Rechte Politik muss eben nicht für alle funktionieren

Die von der rechten Seite kommenden Vorschläge würden nicht für alle Menschen funktionieren. Aber das müssen sie auch gar nicht.

Wahrscheinlich ist das, was ich hier schreibe, für die meisten offensichtlich. Ich habe es erst neulich so richtig verstanden, daher ist es für mich interessant.

Ich verorte mich im politischen Spektrum im Bereich grün und sozialliberal. Wir müssen das Klima schützen, damit wir eine sinnvolle Zukunft haben. Der Staat soll den Menschen Freiheiten und Möglichkeiten geben ihr Leben selbst zu gestalten. Der Markt als Ressourcenallokationsmethode erscheint mir sinnvoll, er braucht aber Regulation damit nicht alles bei wenigen landet. Mehr Leistung soll zu mehr Wohlstand führen, allerdings soll man am unteren Ende des Wohlstandes noch ein würdiges Leben führen, nach oben hin soll irgendwann Schluss sein mit maximalem Reichtum. Also eine faire Marktwirtschaft mit Umverteilungsmechanismen, klaren Regeln gegen Monopole, Bürgergeld/Grundsicherung. Eine Erbschaftssteuer, mit der man sein Elternhaus ohne Abschläge erben kann, jedoch keine Familienkonzerne reibungslos weitergeben kann.

Aus diesem Blickwinkel müssen nicht alle Leute gleich viel haben, aber sie sollten die realistische Möglichkeit haben sich mehr zu erarbeiten. Studium oder Ausbildung und anschließende Arbeit soll sich lohnen. Kann jemand aber nicht arbeiten, so verliert die Person aber nicht den Platz in der Gesellschaft.

In meiner Vorstellung kann ein solches System für alle Menschen darin funktionieren. Wenn man keine Lust auf ein Studium hat, könnte man eine Ausbildung machen und recht schnell in den Beruf kommen. Wenn jemand studieren möchte, so könnte die Person unabhängig vom Einkommen der Eltern studieren. Kann jemand nicht arbeiten, so könnte die Person von einer Grundsicherung leben. Hat jemand eine geniale Erfindung gemacht, so könnte die Person damit ein luxuriöses Leben führen, würde aber auch viele Steuern zahlen.

In so einer Gesellschaft ist jede Startposition akzeptabel. Da man sich seine Eltern nicht aussuchen kann, empfinde ich das fair. Das ist analog zu diesem Zitat von Obama, nachdem die aktuelle Zeit die beste ist, die wir haben, trotz aller lokalen Rückschläge:

If you had to choose a moment in history to be born, and you did not know ahead of time who you would be—you didn’t know whether you were going to be born into a wealthy family or a poor family, what country you’d be born in, whether you were going to be a man or a woman—if you had to choose blindly what moment you’d want to be born, you’d choose now. — Barack Obama, 2016 [gefunden über Enlightenment Now1]

Man könnte es weiterdenken in Richtung Kommunismus: Man sorgt dafür, dass alle das gleiche haben. Für mich sind Experimente wie Sowjetunion oder Venezuela gute Beispiele wie das am Ende aber scheitert. Für manche ist das allerdings kein Gegenargument, sie sehen darin keinen Kommunismus sondern eher roten Faschismus.

Für mich bleibt jedenfalls das Grundproblem des Ressourcenallokationsmechanismus: Wir haben begrenzte Rohstoffe und Arbeitskraft und müssen uns überlegen, wie wir das mit den Wünschen und Bedürfnissen der Bevölkerung übereinbringen. Kommunismus setzt die Preise fest, allerdings gibt es dann möglicherweise keine Waren mehr. Beim Kaptialismus sind immer Waren da, man kann sie sich nur möglicherweise nicht leisten. Beides ist nicht perfekt, ich bevorzuge aber letzteres.

Wir müssen dringend den Wert von Menschen von ihrer Lohnarbeit trennen. Ich will ja langfristig in eine Utopie in der Maschinen alles herstellen und wir Menschen den ganzen Tag schöne Dinge tun können. Da sind wir aber noch nicht. Und so braucht es aktuell die Motivation arbeiten zu gehen. Die Motivation dafür ist mehr Wohlstand.

Wenn jemand fleißig ist und es der Person dann etwas besser geht, finde ich das okay. Es darf halt nicht auf Kosten von anderen gehen. Wenn man also wie in Italien die Grundsicherung abschafft und somit Konzernen ein Heer an Billiglöhnern zuschiebt haben die Konzernchefs ihre großen Gehälter auf deren Kosten verdient. Das finde ich nicht okay.

