Clusterfuck Wohnen, Mobilität und Klima

Die Themenkomplexe Wohnen, Mobilität und Klima sind für sich komplex, verfahren und etwas aussichtslos. Sie sind aber noch eng miteinander verknüpft. Ich sehe aktuell nicht, wie das noch etwas werden soll.

Es ist eigentlich egal, bei welchem der drei Themen man anfängt. Man kommt dann immer auch zu den anderen. Nehmen wir mal als Beispiel eine Familie mit zwei Kindern, Bürojobs vom Homeoffice aus und Freizeitaktivitäten jenseits von Dorf-Fußballclub und Eckkneipe. Zugleich möchte diese Familie möglichst klimaneutral leben, sofern möglich. Was machen die jetzt?

Für so eine Familie wäre ein Wohnort mit sechs Zimmern schon wirklich toll, dann hätte man zwei Arbeitszimmer, zwei Kinderzimmer, ein Elternschlafzimmer und ein Wohnzimmer. Wohnungen mit sechs Zimmern findet man aber so gut wie keine zur Miete. Manchmal findet man Wohnungen in eher fraglichen Teilen der Stadt. Da kann man wohnen, wo richtig verlockend ist das aber nicht.

Gut, dann kauft man halt ein Haus. Bei dem Bedarf an Wohnfläche ist ein Haus eh passender. Und da findet man tatsächlich dann einzelne Angebote. Schöne Neubauhäuser in seriösen Teilen der Stadt. Sechs Zimmer, davon eines ein Dach-Studio für die Eltern im zweiten Obergeschoss. Keller und Garage um Zeug abzustellen. Dazu dann ganz modern mit Wärmepumpe und nur 25 kWh/(a m²) Primärenergieverbrauch. Das wäre doch was! Gut, kostet dann 800.000 EUR netto. Mit den grob 15 % Grunderwerbsnebenkosten sind das dann 920.000 EUR brutto. Nehmen wir mal an, dass die schon 100.000 EUR gespart haben und bereit sind die nächsten 30 Jahre diese Immobilie abzuzahlen. Rechnet man ein Annuitätendarlehen mit nicht unbedingt unrealistischen 4,5 % Zinsen aus, kommen wir bei 4.152 EUR/Monat raus.

Das sind jetzt nur die Raten. Dazu kommen noch Rücklagen für Sanierung, Grundsteuer, Elementarschaden-Versicherung, gegenseitige Risikolebensversicherungen und der ganze Strom für den Betrieb. Vielleicht bin ich zu dumm zum Rechnen oder das Gegenteil ist eben das Problem. Wie soll man sich das leisten können?

Man könnte natürlich versuche mit nur 2000 EUR/Monat Raten anzufangen. Dann hat man nach 30 Jahren allerdings noch eine Restschuld von 1.636.340 EUR. Das liegt schlicht daran, dass die jährlich geleisteten Raten weniger sind als das, was an Zinsen dazukommt. Man kann diesen Kredit niemals abzahlen.

Naja, es muss ja auch kein Neubau sein. Ein älteres Bestandsgebäude tut es ja auch. Da hatte ich neulich ein Haus gesehen. Das hatte eine großzügige Wohnfläche. Die Dämmung war jetzt nicht so top, da braucht man 350 kWh/(a m²). Das ist jetzt erstmal nur eine Zahl. Multipliziert man das mit der Wohnfläche, dann ist der Bedarf an Erdgas 77 MWh/a. Auch das ist erstmal eine Zahl. Bis man sich ein Angebot geben lässt und dann einen Abschlag von 500 EUR/Monat nur für das Erdgas hat. Das ist dann nicht mehr nur eine Zahl, das ist Wahnsinn. In so einem Haus kann man nicht ernsthaft mit Gas heizen wollen. Dafür sind die Kaufpreise dann deutlich erschwinglicher. Da kommt man teilweise mit 500.000 EUR Nettokaufpreis schon hin. Machen wir die gleiche Rechnung auf, so müssen muss die Familie 475.000 EUR Kredit aufnehmen. Bei 30 Jahren Laufzeit und 4,5 % sind es dann gerade einmal 2.406 EUR/Monat an Ratenzahlungen. Gut, da kommen dann noch die 500 EUR/Monat an Erdgas hinzu, aber noch günstiger als der Neubau.

Hier sehen wir schon einmal das erste Problem: Es ist aktuell günstiger in einem besseren Zelt mit Gasheizung zu wohnen als in einem modernen energieeffizienten Neubau mit Wärmepumpe. Die Vorzeichen beim Wohnen stehen bezüglich Klima noch falsch.

