieb, kann sich auf der Erde beliebig fortbewegen und ist auch nicht durch chemische Reaktionen irgendwie gebunden. Es ist eine Übermacht in einem Elementarteilchen.

Ich fand es am Ende nur noch absurd, es war einfach Space Magic. Daher habe ich auch keine Lust auf die Fortsetzungen der Reihe.

Fazit

Universen, in denen die Wissenschaft glaubhaft enthalten ist, wecken in mir die Fantasie, wohin sich die Wissenschaft entwickeln könnte. Space Magic finde ich eher mühsam, weil es zwar wissenschaftliche Begriffe nutzt, aber aus dem Zusammenhang reißt und entstellt. Es ist ein bisschen so wie Hurz, das für musisch sehr unbedarfte Menschen vielleicht wie Kunst aussieht, aber damit nichts zu tun hat. Oder das Krawehl von Loriot, was mir auch keine wirkliche Lyrik zu schein scheint.

Mir ist es deutlich lieber, wenn man es macht wie bei Star Trek: Dort nehmen sie es mit der Technik nicht so ernst, und scheinen sich selbst ein bisschen über sich lustig zu machen, wie sie Wissenschaftswörter durchmischen. Dafür ist die Erzählung aber interesant und die Charaktere zeigen auch viel Menschlichkeit in ihren Entwicklungen. Die Episoden haben eine Moral und sind für ihre Zeit auch erstaunlich progressiv, also zumindest bei Next Generation und Enterprise.


  1. Haldeman, J. The Forever War. (St. Martin’s Press, 1974). 

  2. Morris, B. Q. Enceladus. (2017). 

  3. Adams, D. Per Anhalter durch die Galaxis. 

  4. Liu, C. The Three-Body Problem. (2008).