Ein Fahrstreifen pro Richtung reicht an der B 9

Die B 9 Adenauerallee ist sanierungsbedürftig und soll demnächst saniert werden. Bei der Gelegenheit wird auch der Raum auf der Fahrbahn neu aufgeteilt werden müssen. Meine Gedanken zu dem Thema.

Aus der Pressemitteilung der Stadt Bonn lässt sich entnehmen, wie es um die Adenauerallee steht. Dort ist die Ableitung von Regenwasser defekt, das Wasser sickert in das Erdreich und führt zu weiteren Unterspülungen. Dadurch sinkt die Fahrbahn ab, es entstehen Unebenheiten und die Schachtabdeckungen sind nicht mehr bündig mit der Asphaltdecke.

An sich ist so eine Sanierung einfach der normale Unterhalt von bestehenden Straßen. Allerdings haben sich seit dem damaligen Ausbau die Regelwerke weiterentwickelt. Und so sind die aktuell ausgeführten Breiten für (Kraft)fahrstreifen und Radstreifen so nicht mehr zulässig. Der aktuelle Radfahrstreifen hat nur eine Breite von 150 cm, inzwischen sind aber 200 cm vorgeschrieben. Und der Platz reicht dann nicht für zwei Fahrstreifen pro Richtung und den Radfahrstreifen.

Gut, mag man sich jetzt denken, dann halt ohne Radfahrstreifen. Für den Radverkehr gibt es mit der Kaiserstraße und dem Rheinufer parallele Straßen, die je nach Ziel auch durchaus fahrbar sind. Allerdings gibt es an der Adenauerallee auch diversen sog. Zielverkehr, zum Beispiel zum Juridicum oder der Uni-Bibliothek. Die ganzen anderen Bürogebäude entlang der Straße müssen ebenfalls mit dem Fahrrad erreichbar sein.

Und somit ist dann ein Radfahrstreifen vorgeschrieben. Zitiert aus der oben verlinkten Pressemitteilung:

Apropos Breite: Da in Spitzenzeiten bis zu 1.600 Kraftfahrzeuge pro Stunde die Adenauerallee in beide Richtungen befahren, muss nach den geltenden Richtlinien mit dem Straßenbau eine sichere Radverkehrsanlage geschaffen werden.

Und somit ist es dann ganz einfach: Es geht einfach nur ein Fahrstreifen für den Kraftverkehr. So sehen das einfach die aktuellen Regelwerke vor, die Stadtverwaltung würde sich angreifbar machen, wenn sie sich nicht an diese halten würde.

Wir vom Radentscheid haben uns aber einmal angeschaut, wie groß eigentlich der Bedarf für einen sicheren Radfahrstreifen ist. Auf der Adenauerallee fährt es sich aktuell nicht sonderlich angenehm, man wird knapp überholt. Das ist gefühlte Unsicherheit. Die muss man auch ernst nehmen, schließlich hält auch gefühlte Unsicherheit Personen davon ab das Fahrrad zu nehmen.

Das ganze wollten wir aber versuchen zu quantifizieren. Und so sind wir zu dritt los und haben mit Open Bike Sensor und Videokamera ein paar Fahrten entlang der Adenauerallee absolviert.

Der Open Bike Sensor wird an der Sattelstange montiert und misst den Abstand zu den vorbeifahrenden Autos.

Am Lenker kann man die Messung auslösen und das letzte Messergebnis sehen.

Wir sind dreimal die Adenauerallee rauf und runter gefahren, um von beiden Richtungen ein gutes Bild zu bekommen.

Bei jeder der Teilstrecken ist mindestens ein deutlich zu enges Überholmanöver vorgekommen. Da haben die Personen im Auto dann den erforderlichen Abstand von 1,5 m nicht eingehalten und sind einfach in ihrem Fahrstreifen geblieben. Im folgenden Bild ist ein Beispiel gezeigt. Der rote Balken zeigt ungefähr 1,5 m Überholabstand, die vom Lenkerende her zu messen sind.

Wenn die Person im Auto eher links im Fahrstreifen fährt, ist der Abstand nicht extrem unterschritten. Allerdings hatten wir auch Fälle, in denen das anders war. Da war viel zu wenig Abstand übrig.

Auch wenn in jeder dieser konkreten Situationen nichts passiert ist, fühlen diese sich sehr unangenehm an. Wer fährt hier gerne? Wer würde hier sein Kind (ab 8 Jahren) fahren lassen?

Es braucht eine breite Fahrradinfrastruktur, am besten mit baulicher Trennung, um derart knappe Überholmanöver unmöglich zu machen und somit den Radverkehr sicherer zu machen.

