Welche Familienplanung das Steuersystem begünstigt

Wenn man sich das Steuersystem anschaut, begünstigt es gewisse Familienmodelle. Und das sind meist »klassische«, die heutzutage nicht mehr alle möchten.

Fangen wir an mit einem heterosexuellen Paar, er verdient etwas mehr als sie. Das ist statistisch meist so. Häufig sind die Männer etwas älter und sind daher weiter in ihrer Karriere. Aber auch wenn nicht, sind häufig die Interessenlagen so, dass der Mann einen besser bezahlten Job damit bekommen hat.

Unverheiratet sind beide in Steuerklasse 1, zahlen also einfach unabhängig ihre Steuern. Hier gibt es schon einige Dinge, die ganz interessant sind.

Leisten sich die beiden eine Haushaltshilfe, so können sie das steuerlich absetzen als »haushaltsnahe Dienstleistungen«. Somit bezahlen sie die Person aus ihrem Bruttogehalt. Verdienen die beiden gut, so ist ihr Einkommenssteuersatz 42 %, dazu kommen teilweise noch Solidaritätszuschlag oder gewisse Sozialabgaben. Setzen sie die Hilfe von der Steuer ab, so zahlen sie nur 58 % der Kosten, den Rest übernimmt die Gesellschaft. Hat man allerdings nur sehr wenig Einkommen, so ist die Steuerrückerstattung deutlich geringer. Hier lohnt es sich also gerade für gutverdienende Personen ihren Haushalt von anderen Leuten machen zu lassen.

Hier in der Mietwohnung kann ich zum Beispiel den Hausmeisterservice und die Reinigung absetzen. Wir zahlen dafür weniger als Nachbarn, die weniger als wir verdienen. Das fühlt sich schon unfair an. Man kann argumentieren, dass wir natürlich auch mehr Steuern zahlen. Mich interessiert hier aber vor allem, welche Motivationen ich habe. Und aufgrund der Besteuerung habe ich viel mehr die Motivation Hausarbeit auszulagern als andere.

Da wir ein progressives Steuersystem haben und unverheiratete Paare ihre Steuern jeweils selbst zahlen, nimmt der mit dem höheren Gehalt die Kosten in seine Steuererklärung, er bekommt auch die größere Erstattung. Diese Erstattung landet dann aber bei ihm auf dem Konto. Das muss man im Paar dann so aufteilen, das geht noch.

Die Entfernungspauschale bekommt man beim Pendeln zur Arbeit. Für die ersten 20 km bekommt man 0,30 EUR/km, danach dann sogar 0,38 EUR/km. Je weiter man es hat, desto mehr Geld kann man bei der Steuer geltend machen. Auch hier gilt für Gutverdiener, dass sie 42 % zurückbekommen. Eine teurere Wohnung näher am Arbeitsplatz kann man aber nicht absetzen. Somit kann man weiter nach draußen ziehen und länger Pendeln, das wird finanziell belohnt.

Dann gibt es noch das Dienstwagenkonstrukt. Hier kann man sich vom Arbeitgeber anstelle von Gehalt ein Auto zur Verfügung stellen. Meist bekommt man dann noch eine Tankkarte. Bei der Steuer muss man einen »geldwerten Vorteil« angeben, insgesamt lohnt es sich aber häufig das Auto über dieses Konstrukt geben zu lassen. Zumindest wenn man sich sonst das gleiche Auto besorgt hätte.

Kombiniert man das beides, so bekommt man das Auto vom Arbeitgeber gestellt und kann dann auch noch die Fahrtkosten zur Arbeit absetzen. Das lohnt sich dann doppelt. Wir nehmen dann natürlich auch einen Diesel, denn der Treibstoff ist trotz höherer Energiedichte günstiger als Benzin. Das verstehe ich auch bis heute nicht. In den USA ist Diesel teurer als Benzin.

Nun lassen wir das Paar heiraten. Sie können wählen, ob sie Steuerklassen 4/4 oder 3/5 wählen. Am Ende macht das keinen Unterschied, die Steuerklassen regeln nur den Lohnsteuervorabzug und nicht die Gesamtmenge an Steuern. Aber viele Leute wollen das nicht verstehen und glauben fälschlicherweise, dass sie durch die Wahl der Steuerklassen ihre Steuerlast steuern können.

Durch das Ehegattensplitting (»gemeinsame Veranlagung«) wird nun das Gesamteinkommen betrachtet und damit die Steuern berechnet. Das Paar hat so mehr Netto vom Brutto. Allerdings spielt es keine Rolle mehr, wer das Geld einbringt, das Netto bleibt gleich. Und das hat dann weitere Auswirkungen, sobald die Stunden reduziert werden.

