Logseq und Obsidian

Beim Denken mache ich mir sehr gerne Notizen. Ich kann ein assoziatives Gedankenkonstrukt eine Weile lang im Kopf aufrecht erhalten, allerdings kann ich es irgendwann nicht mehr größer machen. Dann schreibe ich einiges davon auf, und dann kann ich wieder neue Gedanken formen.

Das Aufschreiben an sich macht mir dann auch wieder Spaß und hilft mir auch im Denkprozess. Dadurch, dass ich nicht alle Gedanken aufschreiben kann, muss ich sortieren. Irgendwie bremst dieser Prozess etwas, und das hilft. Das Werkzeug zum Aufschreiben muss aber reibungslos funktionieren, sonst stört es mich. So kritzele ich manchmal mit Füller auf Papier. Sobald meine Gedanken allerdings anfangen kohärenter zu werden, nervt mich Papier. Ich kann weder Dinge korrigieren, zwischen den Zeilen einfügen oder das ganze formatieren oder exportieren.

Zudem verfasse ich teilweise auch gerne ausführlichere Dinge und schreibe nicht nur Stichpunkte. Das ist wahrscheinlich durch meine damalige Wiki-artige Webseite, die Laborprotokolle, Abschlussarbeiten und diesen Blog geprägt. Ich formuliere Gedanken gerne aus. Aber manchmal will ich auch nur so ein paar Dinge sammeln.

Früher nutze ich Xournal, das ist ein grafisches Notizprogramm für Laptops mit Stifteingabe. Ich habe damit immer meine Übungsaufgaben an der Uni gerechnet und dann noch einmal mit LaTeX schön mit Fließtext aufgeschrieben. Das waren dann immer zwei Schritte, Notzen und Rechnen zuerst, danach dann das saubere Aufschreiben.

Inzwischen gibt es auch den Nachfolger Xournal++, den habe ich selbst aber nie benutzt.

Auf der Arbeit schreibe ich ziemlich ausführliche Notizen zu dem, was ich mache. Die schreibe ich auch als Fließtext, erkläre was das Problem ist, kopiere Code-Schnipsel zur Illustration, füge Bildschirmfotos ein und strukturiere das ganze mit Überschriften im Dokument. Ich erstelle also Textdokumente. Zum genutzten Werkzeug komme ich gleich.

Privat mache ich das manchmal auch. Wenn ich Tagebuch schreibe, dann schreibe ich das manchmal aus. Aber manchmal mache ich nur ein paar Listen. Oder wenn ich mir Gedanken zu einem Blogeintrag mache, dann ist das meist nur eine Liste mit Ideen. Zum Sortieren nutze ich manchmal Mind Maps mit FreeMind. Letztlich ist eine Mind Map aber nichts anderes als eine hierarchische Liste, die halt als Baum dargestellt wird.

Über die Arbeit habe ich Obsidian kennengelernt. Das wird auf der Webseite so beschrieben:

A second brain, for you, forever. – Obsidian is a powerful and extensible knowledge base that works on top of your local folder of plain text files.

Es nutzt Markdown als Auszeichnungssprache, was ich super angenehm finde. Meine Blogeintrage erstelle ich auch mit Markdown, und so gut wie alles andere auch. Obsidian legt alle Dateien in einem Ordner ab, und es ist am Ende nur ein Ordner mit Markdown-Dateien. Somit kann man diese Dateien auch noch mit jedem anderen Texteditor bearbeiten, man ist da nicht irgendwie an Obsidian gebunden.

Das Konzept des »zweiten Gehirns« und der »Wissensdatenbank« ist etwas über das ich dann noch mehr Programme dieser Art gefunden habe. Das zweite Programm ist Logseq, das auf der Webseite ganz ähnlich beschrieben wird:

Connected thoughts to increase understanding – Logseq is a privacy-first, open-source knowledge base that works on top of local plain-text Markdown and Org-mode files. Use it to write, organize and share your thoughts, keep your to-do list, and build your own digital garden.

Das Konzept ist noch größer als die beiden Programme. Das ganze Konzept nennt sich »Zettelkasten«, dessen Geschichte man auf dieser Webseite findet. Dort wird auch das Konzept vorgestellt, und sie haben einige Artikel. Sie haben auch ein eigenes Programm, das allerdings auf Linux nicht läuft und daher für mich nicht interessant ist. Es gibt auch noch Zettlr, das fand ich bisher allerdings nicht ganz so ansprechend wie Obsidian und Logseq.

