Das FDP-Finanzierungskonzept für die Münchener Eigentumswohnung

Damals, als die Zinsen noch so extrem niedrig waren, sprach sich jemand von der Münchener FDP gegen das Mitleid wegen der hohen Immobilienpreise in der Stadt aus. So wird er in der Süddeutschen Zeitung zitiert:

"Nur weil man es immer wieder wiederholt, dass man mit einem normalen Einkommen in München keine Wohnung mehr kaufen kann, wird es nicht richtiger." Eine 100-Quadratmeter-Wohnung sei für einen "Mittelverdiener" mit 60.000 Euro pro Jahr "durchaus leistbar". Er rechnete vor: Mit einem Prozent Kredit-Tilgung pro Jahr sei die Wohnung bei den aktuellen Zinssätzen, schwuppdiwupp, nach 50 Jahren zur Hälfte abbezahlt. Danach kämen die Erben zum Zug. "Die erben eine Eigentumswohnung in dieser Stadt und haben noch die Hälfte des Kreditbetrags von heute offen." Bei einer zu erwartenden Inflationsrate von durchschnittlich zwei Prozent sei das dann "völlig leicht, das kann man fast aus der Portokasse zurückzahlen".

Die Kreditsumme ist hier unbekannt, aber auch eigentlich egal. Konkret wissen wir, dass dieser Artikel aus dem August 2021 stammt. Schaut man sich die Bauzinsen in der Vergangenheit an, findet man dort für den 01.08.2021 bei einer Zinsbindung von 5 Jahren einen Zins von 0,85 %, bei einer Bindung von 10 Jahren einen Zins von 1,17 %.

Gibt man dies mit einem angenommen Betrag von 1.000.000 EUR Darlehenssumme in einen Hypothekenrechner ein, erhält man eine jährliche Rückzahlung von 18.500 EUR. Das sind 1 % der ursprünglichen Darlehenssumme und dann noch die Zinsen für das erste Jahr. Das sind pro Monat dann 1541 EUR. Der »Mittelverdiener« war mit 60.000 EUR/Jahr brutto angegeben. Nehmen wir das mal möglichst vorteilhaft mit Steuerklasse 3 und ohne Kirchensteuer, so haben wir laut Brutto-Netto-Rechner ein monatliches Nettoeinkommen von 3485 EUR. Da bleiben dann also noch so grob 2000 EUR/Monat für den ganzen Rest übrig. Davon muss man dann Grundsteuer, Rücklagen für die Sanierung, Strom, Wasser und Gas abziehen. Das klingt jetzt erstmal gar nicht so unmöglich.

Das tolle ist dann allerdings, dass man nach diesen fünf Jahren eine Restschuld von 948.940 EUR hat. Man ist etwas weitergekommen mit dem Kredit. Wie die Zinsen in 2026 aussehen, weiß ich nicht. Wir sind aktuell aber bei 3,63 % für Hypotheken. Und wenn man dann diese Restschuld mit der Rate von 1541 EUR finanzieren will, dann geht das gar nicht. Die anfängliche Tilgung wäre rechnerisch bei -1,68 %. Die Zinsen steigen also stärker als die Abzahlung vorgenommen wird. Die Bank würde hier wohl mindestens 1 % Tilgung verlangen. Und dann ist die Rate dann direkt bei 3.661 EUR/Monat. Ups!

Diese Rate übersteigt dann sofort das Nettoeinkommen der Familie. Vielleicht gab es in den fünf Jahren ungefähr 10 % Lohnerhöhung (fünfmal 2 %) wegen Inflation, allerdings würde das keinen nennenswerten Unterschied in der Situation machen. Die Anschlussfinanzierung platzt und die Wohnung muss wieder verkauft werden. Durch die hohen Zinsen sind die Kaufpreise aber unter Druck, eventuell geht die Familie mit Verlust aus der Sache raus und hat danach noch eine Restschuld. Keine angenehme Situation.

Selbst, wenn man die günstigen Zinsen von 0,85 % die ganzen Zeit bekommen könnte, dann sähe das weiterhin bitter aus. Man wäre über 72 Jahre mit dem Abzahlen beschäftigt. Jedoch war ja die Aussage, dass nach 50 Jahren die nächste Generation übernimmt. Die Restschuld bei konstanter Tilgung beträgt noch 302.223 EUR. Wenn das für den FDP-Mann die Größenordnung der Portokasse ist, dann verschickt der wirklich eine schwindelerregende Menge Briefe. Mein Budget für Porto sind keine 10 EUR/Jahr. Über 50 Jahre ist 2 % Inflationsrate dann ein Faktor 2,69, sodass die Restschuld nur noch 112.284 heutige EUR sind. Dieser Kredit ist dann in der Tat relativ zügig abbezahlt.

Man kann das ganze auch kontinuierlich überlegen und die Ratenzahlungen mit der Inflation anpassen, sobald die fünf Jahre vorbei sind:

Jahr Kreditsumme / EUR Tilgung / % Rate / EUR/Monat Restschuld / EUR
0 – 5 1.000.000 1,00 1.541 948.940
5 – 10 948.940 1,30 1.702 885.841
10 – 15 885.841 1,70 1.879 809.158
15 – 20 809.158 2,23 2.074 717.199
20 – 25 717.199 2,98 2.290 608.014
25 – 30 608.014 4,14 2.529 479.447
25 – 30 479.447 6,14 2.792 329.186
30 – 35 329.186 10,39 3.083 154.574
35 – 40 154.574 25,58 3.404 0

Das ist jetzt aber alles mit der Annahme gemacht, dass die Zinsen bei 0,85 % bleiben. Und auch angenommen, dass das Nettogehalt wirklich jedes Jahr um 2 % steigt. Dazu muss das Bruttogehalt etwas mehr ansteigen, weil die Freibeträge nicht entsprechend wachsen (kalte Progression).

Also ja, man kann eine Million EUR mit einer Rate von 1541 EUR/Monat finanzieren und nach 40 Jahren damit fertig sein. Die Zinsen müssen dann über 40 Jahre krass niedrig sein, der Lohn muss die ganze Zeit steigen und ansonsten darf auch nichts passieren. Jemanden mit 60.000 EUR/Jahr als »Mittelverdiener« zu bezeichnen ist bei einem deutschlandweiten Durchschnittseinkommen von ungefähr 37.000 EUR/Jahr schon ziemlich zynisch. Aber so war das wohl auch gedacht, schließlich begann der Herr sein Statement wie folgt (aus gleichem Artikel zitiert):

"Nach so viel sozialer Wärme" werde es Zeit, dass die Grünen-Fraktionsvorsitzende wieder "a bissl friert, darum red' jetzt ich".

Ziel erfüllt, würde ich sagen.