Ach, aber man kann so ein älteres Haus ja auch einfach dämmen. Ist ja kein Hexenwerk. Also außer, wenn die dafür nötigen Baustoffe gerade extrem teuer sind und man mit den Preisen nicht planen kann. Und wir durch zu wenige Handwerker dann auch nur schwer Unternehmen finden, die bereit sind bei kleinen Häusern etwas zu machen. Die haben zwar Auftragsflaute, wollen aber auch lieber größere Aufträge haben.

Muss es denn Homeoffice sein? Das ist ja schon irgendwie dekadent zuhause noch extra zwei Bürozimmer haben zu wollen. Früher ging es ja auch ohne. Warum fahren die Eltern denn nicht einfach ins Büro? Da gibt es ein paar Probleme. Das eine ist die Lage der Arbeitsplätze. Die eine Person arbeitet in Köln, die andere in Bonn. Würde man jeden Tag ins Büro fahren, so würde der kürzere Weg mit knapp unter einer Stunde pro Stecke anfallen, der längere Weg dauert eher fast zwei Stunden. Somit sind also jeweils zwei bis vier Stunden Lebenszeit am Tag nur durch Pendeln weg. Da man ja aber noch seine 8 Stunden arbeiten gehen muss, wären das dann für die in Köln arbeitende Person 12 Stunden pro Tag. Also morgens um 7 Uhr los zur Straßenbahn und um 19 Uhr zuhause. Das Abendessen ist dann vielleicht noch nicht ganz kalt. Und vielleicht die Kinder auch noch nicht schon wieder im Bett.

Wie ist das eigentlich mit der Kinderbetreuung dann? Es gibt ja einen Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze. Das ist aber nicht so, wie man sich das vielleicht vorstellt. Wenn man am anderen Ende der Stadt ein paar Stunden am Tag einen Platz bekommt, so ist dieser Rechtsanspruch erfüllt. Und der Platz kostet dann noch einen Haufen Geld. Dafür braucht man dann neben den Kosten für das Wohnen ein zweites Gehalt. Nur kann die zweite Person dann nicht mehr einfach die Kinder am frühen Nachmittag abholen, weil man ja ins Büro fahren muss, weil zu wenig Platz für ein Arbeitszimmer da ist.

Gut, aber muss es denn unbedingt Bonn sein? Man könnte ja auch in den Rhein-Sieg-Kreis ziehen. Irgendwo zwischen Köln und Bonn wäre doch ein guter Kompromiss? Naja, schaut man sich einmal die Immobilienpreise in Bornheim an, sind die auf einem ähnlichen Niveau wie Bonn. Und Köln ist noch teurer als Bonn. Bei Bornheim ist es ziemlich klar zu sehen, wie Wohnlagen in der Nähe der Bahnstrecke ähnlich teuer sind wie Bonn, weit abseits der Bahn wird es dann günstiger. Okay, nehmen wir das dann?

Moment. Es hat schon einen Grund, warum es abseits der Bahnstrecke günstiger wird. Man kommt dann nämlich dort nicht mehr einfach weg. Ich würde wahrscheinlich weiterhin viel mit dem Fahrrad machen wollen. Bei den nötigen Strecken ist aber jede Kleinigkeit nicht mehr ohne. Zum Beispiel wären es dann nicht mehr machbare 7 km bis in die Bonner Innenstadt sondern eher 15 bis 20 km, je nach Wohnlage. Einfach mal in die Stadt fahren und etwas unternehmen wird logistisch schwerer. So lange Strecken kann ich schlecht fahren ohne etwas verschwitzt zu sein. Und mit der Bahn fahren ist keine Option, da der Wohnort ja eben explizit abseits von der Bahnstrecke ausgewählt worden ist. Vielleicht gibt es einen Bus, der einen irgendwie zur Bahn bringt. Das dauert dann allerdings ewig.

Immerhin hätte man dort genug Platz für Arbeitszimmer, sodass man dann nicht mehr ins Büro fahren müsste. Würde man aber trotzdem mal die Kollegen sehen wollen, so müsste man ewig mit dem Bus fahren. Das gleiche Problem hätte man bei allen weiteren Freizeitaktivitäten. Seriöses Fitnessstudio? Vielleicht. Boulderhalle? Eher nicht. Tanzkurs auf Turnierniveau? Wahrscheinlich nicht.