Überraschend wenig Autoverkehr

Wir haben die Aufnahmen an einem Montag ab 17:00 Uhr gemacht. Wir wollten möglichst zur Hauptverkehrszeit fahren, um möglichst viele brenzlige Situationen einfangen zu können. Das ist uns aber gar nicht gelungen, weil relativ wenig Autoverkehr war, trotz Hauptverkehrszeit.

Meist war so wenig Autoverkehr, dass dieser auch auf einen Fahrstreifen gepasst hätte. Daher waren viele Überholvorgänge auch mit hinreichendem Abstand möglich:

Andere sind wiederrum in der Mitte gefahren:

Wir haben also zur Hauptverkehrszeit genug Platz auf dem linken Fahrstreifen, sodass der rechte Fahrstreifen zugunsten von Radinfrastruktur entfallen könnte.

Mediale Aufregung

Angesichts der guten Gründe für eine zeitgemäße Fahrradinfrastruktur und die eher niedrige Auslastung durch Autoverkehr verstehen wir nicht ganz die mediale Aufregung zu dem Thema. So steht im General-Anzeiger eine Wortmeldung von Oppositionsführer der CDU, dass die Stadtverwaltung hier an den Bedürfnissen der Stadt vorbei planen würde. Nun, die Verwaltung muss sich schließlich an die Richtlinien halten. Davon steht aber nichts im Artikel, was ich unseriös finde.

Und wenn auf der Adenauerallee Stau ist, dann helfen mehr Fahrstreifen auch nur begrenzt. Häufig entsteht Stau auf einer Straße, weil bei einer anderen Straße die Kapazität ausgeschöpft ist. Somit steht man dann in einer oder zwei Reihen nebeneinander im Stau. Schneller ans Ziel kommt man dadurch nicht.

Das Radio Bonn-Rhein-Sieg schreibt sogar:

Fahrräder sollen auf den Straßen in Bonn noch mehr Platz bekommen.

Das klingt so, als wäre der Großteil der Verkehrsfläche schon für den Radverkehr reserviert und sollte jetzt noch größer werden. Das ist schlicht falsch. Wenn man sich einmal umschaut, dann haben wir nur sehr wenige echte Radwege in Bonn. Und die sind immer schmaler als die Fahrstreifen auf der Fahrbahn. Somit sind wir noch lange nicht an einem Punkt, an dem »noch mehr« eine angemessene Formulierung wäre.

Kosten

Interessant ist auch, wie man sich an den Kosten abarbeitet. Laut Pressemitteilung der Stadt wird für die Fahrbahn und Markierung angegeben:

Im Rahmen der Maßnahme fallen insgesamt geschätzte Kosten von ca. 3,65 Millionen Euro an. Hiervon entfallen circa zwei Millionen Euro auf die Deckensanierung, rund 300.000,00 Euro auf die Anpassungen der Lichtsignalanlagen und etwa 1,35 Millionen Euro auf Markierung, Beschilderung, punktuelle Rotmarkierung und die Protected Bike Lane.

Die Markierung muss so oder so gemacht werden. Die Kosten werden nicht grundlegend anders sein, wenn man einen oder zwei Fahrstreifen markiert. Aber das ist dem schon häufiger autofreundlich auftretendem Stadtdechanten nicht zu doof die 1,35 Millionen EUR nur dem Radverkehr anzulasten. In dem Artikel wird so getan, als wären die Radfahrstreifen hier der Kostenpunkt. Und das ist schlicht unseriös. Es geht nur um eine gestrichelte Linie mehr. Dafür entfällt die gestrichelte Linie zwischen den Kraftfahrstreifen. Das klingt für uns so, als wäre das netto ungefähr gleich.

Fazit

Die Debatte wirkt unnötig emotional und häufig unseriös geführt. Die Radfahrstreifen sind nur Farbe und schon das Minimum von dem, was man bauen könnte. Man könnte auch baulich getrennte Radwege bauen, davon ist aber gar keine Rede.

Und auch wenn es alternative Routen gibt, so gibt es trotzdem Zielverkehr an der B 9. Sollte man dann auf der Fahrbahn ohne Fahrradinfrastruktur fahren und den Autoverkehr aufhalten? Oder irgendwie auf den Gehwegen die Fußgänger*innen bedrängen? Das kann auch niemand wollen.

Auf der Adenauerallee ist weniger Verkehr als auf der Oxfordstraße. Und auch dort klappt es irgendwie mit dem Umweltfahrstreifen. Von daher wird das auch auf der Adenauerallee funktionieren. Aufgrund der Richtlinien für die Planung von Verkehrsanlagen gibt nur eine Möglichkeit ohne Radfahrstreifen: Die Adenauerallee gar nicht sanieren. Aber auch das wird nicht ewig gehen, die Unterspülungen werden wohl eher nur zunehmen.

Dieser Artikel ist bereits als Gastbeitrag auf dem Blog des Radentscheids erschienen.