Fehlinterpretation von Quantenverschränkung in Science Fiction

Quantenphysik ist schon komplex. Vielleicht inspiriert es daher so viel Science Fiction. Allerdings wird da teilweise ein Zeug konstruiert, das mit der aktuell bekannten Physik wenig zu tun hat. Und trotzdem so tut, als wäre es das.

Es gibt ja viele Bücher, die in so einer Fantasiewelt aus Mittelalter und Magie spielen. Das ist auch okay, es ist eine reine Fantasiewelt. Aber wenn das ganze Science Fiction sein soll, die Fiktion aber die bereits bekannte Wissenschaft berührt, lese ich das nicht gerne. Universen wie The Expanse bekommen es ziemlich gut hin in den aktuellen Erkenntnislücken der Physik die Fiktion einzubauen. Stargate ist da auch noch ganz gut.

Bei Mass Effect ist das eher weniger der Fall, das ist teilweise Space Magic. Auch ganz nett, aber eben halt nur so auf dem Level von Star Trek.

Und so findet sich im dritten Buch1 dann diese Passage, in der der Unbekannte erklärt, wie die Indoktrination erklärt:

“Their technology is incredible,” the Illusive Man continued. “Are you familiar with quantum entanglement? No, probably not. It’s a complex field of study.

“Basically, there are particles in the universe that share certain complementary properties. If one has a positive charge, the other has a negative charge. Reverse the charge on one particle, and the other also reverses instantly, even if the particles are thousands of light-years apart.

“Humanity explored the phenomenon throughout the twenty-first century, but the cost of identifying and creating the particles was astronomical. In the end, the field was abandoned as impractical.

“But the Reaper technology we recovered from the Collectors is far more advanced. They’ve combined entangled particles with self-replicating nanotechnology, allowing them to infect, transform, and dominate organic hosts even while they’re trapped in dark space.”

Quantenverschränkung gibt es durchaus. Man kann Paare von Teilchen so erzeugen, dass die Eigenschaften der Partner einzeln unbestimmt, die Summe von Eigenschaften allerdings bekannt sind. Zum Beispiel kann man zwei Photonen so erzeugen, dass das eine links, das andere rechts herum polarisiert ist. Zusammen sind sie neutral polarisiert. Man lässt aber offen, welches welches ist. Trennt man nun die Teilchen ohne das zu messen, so bleibt diese Unbestimmtheit über beliebige Distanzen erhalten. Sobald man eines der Teilchen misst, so geht das andere in den entsprechenden Zustand über, sodass die Gesamtsumme stimmt. Die Unbestimmtheit hört in dem Moment auf, in dem das andere Teilchen gemessen wird.

Das mag erstmal so klingen, als würde man damit etwas beeinflussen oder übertragen können. Das ist nicht der Fall. Wenn man eines der Photonen misst und herausfindet, dass es linksdrehend ist, dann ist das erstmal nur das Ergebnis. Man weiß, dass das andere Teilchen rechtsdrehend sein muss. Man weiß aber nicht, ob das andere Teilchen schon gemessen worden ist. Es kann also sein, dass die Polarisierung vor der Messung noch unbestimmt (nicht nur unbekannt!) war und sich spontan für linksdrehend entschieden hat. Oder aber es wurde das andere Teilchen schon gemessen und es hat sich zufällig für rechtsdrehend entschieden. Ab da ist dann die Polarisierung unseres Teilchens als linksdrehend bestimmt, aber weiter unbekannt. Es ist nicht möglich herauszufinden ob der Zustand noch unbestimmt oder nur unbekannt ist.

Nach der Messung des einen Teilchens ist die Verbindung zwischen den Teilchen auch weg. Man kann also nicht mehr das eine Teilchen umdrehen und erwarten, dass das Partnerteilchen sich magisch herumdreht. Die Quantenverschränkung hört auf, sobald man eines der Teilchen misst.

In dem Text steckt noch mehr Quatsch. Es geht um Ladungen von Teilchen. Man kann aber nicht Ladungen von Teilchen einfach umkehren, sie würden dadurch zu anderen Teilchen. Das klappt also auch nicht. So etwas wie Spinausrichtung oder Polarisierungsrichtung kann man durchaus verändern.

Es ist ebenfalls ausgemachter Quatsch, dass es besondere Teilchen für Verschränkung geben müsste. Oder dass man sie suchen müsste. Man kann einfach Lichtteilchen nehmen, jede Lampe stahlt davon Fantastillionen pro Sekunde aus. Es herrscht gewiss kein Mangel an den Dingern. Was allerdings wirklich schwer ist, das ist die Aufrechterhaltung der Verschränkung über große Distanzen. Das ist das wirkliche Problem. Quantencomputer arbeiten mit der Verschränkung, und der limitierende Faktor dort ist die Stabilität der Verschränkung.

Und die Reaper haben das dann mit Naniten kombiniert. Das ist auch eine schöne fiktionale Technologie, die wir irgendwann wirklich einmal bauen könnten. Diese könnte auch genutzt werden um verschränkte Teilchen stabil von ihrer Umgebung zu isolieren um sie stabil zu halten. Aber selbst wenn man das löst, dann kann man damit noch immer nicht kommunizieren.

Am Ende ist es also eine für nicht-Physiker womöglich wohlklingende Erklärung. Und ich bin da dann doch eher drüber gestolpert und versuche mich dadurch nicht aus der Geschichte holen zu lassen.


  1. Karpyshyn, D. Mass Effect: Retribution. (2010).