Aber da gibt es doch eine ganz einfache Lösung: Das Auto. Diese Vorstädte funktionieren nur wegen der Autos. Man hat dann pro volljähriger Person ein Auto vor der Tür stehen, meist eher größere laufruhigere komfortablere Autos in denen man einen erschreckend großen Anteil seiner Lebenszeit absitzen kann. Es kann einem egal sein, wo die Bushaltestelle ist, wann der kommt, wohin der fährt und wie viel das kostet. Es ist einem egal, ob bei der Bahn wieder ein Streik ist. Es ist einem egal, ob es sichere Radwege gibt. Man nimmt einfach das Premium-Verkehrsmittel mit voller Freiheit und Komfort. Keine dummen Menschen. Gut, dafür sitzt man dann alleine in seiner Fahrgastzelle und ist etwas isoliert. Aber das ist ja etwas gutes.

Das klappt auch alles ganz gut, bis das Kind in den Kindergarten muss. Der ist irgendwie ziemlich weit weg. Aber kein Thema, man fährt halt mit dem Auto hin. Und wenn das Kind in die Grundschule muss, dann ist der Schulweg zu weit und unsicher. Bei so geringer Siedlungsdichte ist die nächste Grundschule ziemlich weit weg. Man muss das Kind leider fahren.

Aber irgendwie ist die Schule überfüllt. Bei dem Neubaugebiet hatte man nicht damit gerechnet, dass da so viele Familien mit Kindern hingezogen sind. Oder man hat es nicht gewusst. Vielleicht war man auch überrascht, dass die Kinder sieben Jahre nach ihrer Geburt sieben Jahre alt geworden sind und nun schulpflichtig sind? Wenn man als Kommune nur diese Daten gehabt hätte, dann hätte man die Schule rechtzeitig ausbauen können.

Oh, und es gibt zu wenige Lehrer? Man hätte also schon früher anfangen müssen mehr Lehrkräfte auszubilden? Hmm, das ist jetzt wohl zu spät. Die Kinder werden dann halt so halbwegs irgendwie in einem Container-Erweiterungsbau unterrichtet.

Die Familie hätte ja auch einfach da wohnen können, wo genug Schulkapazität verfügbar ist. Aber da konnten sie sich das Wohnen nicht leisten. Es konnten dort aber auch keine neuen Wohnungen gebaut werden, weil die Kosten für Material und Personal zu hoch waren. Und die Zinsen wären eh zu hoch gewesen, damit Leute sich das Wohnen hätten leisten können. Macht also eh keinen Unterschied.

Interessant wird es auch dann, wenn die Kinder irgendwann eigene Hobbies haben. Mit 12 Jahren könnte man sie eigentlich auch mit dem Fahrrad irgendwo hinfahren lassen können. Wären da Radwege. Die hat man nämlich in der Vorstadt nicht gewollt, schließlich hätten dann Parkplätze für Autos gestrichen werden müssen. Und die Autos braucht man ja schließlich um seine Kinder überall hinzufahren!

Alles festgefahren

Das ganze System ist einfach so festgefahren. Wir haben da so viele ineinandergreifende Aspekte:

  • Aufgrund eines Angebotsschocks haben wir Inflation, mit hohen Leitzinsen versucht die EZB dem beizukommen.
  • Die hohen Zinsen machen Hauskauf und Neubau faktisch unbezahlbar.
  • Weil fast niemand mehr Häuser zu den gefragten Preisen kaufen kann, verkaufen die Leute ihre Häuser schlicht nicht mehr. Sie sind nicht bereit weniger zu fordern, weil sie das Geld für ihre Altersvorsorge und Pflege bräuchten.
  • Wir haben einen Lock-In beim Wohnraum, auch ein Umzug in eine kleinere Wohnung würde die Kostenbelastung deutlich erhöhen.
  • Viele Leute wohnen auf zu viel Fläche, die sie gar nicht mehr instandhalten können. Viele andere wohnen auf zu wenig Fläche und finden keine bezahlbaren Angebote.
  • Leute mit mehr Bedarf an Wohnraum werden aus den Großstädten gedrängt und haben längere Wege zu allem.
  • Weil der ÖPNV bei geringer Dichte nicht funktioniert, werden die Leute auf das Auto angewiesen.
  • Weil man auf das Auto angewiesen ist und eh ständig fährt, haben es lokale Angebote schwer mit den zentralen Angeboten in Konkurrenz zu überleben. Es gibt noch weniger lokales Angebot.
  • Im hohen Alter bleibt man in seinem Wohnraum, ist aber weiterhin auf das Auto angewiesen. Die körperlichen und geistigen Fähigkeiten lassen irgendwann nach, man muss aber trotzdem Auto fahren.
  • Die alten Häuser müssten energetisch saniert werden, damit wir die Klimaziele schaffen können.
  • Für ältere Leute lohnt sich die Sanierung finanziell aber nicht mehr.
  • Für jüngere Leute ist es finanziell schlicht nicht darstellbar aufgrund teurer Materialien und hoher Zinsen.
  • Die Autoabhängigkeit in der Breite bedeutet aktuell auch hohen Bedarf an fossilen Treibstoffen. Bezahlbare E-Autos sind noch nicht in Sicht.