Ich habe jetzt lange Erfahrung mit Obisidan auf der Arbeit sammeln können, habe bis vor kurzem allerdings noch nicht »richtig« genutzt. Ich habe einfach nur unabhängige Dateien erzeugt, die Vernetzungen allerdings nicht richtig genutzt. So richtig verstanden, wie Obisidan eigentlich funktionieren kann, habe ich witzigerweise erst durch die Nutzung von Logseq.

Beide Programme sind mit dem Electron-Framework geschrieben, beide nutzen Markdown. Beide wollen ein zweites Gehirn sein. Mir fällt es sehr schwer die Programme gegeneinander zu vergleichen, weil die Schnittmenge so groß ist.

Logseq

Ich beginne einfach mal mit Logseq. Man legt da einen neuen Ordner an, und dann erzeugt das automatisch die Dateien. Es gibt noch diverse zusätzliche Plugins, aber davon habe ich erstmal Abstand genommen. Man sollte die Software erstmal so kennenlernen, wie die Autoren sich das gedacht hatten.

Man fängt in seinem Journal an. Das ist einfach je eine Datei pro Tag. Man sieht da dann auch direkt die Liste, den Punkt habe ich nicht erzeugt. Und so habe ich wie im Tagebuch einfach eine Idee von heute angefangen und direkt eine Unterseite erzeugt mit doppelten eckigen Klammern. Das ist keine offizielle Markdown-Syntax, aber gängig in Wikis und Programmen wie Logseq, Obsidian und Zettlr. Sie werden auch als »Zettelkasten-Links« bezeichnet.

Dann kann man auf den Link klicken und erzeugt damit eine neue Seite, ganz wie bei Wikipedia auch. Da habe ich dann noch ein bisschen mehr geschrieben. Man sieht hier schön, wie die Liste das fundamentale Konstrukt bei Logseq ist. Jeder Listenpunkt wird hier auch »Block« genannt. Ich kann gar keinen Fließtext schreiben, außer halt als Listenpunkt. Die Listen kann man schachteln. Die Markdown-Links zu Steam werden automatisch als HTML angezeigt, wenn man sie nicht gerade editiert. Somit hat man überall direkt eine Vorschau, kann aber in der aktuellen Zeile Markdown schreiben.

Sehr schick finde ich die Liste mit den Referenzen auf diese Seite. So sieht man gut, dass ich gerade aus dem Journal darauf verlinkt habe.

Durch die Verlinkung kann jetzt auch ein interaktiver Graph mit Links angezeigt werden:

Ich habe dann angefangen im Journal noch anzufangen diesen Blogartikel vorzubereiten:

Nachdem ich dort den Link erstellt habe, konnte ich die Seite mit einem Klick auf den Link anlegen und die Seite füllen. Ich habe hier bewusst einmal Markdown-Überschriften genommen. Die werden zwar auch als größere Schrift angezeigt, haben allerdings auch die blauen Punkte davor. Es ist also ein Listenelement, das dann eine Überschrift enthält. Das ist semantisch einfach Quatsch, auch wenn es halbwegs nach einem Dokument aussieht.

Das merkt man auch, wenn man sich den Quelltext des erzeugten Markdown-Dokumentes anschaut. Das sieht einfach nicht ideomatisch nach Markdown aus:

- # Logseq
- Alles ist immer nur mit Spiegelstrichen organisiert. Alles muss eine Liste sein.
- Journale und Seiten sind zwei getrennte Konzepte, dadurch haben Journale einen besonderen Platz.
- Überschriften erscheinen hier irgendwie witzlos, weil sie nur Teil der Liste sind.
- # Obsidian
- Ist gut für das Verfassen von langen Texten.
- Obsidian ist für den Privatgebrauch kostenlos, für kommerzielle Nutzung allerdings kostenpflichtig.
- # Gemeinsamkeiten
- Electron App, alles sehr schön weich und sanft.
- Graph-Ansicht der Beiträge möglich.
- Beide sind für Zettelkästen da.

Natürlicher fühlt es sich in Logseq an, wenn man daraus eine Liste mit mehreren Ebenen macht. Dann kann man auch die einzelnen Punkte ziehen und verschieben, man kann sie einklappen. Eben alle jene Dinge, die man von einem Outliner erwartet.

Das sieht dann im erzeugten Markdown auch sinniger aus:

- Logseq
    - Alles ist immer nur mit Spiegelstrichen organisiert. Alles muss eine Liste sein.
    - Journale und Seiten sind zwei getrennte Konzepte, dadurch haben Journale einen besonderen Platz.
    - Überschriften erscheinen hier irgendwie witzlos, weil sie nur Teil der Liste sind.
- Obsidian
    - Ist gut für das Verfassen von langen Texten.
    - Obsidian ist für den Privatgebrauch kostenlos, für kommerzielle Nutzung allerdings kostenpflichtig.
- Gemeinsamkeiten
    - Electron App, alles sehr schön weich und sanft.
    - Graph-Ansicht der Beiträge möglich.
    - Beide sind für Zettelkästen da.

