Klimaschutz – Zu schnell und doch zu langsam

Wenn ich in die Nachrichten schaue, so werde ich immer ernüchterter. Der Klimawandel schreitet voran, die Politik ist zu zaghaft. Ich sehe nicht mehr, wie wir die Klimakatastrophe abgewendet bekommen, bevor sie wirklich extrem wird.

Wir haben als Menschheit auf diesem Planeten offensichtlich ein Problem. Man kann die Statistik der Erderwärmung anschauen und sieht einen beängstigenden Trend nach oben. Es gibt Projektionen, wie sich das Klima verändern wird, wenn wir so weitermachen, wie bisher. Auch wenn seit gut 40 bis 50 Jahren eigentlich klar ist, dass wir eine Klimakatastrophe bekommen, wurde damals noch nicht genug getan. Man hätte damals mit relativ sanften Mitteln etwas verändern können. Das ist aber nicht passiert.

Und nun hatten wir eigentlich bis 2020 Zeit wirkliche Maßnahmen zu treffen, damit wir bei 1,5° bleiben. Man hat sich zwar 2015 in Paris auf Ziele geeinigt, aber nicht auf einen Plan. Und vieles von dem, was man hätte tun können, wurde nicht getan. Es wurde weiter an der Kohleverstromung festgehalten, es gibt kein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Konstrukte wie Entfernungspauschale, Dienstwagenprivileg gibt es weiterhin. Bayern hat weiterhin keine Stromtrassen und genehmigt auch keine Windräder.

Diverse Bücher habe ich inzwischen gelesen. Zum Beispiel hatte ich zur Bundestagswahl das Buch von Annalene Baerbock, Jetzt1, gelesen. Sie schreibt da viele tolle Dinge, scheint sich aber in der Regierung nicht hinreichend gegen die Bremser von FDP und SPD durchsetzen zu können. Bücher wie Utopien für Realisten2 oder Enlightenment Now6 geben letztlich Mut, schließlich hat sich die Welt im großen schon deutlich positiv entwickelt.

Ja, es passiert etwas. Aber viel zu langsam. Nehmen wir nur das Parkplatzdrama in der Max-Bruch-Straße. Wir haben Klimanotstand, wir haben eine Flutkatastrophe an der Ahr gehabt. Wir haben einen Hitzesommer nach dem nächsten. Es müsste doch ganz klar sein, dass wir dringend etwas tun müssen. Aber nein, die Leute müssten alle mitgenommen werden. Seitens der konservativen Parteien heißt es, man dürfte keinen »Klimaschutz mit der Brechstange« machen.

Ganz ehrlich? Was war denn die Flutkatastrophe an der Ahr, wenn nicht »Klimawandel mit der Brechstange«? Die Folgen sind doch schon längst sichtbar. Und wir sind auf einem nur schnarchigen Weg, mit dem wir wohl froh sein können, wenn wir die Erderwärmung auf 3° begrenzen können. Es ist alles viel zu langsam. Und es ist den Leuten trotzdem noch zu schnell. Das Problem ist allerdings, dass die ganze Trödelei nur noch krassere Änderungen nötig macht, um bei 1,5° zu bleiben.

Ich bin einfach frustriert, enttäuscht und wütend. Diese Emotionen sind schön im Buch Klima im Kopf: Angst, Wut, Hoffnung7 dargestellt. Sie gibt mir Wörter: Ich habe Klimaangst vor dem, was kommen wird. Ich habe Klimawut auf jene, die nichts dagegen tun.

In Büchern wie Unsere Welt Neu Denken3 oder Wenn nicht jetzt, wann dann?5 rufen prominente Wissenschaftskommunikator*innen auf zu handeln; einzeln und kollektiv. Aber was kann man denn einzeln wirklich tun? Ich kann natürlich versuchen meinen Verbrauch zu senken. Ich kann versuchen möglichst in der Nähe Urlaub zu machen. Aber wenn ich dann in Schockwellen4 schaue und lese, wie heftig sich Deutschland von russischem Erdgas hat abhängig machen, werde ich wütend. Und diese Wut kann ich nicht wirklich in etwas produktives umsetzen.

Das Gefühl, als einzelner eigentlich nichts verändern zu können, sehe ich bei der Verwaltungsklage wegen der Ampelschaltung. Man muss sich das einmal überlegen: Es geht um einen Teil einer Ampelschaltung, der für den Radverkehr 10 Sekunden Verzögerung bedeutet. Das ist nicht viel, das verändert nicht die Welt. Aber ich bin da seit zwei Jahren immer wieder dran, habe einen Bürgerantrag gestellt, eine IFG-Anfrage gestellt und zuletzt Verwaltungsklage erhoben und gewonnen. Es ist jetzt noch immer nicht umgesetzt. Das ist nur das Umprogrammieren einer einzelnen Ampel. Kein Neubau eines Radweges oder irgendwas wesentlichem. Und das dauert ewig. Wie soll man da überhaupt etwas erreichen oder bewirken können?

