Fahrradkarte für Nahverkehr nur über lokale App erhältlich
Nachdem ich bei meiner Radtour einen irreparablen Platten hatte, bin ich mit der Bahn nach Hause gefahren. Das Buchen der Fahrradkarte war unnötig kompliziert.
In Deutschland haben wir ja das »Heilige Römische Reich Deutscher Nahverkehrsverbünde«. Es ist für mich als Verbraucher einfach total wahnwitzig wie viel ich über die Organisation von Nahverkehr wissen muss. Die Busse und Straßenbahnen werden von den jeweiligen Städten organisiert, die sich allerdings zu Tarifverbünden zusammengeschlossen haben. Die S-Bahn, Regionalbahnen und Regionalexpress-Züge werden von der DB Regio betrieben, die jedoch wieder Niederlassungen hat. So gibt es eine »S-Bahn Köln«.
Ich buche den ganzen Quatsch einfach über den die Bahn-App Next DB Navigator. Das ist die Betaversion vom bekannten DB Navigator und wirklich zu empfehlen. Durch die App von der DB muss ich mich eben nicht mit diesem kleingeistigen Regionalproporz herumschlagen und kann im (hoffentlich ganzen) Bundesgebiet Nahverkehrstickets buchen.
Wenn ich in der DB-App nach einer Verbindung von Eitorf nach Hangelar suche, so bekomme ich die Kombination S-Bahn und Straßenbahn, oder RE und Straßenbahn. Soweit alles gut.
Nun braucht man aber im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) eine Fahrradkarte, wenn man ein Fahrrad mitnehmen möchte. Diese Karte gilt dann auch nur innerhalb des VRS. Möchte man das Fahrrad weiter mitnehmen, so braucht man die nächste Fahrradkarte.
Schaut man sich den Verbundraum des VRS an, so hört der hinter Köln auf, der Rhein-Erft-Kreis (KFZ-Kennzeichen BM) gehört noch dazu. Aber Düren gehört nicht mehr dazu. Düren ist Teil vom Aachener Verkehrsverbund (AVV). Beim AVV kostet das Fahrradticket 2,20 EUR.
Gut, also nehmen wir im Next DB Navigator noch das Fahrrad mit auf.
Sucht man jetzt nach der Verbindung, so gibt es dann plötzlich keine mehr.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass die DB Vertrieb keine Fahrradkarten für Nahverkehrsverbünde aussstellen kann. Wenn man allerdings nur bis Siegburg sucht, also nur eine Strecke der DB Regio fährt, so gibt es dann wieder Verbindungen.
Allerdings bekommt man dann auch keine Fahrradkarte. Der Fahrpreis ist einfach so hoch wie sonst auch. Da stimmt irgendwas nicht.
Fahrtkartenautomat
Ich habe dann mal versucht das ganze am Fahrkartenautomaten zu machen.
Das Problem bei dem Automaten war allerdings, dass er nur sehr langsam reagiert hat, der Touchscreen hat nur sporadisch reagiert.
Ich habe bei der Hotline angerufen und die Störung durchgegeben. Die freundliche Dame hat das auch aufgenommen. Sie bat mich da kein Geld reinzuwerfen und lieber auf der anderen Seite einmal zu versuchen.
Auf der anderen Seite lief der Automat, allerdings konnte ich dort Hangelar-Mitte nicht als Ziel finden:
Das Problem ist also wirklich, dass die DB Vertrieb nicht alle Verkehrsverbünde anbieten kann. Letztlich ist das hier schon ein Problem. Die wenigsten Personen werden nur bis zu einem Bahnhof fahren wollen sondern irgendwie bis zu einer Bushaltestelle. Vielleicht hätte ich irgendwie nach »Sankt Augustin« suchen müssen? In der App wird aber auch »Hangelar-Mitte« gefunden.
Ich habe mir dann über die DB-App erstmal die normale Personenfahrkarte gekauft, damit ich die schon einmal habe.
SWB Easy Go
Nun, dann muss es wohl die App von den Stadtwerken Bonn sein. Die bieten dann darüber die Tarife für ihren Verbund an. Die App habe ich dann heruntergeladen und installiert. Beim ersten Start erstmal eine Fehlermeldung, das wirkt unseriös.
Dann ging es immerhin.
Also Suche nach der Verbindung, das hat auch gut geklappt.
Die Details wirken soweit auch in Ordnung.
Dann konnte ich in der Auswahl ganz viele Arten von Tickets aussuchen.
Dabei war auch das Fahrrad-Ticket.
Anscheinend kann ich es sofort kaufen, wie praktisch!
Das ganze soll über die Handyrechnung gehen. Ich wurde dann zum Anbieter weitergeleitet.
Und dann kam aber unten die Meldung, dass mein Mobilfunkanbieter diese Art von Abrechnung nicht zulässt. Hmm.
