Die Macht der Verwaltung

Als Auftragsverwaltung hat die Verwaltung keine eigene politische Agenda oder Macht. Eigentlich.

»Die Stadt« besteht einmal aus der Stadtverwaltung als Kommunalverwaltung. Dann gibt es noch den Stadtrat in dem die gewählten Vertreter*innen der Kommunalpolitik sitzen. Die Bügermeister*innen sind direkt gewählt und stehen der Verwaltung vor.

Die Verwaltung sieht sich als Auftragsverwaltung. Sie wird durch Beschlüsse der Politik beauftragt Dinge zu erarbeiten und umzusetzen. Die Bügermeister*innen können ihre Verwaltung steuern. Somit bestimmen einzig gewählte Vertreter*innen, was in der Stadt passiert.

Das ist in der Theorie soweit richtig. In der Praxis hat das ganze aber eine gewisse Eigendynamik, die mehrere Ursachen hat.

Sachverstand

Die Ratsmitglieder auf kommunaler Ebene sind ehrenamtlich dabei, sie bekommen im Gegensatz zu Mitgliedern der Landtäge oder des Bundestages keine Bezüge. Sie machen das in ihrer Freizeit, entsprechend finden die Sitzungen auch abends statt. Das sind also im Prinzip Leute wie ich, die sich in ihrer Freizeit mit einem Thema beschäftigen und sich engagieren.

Mit der Zeit konnte ich mir ein gewisses Wissen bezüglich Verkehrsplanung und Straßenverkehrsrecht aneignen. Ich kenne einige Stellen aus den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung und einige Ausschnitte von gängigen Richtlinien. Mir fehlt aber ganz klar der tiefe Sachverstand von jemanden aus dem Stadtplanungsamt oder dem Tiefbauamt. Die haben eine entsprechende Ausbildung zu dem Thema und viele Jahre Berufserfahrung damit.

Diese Asymmetrie gibt es allerdings genauso zwischen den Leuten in der Verwaltung und denen in der Politik. Einfach aufgrund von Zeit müssen die Politiker*innen sich auf einzelne Themen spezialisieren und den Rest ihren Kolleg*innen in der Fraktion anvertrauen. Anders wäre das zeitlich aufgrund der ganzen Anliegen im kompletten Stadtgebiet nicht zu machen.

Die Politik wird also keine detaillierten Planungen erstellen und die Verwaltung beauftragen diese exakt so umzusetzen. Vielmehr wird die Politik nur einen eher vagen Auftrag an die Verwaltung geben. Diese plant dann einige Varianten und gibt diese der Politik zur Auswahl. Die Verwaltung muss bei der Ausarbeitung diverse Entscheidungen treffen, zum Beispiel bei der Auslegung der Breiten für Gehwege, Radwege und Fahrstreifen. Sie weiß wo Leitungen liegen oder andere Randbedingungen einzuhalten sind.

Die Politik bekommt dann mehrere Varianten vorgelegt und soll sich für eine davon entscheiden. Es kann auch eine Variante mit Änderungen beschlossen werden, die Verwaltung muss diese dann noch einarbeiten. Allerdings lenkt die Verwaltung durch die Auswahl der Planungen schon ein bisschen diesen Prozess. Der Politik steht es natürlich frei die Vorschläge alle zu verwerfen und etwas ganz eigenes zu erarbeiten. Allerdings erfordert das deutlich mehr Arbeit und häufig kann diese von der Politik schlicht nicht geleistet werden.

Die Verwaltung muss dies nicht bösartig ausnutzen. Sie kann versuchen Vorschläge zu machen, die gut ankommen. Sie kann ein Gefühl dafür entwickeln welche politischen Ziele der Rat und wie sich diese in die Vorlagen einbauen lassen. Aber sie könnte auch eine eigene Agenda in diese Planungen mit einfließen lassen und hoffen, dass die Politik nicht genügend Expertise hat um die Details zu erkennen.