Ich verstehe ja, dass man nicht einfach alle Kohle- und Gaskraftwerke in Deutschland abschaltet, kein Benzin und Heizöl mehr verkauft und dann eben sagt: Wir sind klimaneutral! Das geht so nicht auf, es braucht einen Übergang. Aber dass dieser Übergang doch umso krasser ausfallen muss, je später man anfängt, das sollte doch jedem eigentlich klar sein‽ Die einzige Möglichkeit um später anfangen zu können und nicht mehr tun zu müssen ist das Reißen der Ziele. 1,5° ist halt nur ein Ziel, 2° oder 3° sind auch nur Zahlen. Aber dass das unsere Welt richtig auf den Kopf stellen wird, dass wir gigantische Migrationsströme bekommen werden, das erscheint wohl als entfernte Zukunft, die vielleicht gar nicht kommen wird. Die Wissenschaft ist sich aber sehr einig in dieser Sache. Ohne Maßnahmen wird das kommen.

In der Klausurenphase konnte man gut beobachten, wie manche Leute schon früh angefangen haben zu lernen, und andere eben erst ganz vor den Klausuren die Dauerparty beendet haben und anfingen zu lernen. Entsprechend mies waren dann die Tage vor der Klausur, und die Klausuren fielen auch ziemlich mau aus. Kann man so machen, aber wirklich toll ist es nicht. Manche Menschen brauchen aber wohl einfach die auf sie zukommende Frist, damit sie anfangen. Gemäß dem Spruch »Ich habe solange ein Motivationsproblem, bis ich ein Zeitproblem habe.«

Und ich fürchte mich inzwischen davor, dass der entscheidende Großteil der Emissionenerzeuger*innen erst dann aufwacht, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Wenn wir nicht nur mal hier und da eine furchtbare Flutkatastrophe oder einige verherende Hitzewellen hatten; sondern wenn wir eigentlich schon mitten in den Verteilungskriegen stehen und uns überlegen müssen, wie rabiat man eigentlich die durch Klimawandel aus ihren jeweiligen Heimaten Vertriebenen ins Mittelmeer schieben darf.

Auch für die Wirtschaft wird es fatal werden. Deutsche brüsten sich doch immer damit, wie toll die hiesigen Autos sind. Autos aus den USA wurden immer belächelt. Und dann haben die Leute von Tesla Motors gekauft, weil das die ersten Elektroautos waren, die nicht furchtbar waren. Das muss man sich echt auf der Zunge zergehen lassen: Deutsche kaufen US-amerikanische Autos, weil die technisch überlegen sind. Und demnächst werden wir wohl chinesische E-Autos kaufen, die Chinesen ihre eigenen Autos und die deutschen Hersteller und insbesondere Politiker*innen werden mit ihren bekloppten E-Fuels feststellen müssen, dass niemand mehr Pupsauto haben will, die man mit Dinoplörre tanken muss. Die Arbeitsplätze werden dann vielleicht nicht mehr zu retten sein.

Ich bilde mir ein zu tun, was ich kann. Wir beziehen Ökostrom, nutzen möglichst Fahrrad und Nahverkehr, machen in der Eifel Urlaub, fahren möglichst wenig Strecken und dann mit einem Kleinwagen, investieren in als grün deklarierte Aktienfonds. Ich engagiere mich beim Radentscheid. Aber wie soll man in der Freizeit die Welt retten, wenn andere sie in Vollzeit zerstören?

Es bringt natürlich nichts einen Fatalismus zu schüren, sich einzureden dass es ja eh nichts bringt. Das würde dazu führen, dass man gar nichts mehr versucht und es würde noch schlimmer werden, als es wohl werden wird. Mir geht nur wirklich die Geduld aus. Wir müssten so viel tun, bekommen aber weder ein Tempolimit hin, noch ist das Umnutzen von Parkplätzen zu Gehwegen mehrheitsfähig?


  1. Baerbock, A. Jetzt: Wie wir unser Land erneuern. (2021). 

  2. Bregman, R. Utopien für Realisten. (2014). 

  3. Göpel, M. Unsere Welt Neu Denken: Eine Einladung. (ullstein, 2020). 

  4. Kemfert, C. Schockwellen: Letzte Chance für sichere Energien und Frieden. (Campus, 2023). 

  5. Lesch, H. & Kamphausen, K. Wenn nicht jetzt, wann dann?: Handeln für eine Welt, in der wir leben wollen. (Penguin, 2018). 

  6. Pinker, S. Enlightenment Now: The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress. (2018). 

  7. von Bronswijk, K. Klima im Kopf: Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht. (oekom, 2022).