Also habe ich mich versucht mit meinem Nutzerkonto einzuloggen. Das hatte ich vor Ewigkeiten einmal angelegt. Ich musste dann aber noch mehr von meinem Profil ausfüllen.
Weil ich meine E-Mail-Adresse aktualisiert hatte, wollten sie mir noch eine E-Mail zur Bestätigung schicken.
Diese E-Mail kam dann aber nicht an. Die E-Mail sollte um 13:01 Uhr verschickt werden. Angekommen ist sie dann aber erst um 13:08 Uhr. Bis dahin hatte ich schon eine andere Lösung gefunden.
VRS App
Nicht nur die Stadtwerke Bonn haben eine eigene App, nein, auch der Verkehrsverbund selbst hat noch eine App. Die gibt es in den Geschmacksrichtungen Apple und Google.
In dieser App kann man dann auch die Fahrradtickets kaufen.
In der Ansicht vom Ticket ist noch ein stilisiertes Ticket zu sehen. Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass wir den Skeuomorphismus bei digitalen Nutzeroberflächen hinter uns gelassen hätten, aber anscheinend möchte man hier besonders altbacken rüberkommen.
Bezahlen kann man ohne Registrierung mit verschiedenen Methoden. Das ist wirklich niederschwellig und gefällt mir gut.
Ich habe per Kreditkarte bezahlt und musste noch kurz meine Daten eingeben. Warum hier immer das Geschlecht abgefragt wird, ist mir echt ein Rätsel. Aber gut, steht halt so in den Personendaten wohl drin.
Das ganze bezahlt man dann bei einer Kölner Firma. Das ist echt so undurchsichtig, wer da was macht. Ich hätte das, Zahlungsmittel in der SWB Easy Go App vorausgesetzt, ja auch über die Stadtwerke Bonn kaufen können.
Dann lief der Ticketkauf an.
Als nächstes brauchten sie noch eine Bestätigung von meinem Kreditkartenunternehmen. Warum auch nicht, bei 3,10 EUR will man kein Risiko eingehen.
In der App musste ich das dann mit Fingerabdruck freigeben.
Zuerst hat es angeblich nicht geklappt.
Ich war schon kurz davor auszurasten. War hier der 4G-Empfang mal wieder zu schwach um eine beschissene Transaktion durchzubekommen? Aber plötzlich hat es dann geklappt und es kam die Erfolgsmeldung über die Fehlermeldung.
Mir ist das egal, solange das jetzt geklappt hat. Die Menge an Komplexität, die wir bei der Zahlungsabwicklung haben, ist wirklich bekloppt. Jeder Kreditkartenanbieter, jede Bank, alle haben eigene Apps die dann nur so mittelmäßig funktionieren.
In der VRS App bekam ich dann die Bestätigung.
Und dann hatte ich mein Ticket. Aber vielleicht wird es noch nicht angezeigt, weil sie das Stream Processing vielleicht nicht hinreichend leistungsfähig haben. Was auch immer.
Jedenfalls war das Ticket dann da.
Somit hatte ich dann eine Fahrradkarte, und es hat auch nur von 12:40 Uhr bis 13:15 Uhr gedauert.
Nach der Aktion hatte ich eine richtige Scheißlaune. Der geplatzte Schlauch war halt Pech. Die beschissen umständliche Buchung der Fahrradkarte war deutlich schlimmer. Auf den nächsten Radtouren werde ich immer mindestens einen neuwertigen Ersatzschlauch einpacken, damit ich bloß nicht nochmal so eine Fahrradkarte kaufen muss. Am Ende strande ich noch außerhalb des VRS-Gebiets und muss dann Fahrradkarten mehrerer Verkehrsverbünde in deren jeweiligen Apps kaufen. Dann muss ich für Aachen die Naveo-App nutzen, die aber irgendwie auch VRS anbietet. Würde ich in Rheinland-Pfalz stranden, wäre ich im Verkehrsverbund Rhein-Mosel. Da ist die Fahrradmitnahme aber meist kostenlos möglich. Sollte man doch ein Ticket brauchen, braucht man die VRM-App. Und die sieht aus wie die VRS-App. Es gibt also eine White-Label-App, die sich dann die jeweiligen Verkehrsverbünde anpassen können, ohne dass sie untereinander kompatibel sind? Das ist so deutsch, das kann man sich gar nicht mehr ausdenken.
Die jeweiligen Provinzfürsten der ganzen Hierarchie an Gebietskörperschaften können sich gerne den ganzen Tag über die Aufteilung der Ticketerlöse, Regionalisierungsmittel und Finanzausgleichsprogramme unterhalten. Aber geht mir als Verbraucher nicht mit dieser Komplexität auf den Geist! Ich will einfach nur Start, Ziel und Anzahl der Personen und Fahrräder eingeben und dann das passende Ticket buchen können. Das kann doch nicht so schwer sein.