Die neue Seite ist auch entsprechend im Graph enthalten. Mit der Zeit wird sich da ein lustiger Graph ausbauen.

Weil Logseq analog zu einem Wiki keinen Baum mit den Seiten hat, sondern einfach nur eine Sammlung an Seiten, gibt es auch keinen Verzeichnisbaum mit dem man navigiert. Man nutzt vielmehr die Volltextsuche oder die Verlinkungen vom Journal her. Und so definiert man sich in der Seitenleiste die spezielle Seite contents.md, in der man sein Inhaltsverzeichnis selbst definiert:

Mir kam so etwas immer ziemlich merkwürdig vor. Mein Denken ist immer hierarchisch bei solchen Dingen. Aber wenn man an die Wikipedia denkt, so gibt es das auch nicht. Es gibt aber Strukturnotizen oder Strukturseiten, die zum Beispiel Dinge zu einem Thema verlinken. Oder alle Bedeutungen eines Begriffes. So gibt es den Wikipedia-Eintrag zu dem Stein Obsidian, es gibt aber auch die Übersichtsseite zur Begriffserklärung von »Obsidian«, die auch zum Markdown-Programm verlinkt. Und genauso ist das hier auch gedacht. Dieses Inhaltsverzeichnis ist also einfach nur eine Art Startseite ins zweite Gehirn.

Man kann sich auch alle Dateien anzeigen lassen, das scheint aber nicht als Haupteinstieg gedacht zu sein.

Generell finde ich Logseq super cool, es fühlt sich alles so rund an. Aber dass man nur Listen anlegen kann, stört mich ein bisschen. Es ergibt aber als Konzept total Sinn, weil Logseq eben nicht zum Erstellen von Texten gedacht ist sondern ein Outliner ist. Durch die Konzentration darauf kann es dann viel besser mit Listen umgehen, als Obsidian es kann.

Mir gefällt auch sehr die Trennung zwischen Pages und Journals. Dadurch ergeben sich ganz nette zusätzliche Funktionen. Man kann in der Ansicht der Journale dann einfach die weiteren Tage darunter sehen.

Und in der Graph-Ansicht kann man die Journale auch noch ausschließen. Weil die Journale diverse Themen verlinken, erstellen sie so Verknüpfungen zwischen Dingen, die bis auf die Zeit eigentlich keinen Zusammenhang haben.

YAML-Metadata wird auch unterstützt, auch wenn es merkwürdig aussieht. Wenn man es editiert, dann ist es einfach Teil der Liste:

Auch nach dem Bearbeiten ist es dann Teil davon:

Schaut man dann aber in die Datei rein, dann ist der YAML-Header brav ganz oben ohne Listenpunkt.

---
title: This is a test
date: 2022-12-03
---

- Mir ist aufgefallen, dass ich früher immer wieder [[Dungeon Crawler]] gespielt hatte. Das war schon cool, und ich habe jetzt noch nach mehr davon gesucht.
- Logseq ist ja wirklich cool, aber ich muss es mal mit Obsidian vergleichen, also [[Logseq vs. Obsidian]].

Das wird also auch unterstützt.

Obsidian

Obsidian hat ebenfalls die Links, den Graph-Modus. Es ist allerdings nicht primär ein Outliner, sondern für Fließtext gedacht. Und somit unterstützt es Überschriften und kann daraus dann ein Inhaltsverzeichnis erzeugen.

Ich habe einfach die Dateien von Logseq einmal in einen neuen Obsidian Vault kopiert und das dort gestartet. Ich habe mein bevorzugtes Farbschema dort genutzt, ich bin da inzwischen solide auf der dunklen Seite angekommen.

Man sieht, dass Obsidian hier mehrere Tabs bietet, damit man in mehreren Dokumenten gleichzeitig unterwegs sein. Ich sehe sie hier mehr als Dokumente oder Artikel, und weniger als Notizen wie bei Logseq. In der Seitenleiste kann man einen Dateibaum haben, es gibt also eine Hierarchie aus Dateien.

Wenn ich die Variante von meinen Vergleichsnotizen anschaue, dann sieht das wie folgt aus. Obsidian erkennt auch die geschachtelten Listen, bietet mir auch hier das Einklappen an.