Priorisierung

In Verwaltungen, wie überall anders auch, hat man nie genug Personal um alle Aufgaben zu erledigen. Man muss priorisieren. Und auch hier hat die Verwaltung die Aufgabe die Dinge sinnvoll zu priorisieren. Sie kann aber auch hier wieder etwas entkoppelt von der Politik Entscheidungen treffen.

Unabhängig davon, wie die Politik zu einem Thema steht, kann die Verwaltung Projekte zu dem Thema höher oder niedriger priorisieren. Sollte die Politik Druck machen, kann man auf die mangelnden Kapazitäten hinweisen. Seitens der Politik müsste man schon sehr genau in die Details schauen um zu sehen, ob es eine eigene Agenda gibt.

Tiefe Hierarchien

In der Verwaltung gibt es eine sehr tiefe Hierarchie. Soweit ich das verstanden habe, haben wir diese Ebenen:

  1. Bürgermeister*in
  2. Dezernat
  3. Amt
  4. Abteilung
  5. Sachgebiet
  6. Team
  7. Sachbearbeiter*innen

Die Bürgermeister*innen werden durch die Bevölkerung gewählt, die Dezernent*innen werden vom Stadtrat gewählt. Die Ebenen darunter werden nicht gewählt und haben ihre Jobs in der Regel deutlich länger und behalten sie auch nach einem politischen Wechsel an der Spitze. Die Dezernent*innen werden auch meist wiedergewählt. Die Strukturen innerhalb der Verwaltung sind also unabhängig von den Wahlen. Es wird bei der Wahl nur die oberste Spitze ausgetauscht. Im Bürgermeisterbüro gibt es natürlich noch noch Personal das dann getauscht werden kann, jedoch ist das begrenzt.

Diese vielen Ebenen arbeiten also eingespielt zusammen, die Spitze muss sich erst mit diesen Ebenen vertraut machen. Da eine einzelne Person natürlich nicht tausende Mitarbeitende einer Kommunalverwaltung persönlich kennenlernen kann, ist sie auf die obersten Führungskräfte angewiesen.

Diese haben dadurch allerdings auch eine gewisse Macht. Sie können bei jedem Wechsel an ihrer Spitze ihre Dezernate oder Ämter komplett neu ausrichten. Sie können sich bemühen möglichst ohne eigene Agenda die Agenda der Spitze umzusetzen. Jedoch können sie auch lieber den Zusammenhalt und das eingespielte Arbeiten ihrer Organisationseinheit für wichtiger erachten. Sie suchen dann nicht nach Wegen die aktuelle politische Agenda umzusetzen sondern versuchen vielmehr jene Aspekte zu bremsen, die ihnen nicht gefällt. Bei Wahlen besteht die Möglichkeit nach nur fünf Jahren schon wieder eine komplett neue Richtung vorgegeben zu bekommen.

Je nach dem, was die Führungskräfte als eigenen Kompass haben, können sie der Verwaltung eine gewisse Richtung geben. Die Verwaltungschefs können dann zwar versuchen diese Richtung zu ändern, haben aber auch nur begrenzte Möglichkeiten.

Fazit

Schaue ich mir Fälle wie den Radweg durch Hürth-Fischenich an, bei dem die Politik einstimmig die Vorlage der Verwaltung angenommen hat, werde ich etwas stutzig. Auf Bundesebene diskutieren die Politiker*innen vehement über vermeintliche Kleinigkeiten. Hier schienen alle einverstanden mit dem, was die Verwaltung vorschlägt.

Mir scheinen Kommunalverwaltungen eine gewisse Macht zu haben, weil die Politik sie nicht komplett im Detail kontrollieren kann und will. Das muss nicht schlecht sein. Aber es ist nicht so, dass allein die Politik die Verwaltung steuert. Die Verwaltung kann auch die Politik ein bisschen zu lenken versuchen.