Kipppunkt Außentemperatur

Bei den aktuellen Temperaturen macht mein Kreislauf lange Radfahrten nicht mehr mit. Der Klimawandel ist sozusagen zu weit fortgeschritten um ihn durch Radfahrten verlangsamen zu können.

Es gibt diverse Kipppunkte bezüglich des Klimawandels. So sind das zum Beispiel das Eis in Grönland, auf dem durch die höhere Temperatur nun mehr Wasserlachen sind. Flüssiges Wasser absorbiert Sonnenstrahlung allerdings deutlich besser als Eis, der Schmelzprozess geht deutlich schneller wenn erst einmal eine Wasserlache vorhanden ist. Dadurch gelangt mehr Süßwasser ins Mehr, die Meeresspiegel steigen.

Gletscher rutschen weg weil sich unter ihnen Schmelzwasser bildet und sie auf diesem Wasserfilm gleiten können. Das gefährdet die Versorgung mit Süßwasser in den Tälern.

In Sibirien gibt es Permafrostböden mit allerlei unverwerteter Biomasse, zum Beispiel gestorbene und dann eingefrorene Tiere. Tauen diese Böden nun auf, beginnt das alles zu Faulen. Die Fäulnisgase verstärken den Klimawandel weiter.

Aufgrund der höheren Temperaturen haben wir große Hitzewellen. Diese trocknen die Wälder aus und erhöhen die Wahrscheinlichkeiten für Waldbrände. Auf griechischen Inseln, Kanada, Hawaii und diversen anderen Orten sehen wir aktuell die Konsequenzen. Die Waldbrände emittieren noch mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre, was den Klimawandel weiter antreibt.

Weitere Kipppunkte sind zum Beispiel festes Methan auf dem Meeresgrund oder das Abschwächen des Golfstromes. Gemeinsam haben alle diese Kipppunkte, dass sie irreversibel sind. Ist das Eis in Grönland erst mit Wasserlachen bedeckt, so hilft auch eine Reduktion der Klimagase nicht mehr viel. Man müsste auf ein deutlich niedrigeres Niveau herunter, damit die Wasserlachen wieder frieren können. Und ist der Wald erstmal abgebrannt, so kann er auch nicht einfach wieder Kohlendioxid binden.

Mir ist nun ein weiterer zynischer Kipppunkt aufgefallen: Die Außentemperatur und der menschliche Kreislauf. Dass wir immer mehr Hitzewellen haben ist ja eine der Konsequenzen des Klimawandels. Menschen vertragen die Hitze nur bedingt, das ist auch nichts neues. Es ist draußen inzwischen nur so warm, dass ich gar nicht mehr mit dem Fahrrad fahren mag. Am Wochenende des 19. und 20. August 2023 waren die Temperaturen bis 30 °C. Wir waren am Samstag Mittag bei einem Tanz-Workshop und haben in der Halle schon viel geschwitzt. Der Kreislauf ist bei einer solchen Temperatur und Luftfeuchte sehr gefordert. Macht man dazu noch Sport, so wird das nicht besser. Teilweise mussten sich die Teilnehmer*innen hinsetzen um ihren Kreislauf wieder ins Lot zu bekommen.

Bei der Rückfahrt mit dem Fahrrad war es dann aber wirklich kritisch. Für die 3 oder 4 km Strecke brauchen wir normalerweise nicht sonderlich lange. Bei der brennenden Hitze um 14 Uhr war bei uns der Kreislauf aber sehr gefordert. Wir sind dann mit 10 bis 15 km/h gekrochen, weil mehr einfach nicht mehr ging. Gerade in den Abschnitten in der Sonne fand ich es wirklich herausfordernd. Und ich bin eigentlich ganz gut aufgestellt was Ausdauer und Kreislauf angeht.

In der vorausschauend verschatteten Wohnung haben wir uns auf dem Sofa erstmal wieder fangen müssen, so überhitzt waren wir. Und so zynisch es auch ist haben wir uns überlegt das nächste Mal bei einer solchen Hitze lieber mit dem klimatisierten Auto zum Tanzen zu fahren. Ich finde es eigentlich total lächerlich mit dem Auto zum Sport zu fahren, schließlich will man sich doch bewegen die Radfahrt ist auch Bewegung.

Gut, man könnte mit dem Bus fahren. Aber nur wenn man bereit ist für die Strecke dann 45 Minuten aufzuwenden. Außerdem steht man dann noch in der Hitze an der Bushaltestelle, die um diese Uhrzeit auch keinen Schatten bietet. So hätte ich dann trotzdem Hitze, jede Menge Zeitverlust und das ganze würde mich auch noch 6,20 EUR kosten. Im Bus wäre es vielleicht klimatisiert. Oder halt auch nicht, planen kann man damit nicht.

Mit Elektroautos ist das dann zumindest bezüglich Kohlendioxid kein Problem mehr. Und wir könnten als Gesellschaft auch Klimaanlagen mit Photovoltaik betreiben. Die Last ist ja nur da, wenn auch PV-Strom da ist, das passt also. Der Ausbau wird aber noch lange dauern. Der Umstieg auf E-Autos läuft ja auch eher ziemlich schleppend.

Wir haben also einen Punkt erreicht, an dem die Außentemperaturen für längere Radfahrten zu heiß sind. Das Busnetz überzeugt mich für gewisse Strecken einfach nicht und somit wohl viele andere Leute auch nicht. Die werden jetzt erst Recht mit dem Auto fahren. Und somit haben wir einen selbstverstärkenden Effekt, dass mehr Autofahrten zu mehr Hitze und somit zu mehr Autofahrten führen. Es ist schlicht demotivierend.