Motorradlärm – Meine Musik, dein Lärm

Das Hochdrehen von Verbrennungsmotoren hat irgendwie etwas. Aber nur, wenn man es selbst macht.

Ich bin ja in Deutschland aufgewachsen und habe entsprechend auch die Autokultur mitgenommen. Schon als fünfjähriger spielte ich am Computer das Spiel Stunts, ein Autorennspiel bei dem man sich die Strecken selbst bauen kann; ungefähr die Idee wie bei Track Mania. Danach machte ich mit Need for Speed weiter: 2, 3, Underground, Underground 2, Most Wanted. Ich war irgendwann erstaunlich gut darin im virtuellen fließenden Verkehr Autorennen zu fahren.

Mit 17 habe ich dann den Führerschein gemacht und am Begleiteten Fahren teilgenommen, ab 18 bin ich dann selbst mit dem Auto gefahren. Dabei war ich schon vernünftig, aber auf der Autobahn schnell fahren oder zügig unterwegs zu sein, das gefiel mir.

Ein halbes Jahr nach meinem 18. Geburtstag habe ich dann noch den Motorradführerschein gemacht. Bei mir in der Familie haben fast alle einen und so habe ich den auch gemacht. Motorräder sind auch bezahlbarer als Autos, sodass ich da dann auch ein eigenes haben konnte.

Die ersten zwei Jahre durfte ich nur mit 25 kW fahren, also hatte das Motorrad da eine Drossel drin. Das war aber gar nicht so schlimm, es hat sehr viel Spaß gemacht.

Das tolle beim Motorrad ist die Kombination aus relativ viel Leistung und sehr wenig Gewicht. So hatte meine Honda CB 500 ohne die Drossel um 42 kW Leistung, wog aber nur 170 kg leer. Rechnet man das auf ein Auto mit 1400 kg um, müsste das 345 kW haben, um die gleiche Leistung pro Gewicht zu haben. Die durchschnittlichen großen Autos haben aber eher nur so 100 kW, vielleicht 150 kW. Die Beschleunigung beim Motorrad ist einfach enorm.

Die kleinen Motoren können auch absurd hohe Drehzahlen, so fing bei meinem Motorrad der rote Bereich erst bei 10,500 U/min an:

Im ersten Gang kann man 60 km/h fahren, im zweiten Gang bis ungefähr 120 km/h. Die Leistung fand ich damals höllisch viel, und das ist sogar noch ein eher zahmes Motorrad. Schaut man sich die Rennmaschinen an, geht da noch deutlich mehr.

Und so habe ich dann das gemacht, was man mit dem Motorrad am besten macht: Auf kurvigen Landstraßen fahren. In der Eifel gibt es davon wirklich viele, und so bin ich da auch immer wieder gefahren. Immer wieder kommen dann kleine Orte, innerhalb derer man auf 50 km/h verzögern muss. Aber das ist nicht schlimm, schließlich darf man am Ortsausgang dann wieder auf 100 km/h beschleunigen!

Damit die Beschleunigung noch krasser ist, habe ich dann am Ortsausgang schon in den zweiten Gang heruntergeschaltet und dann den Motor bis so ungefähr 8,000 U/min hochgezogen. Das ging richtig ab, und machte ziemlich viel Lärm. Ich fand das damals geil.

Dann schwand die spätjugendliche Rücksichtslosigkeit irgendwann, immer wieder so stark beschleunigen wurde auch langweilig. So wirklich schnell fahren konnte man eh nicht, da waren bei gutem Wetter dann auch immer irgendwelchen anderen Leute auf den Straßen unterwegs. Ich war nie der Typ, der trotz Gegenverkehr überholt, ich blieb einfach brav dahinter und fuhr dann mit so 90 bis 100 km/h die Landstraßen. An den Ortsausgängen konnte ich auch nicht immer beschleunigen, weil die Autos vor mir das eben nicht konnten und die Fahrer*innen entspannter unterwegs waren.

Ich begann mich in die Anwohner*innen in der Eifel reinzufühlen. Mein Elternhaus liegt ganz ruhig, ich hatte nie wirklich ein Problem mit Verkehrslärm. Mit der Zeit verstand ich dann aber, wie nervig das eigentlich ist. Ich fuhr mit schlechtem Gewissen Motorrad, konnte es bald darauf nicht mehr genießen. In einer Dokumentation war mal ein niederländischer Motorradfahrer in der Eifel im Interview, er sagte den vielsagenden Satz:

Für die anderen mag das Lärm sein, für mich ist das Musik!

Motorradlärm ist nicht verboten. Und damit erlaubt. Man kann das machen. Wenn man das nicht erträgt, muss man wohl aus der Eifel wegziehen. Wobei sonst ja immer den Lärmgeplagten geraten wird aufs Land zu ziehen. Kurzum, man kann dem Motorenlärm nicht wirklich entkommen.

Dann wurde mir das Motorradfahren auch sonst eher nervig. Mit schwerer dicker Lederkleidung auf dem Motorrad zu sitzen ist an sich erstmal machbar, man muss sich ja nicht bewegen. Allerdings wärmt die Sonne die schwarze Kleidung schnell auf, der Fahrtwind kann das nur begrenzt kühlen. Ist es allerdings zu kalt, so kühlt man regungslos auf dem Motorrad auch schnell aus. Es gibt nur einen ziemlich schmalen Korridor, bei dem das wirklich angenehm ist.

Mir war das irgendwann dann zu doof. Ich habe das Fahrradfahren (wieder) für mich entdeckt. Das hatte ich gemacht, bevor ich 18 war. Da kann ich mich viel besser an die Temperaturen anpassen, weil ich mich bewege und keine fette Schutzschicht brauche. Es macht so gut wie keine Geräusche, geschweige denn Lärm.

Als wir im Ferienhauspark im Hunsrück waren, waren da auch einige Motorradgruppen. Und die heutigen Motorräder sind nochmal deutlich lauter als mein altes Motorrad aus den Neunzigern. Entweder schrill kreischende Supersportmaschinen oder laut wummernde Einzylinder, gerne im Chopper verbaut. Die Maschinen hat man durch den halben Park gehört. Die Autos sind deutlich leiser dagegen.

Für mich ist das Thema inzwischen ziemlich durch. Da hat einer seine Musik, alle anderen haben den Lärm. Kann man machen, aber ich bin echt kein Fan mehr. Und es tut mir leid für alle, denen ich vor zehn Jahren auf die Nerven gegangen bin.