Das Paar bekommt nun ein Kind. Das Paar bekommt 14 Monate bezahlte Elternzeit, davon muss der Mann aber mindestens zwei Monate nehmen. Da die Frau zum Stillen eh zuhause bleiben muss, nimmt der Mann die minimalen zwei Monate, damit man da das Geld bekommt. Anstelle ihres großen Gehaltes bekommen sie 1.800 EUR/Monat. Nach zwei Monaten geht der Mann wieder arbeiten, aber immerhin konnte er zwei Monate eine intensivere Bindung zum Kind aufbauen.

Verdienen die beiden sehr viel, so gibt es gar kein Elterngeld. Somit hat der Mann noch nicht einmal die Motivation die zwei Monate zu nehmen, sondern arbeitet einfach durch.

Nach einem Jahr läuft das Elterngeld aus. Der Mann hat die ganze Zeit voll gearbeitet, er musste schließlich das Geld verdienen. Nach einem Jahr lässt sich noch kein Kindergartenplatz finden. Das Kind muss betreut werden. Nun müssen sich die Eltern überlegen, wie sie sich das aufteilen. Es könnten beide auf 50 % gehen. Da er allerdings einen höheren Stundenlohn hat, wäre das Haushaltseinkommen so geringer. Durch das Ehegattensplitting ist es also besser, wenn er weiter bei 100 % bleibt.

Die Frau bleibt also unbezahlt zuhause. Ihre Karriere wird dann auch pausiert und stagniert, der Mann hat bis auf die zwei Monate keinerlei Unterbrechung. Auf der Arbeit genießt er auch Respekt, weil er so ein guter Vater ist und zwei Monate nur beim Kind war. Er hat schon die nächste Gehaltserhöhung in Aussicht.

Der Mann muss auch ziemlich weit pendeln, nur ganz weit draußen konnten sie sich das große Haus leisten. Um nicht im schlimmsten Stau zu stecken, fährt er morgens um 7 Uhr zuhause los und ist erst um 18 Uhr wieder da. Seine Frau ist ja eh zuhause, daher kümmert sie sich um den Haushalt und zaubert ihm ein Abendessen. Er kann dem Kind dann noch eine Gutenachtgeschichte vorlesen, bekommt aber wenig davon mit.

Einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz hat man erst ab drei Jahren, trotzdem findet man häufig doch keinen Platz. Und die Zeiten sind natürlich auch nicht ganztags. Die Frau kann hier also nur einige Stunden pro Tag arbeiten gehen. Danach muss sie noch den Haushalt machen, der Mann hat keine Zeit dafür. Und er kann seine Stunden nicht reduzieren ohne das Haushaltseinkommen zu reduzieren.

Die Frau zahlt in dieser Phase nicht in die Rente ein und hat auch nicht die Mittel privat vorzusorgen. Sie wird im Alter von ihrem Mann abhängig sein.

Das aktuelle Steuersystem begünstigt mit Ehegattensplitting, Entfernungspauschale und Elterngeld das klassische Familienbild im Einfamilienhaus im Speckgürtel. Möchten Paare diesen Entwurf nicht leben, sind sie natürlich frei das zu tun. Es ist finanziell für sie nur immer negativ. Von daher könnte ich mir ein paar Korrekturen vorstellen:

  • Das Ehegattensplitting könnte man auslaufen lassen. Dadurch lohnt es sich dann eben nicht mehr einen Alleinverdiener zu haben. Durch das progressive Steuersystem würde es sich viel mehr lohnen, dass beide ungefähr gleich viele Stunden arbeiten und sich so die Betreuung aufteilen.
  • Die Entfernungspauschale sollte lieber durch einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr und gezielten Wohnungsbau an Bahnstationen abgelöst werden. Ich stelle mir kleine Zentren vor, die mit Bahnen gut untereinander vernetzt sind. Kopenhagen zum Beispiel hat Bahnlinien, die wie »Finger« von der Stadt wegzeigen. Entlang dieser Bahnlinien kommt man recht schnell in die Stadt, hat aber genügend Platz um die Leute unterzubringen. Das erscheint mir besser als pauschal große Entfernungen zum Arbeitsplatz zu fördern.
  • Das befristete Elterngeld könnte durch ein Care-Arbeits-Gehalt erweitert werden. Mütter bekommen dann grundsätzlich ein Gehalt für die Erziehungsarbeit. Männer können das dann auch bekommen, wenn sie sich um die Kinder kümmern. Das würde ich auch gerne mit meinen Steuern bezahlen, wenn wir dadurch mehr Fairness bekommen.

Die diskutierte Streichung des Elterngeldes für sehr gut verdienende Paare macht diese Probleme für einige nur noch schlimmer und hilft auch allen anderen nicht.