Müllsammeln mit Passierschein A38 ohne glückliches Ende

Mich hat der ganze wilde Müll gestört, ich wollte man ein bisschen davon einsammeln. So einfach ist das aber gar nicht, man müsste Formulare ausfüllen und sich offizielle Müllsäcke besorgen. Aber selbst wenn man es macht, hält die Sauberkeit nur wenige Tage. Man braucht eigentlich gar nicht erst anfangen.

Beim Spazieren komme ich immer wieder an Stellen vorbei, an denen viel Müll liegt. Ein Teil davon mag keine direkte menschliche Schuld sein. Seien es Müll, der bei Sturm aus offenen Mülleimern verweht wird oder Tiere, die Dinge aus Mülleimern rupfen. Das meiste wird aber wohl von Menschen achtlos weggeworfen. Es ist wohl die gleiche Rücksichtslosigkeit, die auch zum behindernden Parken auf Gehwegen führt. Hauptsache man hat sein Problem irgendwie gelöst, die anderen und die Umwelt sind scheißegal.

Der kleine Bachlauf zwischen den großen Wohnanlagen ist besonders schlimm. Auf dem Foto erkennt man nur einen Bruchteil des Mülls, weil das meiste immer so halb unter Blättern liegt. Hier in die eine Richtung:

Und in die andere Richtung:

An dem Weg liegt auch noch sehr viel, vor allem Zigarettenstummel:

Letztlich ist es ganz einfach, diesen Müll zu sammeln. Man nimmt sich einfach einen Müllsack, ein paar Gummihandschuhe und legt los. Aber was macht man denn dann mit dem gesammelten Müll? Ich kann den natürlich die ganze Strecke bis nach Hause tragen und dann dort in die Mülltonnen packen. Allerdings haben wir da nur begrenzt Platz und beim Müllsammeln kommt sehr schnell viel zusammen.

Natenom hat zu seinen Lebzeiten viel Müll gesammelt und die Tüten dann immer an einen gut erreichbaren Ort wie einen Wanderparkplatz gestellt. Über den Mängelmelder der Stadt hat er das dann angemeldet und die Stadtreinigung hat das dann abgeholt. Das war für ihn sehr komfortabel, so musste er den Müll nicht ewig weit herumfahren. Und die Stadtreinigung musste nicht in Kleinarbeit den Müll zusammensuchen.

Kontakt zum städtischen Entsorgungsunternehmen

Ich habe also einmal versucht herauszufinden, wie das in Bonn geht. Bonn Orange hat Sauberkeitsaktionen, bei man mit vielen Leuten in einem Bereich Müll sammelt. Bonn Orange stellt dann Müllsäcke und Arbeitshandschuhe. Zuletzt kümmern sie sich auch um die Entsorgung des gesammelten Mülls. Das ist schön, aber ich wollte ja einfach niederschwellig bei einem Spaziergang ein bisschen was mitnehmen.

Per E-Mail habe ich gefragt, wie ich das machen kann, weil ich dafür nicht unbedingt erst orangene Müllsäcke abholen möchte. Ich fragte, ob ich sie an Bushaltestellen stellen könnte oder das über den Mängelmelder machen könnte. Die Antwort:

Einzelne Müllsäcke können respektive dürfen Sie an öffentliche Abfallbehälter (in Bonn) stellen oder hängen. Bitte nutzen Sie für Ihre spontanen Müllsammelaktionen die (Aktions-)Müllsäcke der bonnorange.

Ich soll also auch für diese spontanen Aktionen deren Aktionsmüllsäcke holen. Die gibt es allerdings nur in der Nordstadt oder Godesberg-Nord. Das ist von Holzlar aus eine ziemlich weite Strecke. Zudem geht das nur »nach vorheriger Absprache«. Ich muss also einen Termin ausmachen, dann 45 Minuten hinfahren, ein paar Müllsäcke abholen, 45 Minuten zurückfahren und dann kann ich anfangen Müll zu sammeln.