Worauf ich jedenfalls hinwollte: In meinem Weltbild hat nicht jeder das gleiche, aber alle können sich gemäß ihren Wünschen einen Platz in der Gesellschaft suchen bei denen für sie Arbeit und Wohlstand zusammenpasst. Niemand muss würdelos leben, niemand ist wahnwitzig reich. In so einer Gesellschaft hat man immer die Chance sich so lange hochzuarbeiten bis man mit der Gesamtsituation zufrieden ist.

Wenn Politik diskutiert wird, messe ich das an diesem Maßstab. Man kann durchaus über Dinge diskutieren, die den reicheren Nutzen, wenn es einen sozialen Ausgleich gibt. Reichen mehr Wohlstand zu geben ohne den Armen zu schaden ist okay. Den Armen etwas mehr zu geben auf Kosten der Reichen ohne das Konzept Leistungsprinzip komplett umzukehren ist auch okay.

Abschaffung der privaten Krankenversicherung und somit das Umverteilungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung für alle wäre etwas, wo ich voll dabei wäre. Oder unser Rentensystem auch für Selbstständige und Beamte zu erweitern. Wenn wir das machen ist es aus allen Startpositionen möglich eine mit sinnvoller Gesundsheitsversorgung und Altersversorgung zu leben.

Oder auch im Bereich Verkehr kann ich mir gut vorstellen wie eine Welt mit viel öffentlichem Nahverkehr, Radwegen und ein bisschen Autoverkehr gut für alle funktionieren kann.

Rechte Politik

Nach dieser langen Einleitung komme ich nun zur rechten Politik. Diese schlägt immer wieder Dinge vor, bei denen diese Fairness eben nicht zutrifft. Nehmen wir einseitige Steuererleicherungen für Reiche. Kann man fordern, findet hoffentlich keine Mehrheit.

Interessant wird es aber bei Fällen, in denen rechte Politiker selbst korrupt sind und irgendwelche Deals drehen, andererseits sich aber an kriminellen Minderheiten abarbeiten. Seitens der linken Leute auf Twitter werden die dann als Heuchler dargestellt. Aus dem linken Blickwinkel geht Wasser predigen und Wein trinken einfach gar nicht.

Es werden dann Shitstorms entfacht, eine Welle der Empörung über die Hechelei aufgetürmt. Es besteht wohl die Hoffnung andere nur durch den Verweis auf diese Scheinheiligkeit zu überzeugen nicht mehr den rechten Positionen anzuhängen.

Was ich nun verstanden habe: Darum geht es doch gar nicht. Der Zweck rechter Politik ist doch gar kein inklusives Gesellschaftsbild mit Fairness. Es geht darum einer ausgewählten Gruppe Privilegien zuzuschieben und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass man dieser Gruppe angehört und angehörig bleibt.

Wenn rechte Politiker zum Beispiel fordern, dass mehr für den Autoverkehr getan wird, kann man das auf vielen Weisen angreifen. Reiner Autoverkehr kann nicht hinreichend skalieren für eine Stadt, das sieht man gut in den Metropolen der USA. Dort hat man einfach nur ein Verkehrschaos. Das Auto ist als Massenverkehrsmittel nicht geeignet. Alles nur auf das Auto setzen kann nicht funktionieren. Warum fordern diese Leute also etwas, was gar nicht für alle funktionieren kann? Sind die dumm?

Sie sind nicht dumm. Sie wollen einfach nur für ihre Gruppe das Privileg Autofahren. Die anderen Leute sollen aber bitte mit dem Bus fahren, damit die Straßen schön für sie frei sind. Diese Heuchelei ist grundlegend. Solange die Rechten mit dicken Autos fahren können, ist alles gut. Was die anderen Menschen machen ist denen einfach egal.

Ähnlich in Italien mit der Abschaffung der Grundsicherung. Die Elite setzt einfach alles darauf niemals selbst Grundsicherung zu brauchen. Entsprechend werden sie sich nach Schaffung dieser Ungleichheit tunlichst auf der besseren Seite davon halten. Sie wird sich in dieser Ungleichheit tiefer einrichten und diese verteidigen.

Das ist die bittere Erkenntnis, die ich hatte. In meinem Weltbild wäre es egal, wer konkret die Spitze einnimmt, allen geht es ganz gut. Aber im rechten Weltbild geht es der Elite blendend und allen anderen schlecht. Es gibt auch keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr durch die hochgezogene Wand, vor allem damit es keine Abstiegsgefahren mehr für die Elite gibt.

Es bleibt allein die Hoffnung, dass die »Protestwähler« früh genug merken welches Los sie damit ziehen werden. Und es ist wohl eine naive Hoffnung, schließlich baut das ganze rechte System auf der Manipulierbarkeit eher schlichter Leute auf.


  1. Pinker, S. Enlightenment Now: The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress. (2018).