Etwas natürlicher sieht das allerdings mit Überschriften aus. Die große Überschrift ist der Titel und wird aus dem Dateinamen abgeleitet.

Und nun kann ich mir auch noch ein Inhaltsverzeichnis als Seitenleiste anzeigen lassen. Damit wird das Arbeiten in langen Dokumenten wirklich praktisch. Außerdem kann man auch den Text nach den Überschriften zusammenfalten.

In Logseq geht das so nicht, da sind Überschriften anscheinend bedeutungslos und einfach nur fetter Text. In Obsidian hingegen haben sie Semantik und entsprechen daher vielmehr dem, was Markdown auch sein sollte.

Obsidian unterstützt ebenfalls die Backlinks, die werden in der Seitenleiste angezeigt und nicht darunter.

Einen Graphen gibt es auch, der funktioniert genauso und erlaubt auch fast das gleiche Filtern. Da Obsidian allerdings kein Konzept der Journale hat, werden diese wie alle anderen Seiten auch behandelt. Man kann aber mit aufwändigen Filtern die Knoten einschränken, somit wird man das wohl auch irgendwie hinbekommen können, wenn man möchte.

Der Editor funktioniert ähnlich wie bei Logseq, nur auch innerhalb einer Zeile. Hier die andere Seite, es ist keine Markdown-Syntax sichtbar.

Erst, wenn ich den Cursor in den Link stelle, sieht man die Markdown-Syntax.

Das ist manchmal etwas irritierend, weil die Länge der Zeile sich beim Schreiben verändert. Aber ich finde das insgesamt gut zu nutzen. Logseq hat immer die ganze Zeile im Bearbeitungsmodus, und nicht so gemischt.

Zettlr

Mir scheint Zettlr eher in Richtung Obsidian zu gehen, ist allerdings mehr auf akademische Texte ausgerichtet.

Zettlr hat noch die Funktion, dass man direkt die Lesbarkeit pro Satz anzeigen lassen kann:

Fazit

Es fällt mir sehr schwer ein Fazit zu ziehen. Mir ist auch nicht so ganz klar, wer genau die Zielgruppen sind, weil es so große Überschneidungen gibt. Beide Programme sind dazu da ein Geflecht aus verlinkten Notizen zu erzeugen, wie ein eigenes Wikipedia. Die Daten bleiben alle lokal, man kann sie aber über deren Dienste auch synchronisieren. Es gibt Graphen, der Markdown-Editor ist schick. Es gibt Plugins aus der Community. Insgesamt sind beide sehr coole Programme.

Das, was Logseq aber auszeichnet und abgrenzt ist der Fokus auf die Listen und die Blockstruktur. Dadurch kann man nämlich auch einzelne Blöcke aus anderen Seiten verlinken. Bei einem Wiki müsste man sonst auf Überschriften im Dokument verlinken. Das Bearbeiten von diesen Listen ist in Logseq etwas einfacher, weil die Listen nicht einfach nur Markdown-Syntax sind sondern wirklich Struktur der Daten.

Da ich aber auch manchmal längere Texte schreibe und die Verlinkung auf Block-Ebene nicht brauche, fühle ich mich bei Obsidian besser aufgehoben. Logseq hat für mich aber irgendwie den Reiz des Neuen, und ich finde das Konzept der Outlines auch ziemlich schick. Diese aber getrennt von meinen anderen Dokumenten zu haben erscheint mir aber zu hoch als dass ich ein zweites Programm nutzen wollen würde.

Man kann relativ einfach zwischen den Programmen wechseln, weil es ja nur Markdown-Dokumente sind. Zwischen Obsidian und Zettlr kann man wahrscheinlich trivial wechseln. Bei Logseq hat man die ganzen Aufzählungspunkte und keine Fließtexte. Man kann zwar auch Fließtexte in Logseq öffnen, aber so richtig sinnvoll ist das nicht.

Ich würde also sagen, dass Obsidian (und Zettlr) eher eine Art Wiki ist, mit langen Seiten; Logseq ist hingegen ein Outliner mit verknüpften Seiten. Oder ein Wiki, das aber nur aus Listen besteht. Wer also nur mit Listenpunkten zufrieden ist (die dann natürlich wieder komplexe Dinge wie Code oder Bilder enthalten können), oder explizit einen Outliner möchte, ist mit Logseq gut dabei. Wer aber eher ein Wiki mit Fließtext aufbauen möchte oder einfach eine Hierarchie von Textdokumenten verwalten mag, ist mit Obsidian oder Zettlr besser bedient.