Diese Liste kann man wohl beliebig fortsetzen. Aber was am Ende bleibt ist eine gewisse Verzweiflung darüber, dass diese Probleme eher schlimmer als besser werden. Die Probleme sind ja auch nicht erst seit gestern bekannt. Man müsste jetzt massiv familienfreundliche Wohnungen in den Großstädten zu bezahlbaren Preisen verfügbar haben, damit Familien sich das Wohnen noch wohnen können. Nur so können sie dann weiterhin mit Nahverkehr sinnvoll mobil sein. Klappt das nicht, müssten sie ganz weit raus ziehen. Und damit haben sie dann diverse andere Probleme.

Die fehlenden Neubauwohnungen der nächsten Jahre werden die fehlenden Mietwohnungen des Jahrzehnts sein. Und das wird die Mietpreise weiterhin sehr hoch halten. Wenn sich Leute jetzt Häuser im Speckgürtel kaufen, werden sie auf die nächsten Jahrzehnte autoabhängig sein. Das schränkt die Möglichkeiten zur Verkehrswende in den Städten massiv sein. Und die Kombination aus zersiedelten großen Häusern einerseits und langen Wegen andererseits wird uns massive Probleme bereiten die Klimaziele zu erreichen.

Ausblick

Tja, und was machen wir nun damit? Eine Möglichkeit wäre eine Pille wie in der Matrix zu erfinden, mit der man das alles vergessen kann. Die Familie zieht irgendwo in eine Vorstadt in ein günstiges Eigenheim. Es ist nicht neu, auch nicht gedämmt, dafür aber günstig zu erwerben. Sie bezahlen halt hohe Abschläge für das nötige Erdgas, aber das hat man die letzten Jahrzehnte ja auch schon gemacht. Und lieber modernes Erdgas als eine alte Ölheizung! Sie kaufen sich zwei Autos, er ein Porsche-SUV und sie ein Stellantis-SUV.

Die Kinder bekommen mit 15 oder 16 Jahren einen Motorroller und den passenden Führerschein. Davor fährt man sie herum, man hat sich an das Genörgel auf der Rückbank gewöhnt. Seit die Kinder Smartphones haben sind sie da eh friedlicher. Zuhause hocken sie den ganzen Tag am Handy oder Laptop, ansonsten passiert ja nichts spannendes.

Das Paar findet neue Freizeitaktivitäten. Zum Beispiel fahren sie gerne in die nächste Stadt ins Spaßbad, da gibt es auch einen großen Parkplatz. Ansonsten haben sie diverse andere Freunde im Speckgürtel, alle haben Autos. Die Leute in der Stadt besucht man seltener, da ist die Parkplatzsuche so schwer. Und die kommen einen aber auch nicht mehr besuchen, schließlich erreicht man das große Haus mit dem Bus so schlecht, meckern die immer. Sollen die sich halt ein Auto kaufen.

Die Alternative wäre sich mit einer ziemlich teuren Vierzimmerwohnung in der Stadt zu arrangieren. Arbeiten von Zuhause passiert dann halt am Esstisch, mehr als einen Tisch kann man in die Wohnküche eben nicht stellen. Und man kann auch keine Videokonferenzen machen, während gekocht wird. Ein paar Einschränkungen muss es eben geben. Oder der zweite Arbeitsplatz ist im Schlafzimmer zwischen den Kleiderschränken. Reicht ja eigentlich auch. Und irgendwie ist man auch froh, dass man bei 16 EUR/(m² Monat) auch nicht so viel Fläche mietet. Dann kommt man mit 1700 EUR/Monat Kaltmiete auch noch aus. Dafür hat man Fußläufig einen Kindergarten und auch ein paar Cafés. Wenn es dann drinnen zu wild wird, kann man einfach mal vor die Tür gehen.

Alles andere erscheint mir aktuell keine realistische Option zu sein. Und da ich mich auf die erste Option wohl nicht einlassen kann, wird es wohl eher die zweite Option werden.