Sorry, aber das ist doch total bekloppt. Ich kann verstehen, Bonn Orange nicht einfach beliebig viele fremde Müllsäcke mitnimmt. Es soll nicht ermutigt werden, dass jede Person einfach Baumüll an Bushaltestellen ablädt. Aber so richtig schützen diese orangenen Müllsäcke auch nicht. Wenn man also legal Müll illegal entsorgen möchte, täuscht man so eine Sauberkeitsaktion an, holt sich orangene Müllsäcke von denen, füllt sein Zeug rein und stellt es an Bushaltestellen ab. So kann man sich Müllgebühren sparen. So richtig schützt das System auch nicht gegen Missbrauch.

Es erzeugt aber viel Arbeit für Leute, die sich etwas einbringen wollen. Man muss es mal in Relation sehen: Wenn jemand Müll wegwerfen möchte, dann tut die Person das einfach. Zack, fallenlassen, fertig. Als ob das irgendwann mal sanktioniert werden würde; durch wen denn in diesem effektiv rechtsfreien Raum? Wenn ich den Müll aber sammeln möchte, so muss ich dafür ein Formular ausfüllen und spezielle Müllsäcke abholen. Kein Wunder, dass so gut wie niemand den Müll aufhebt.

Einfach mal machen

Ich war dann so frei und habe auf eigene Faust den Müll in einen kleinen blauen Müllsack gesammelt. Da habe ich so gut eine Stunde gesammelt und bin durch die Böschung am Bach gestiefelt. Dabei musste ich total aufpassen nicht in Hundescheiße zu treten. Die liegt nämlich immer am Wegesrand. Hier räumen die Leute das auch nicht weg, wenn das klar in der Tretminenzone liegt. Man lernt ja deswegen die Wege nicht zu verlassen. Ich habe mir aber nichts eingetreten.

Das traurigste Ding war die Pflanze, die durch das Spielzeugauto gewachsen ist. Die konnte ich da auch nicht mehr befreien, ich hatte kein Werkzeug dabei.

Danach hatte ich einen kleinen blauen Müllsack voller Müll. Und noch einen Besenstiel, ein Teil von einer Holzpalette und eine Druckflasche, möglicherweise mit Lachgas. Erstaunlich, was da alles so in der Böschung und dem Fluss lag.

Den Müll habe ich einfach privat entsorgt. Das erschien mir hier deutlich einfacher als mir erst diese Müllsäcke zu besorgen.

Danach sah das schon deutlich besser aus und ich habe nicht mehr das Gefühl durch eine Müllkippe zu spazieren.

Zwei Tage später war ich wieder dort, da lagen schon drei weitere Plastikverpackungen auf dem Weg. Es wäre naiv anzunehmen, dass die Leute plötzlich damit aufhören, nur weil es jetzt plötzlich sauberer ist als vorher. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis es diesen Zustand wieder erreicht.

Reaktionen der Leute

Das ist dort eine Ecke, an der relativ viele Leute vorbeikommen. Die meisten haben mich gar nicht wahrgenommen. Wahrscheinlich haben sie mich einfach für einen Hausmeister oder so gehalten. Bei diesen ganzen Wohnanlagen kümmern sich immer Externe darum, dass das Treppenhaus gewischt wird und die Mülltonnen rausgestellt werden. Das mag zu einer gewissen Distanzierung zum direkten Umfeld führen.

Die ersten, die mich ganz neugierig angesprochen haben waren ein paar kleine Kinder auf Fahrrädern. Die waren ganz erstaunt darüber, dass da einer mit Müll unterwegs ist. Die waren aber noch zu klein um so richtig zu verstehen, was da passiert, glaube ich.

Ein paar Teenagerinnen gingen vorbei und als sie sich außer Hörweite glaubten meinte die eine zur anderen »ein Wunder, dass dass überhaupt jemand den Müll wegmacht«. Ich höre da heraus, dass sie diesen Zustand hingenommen haben und diese Stelle einfach vermüllt ist, kann man nichts machen. Ich war da lange auch bei. Da komme ich bestimmt auch wieder an, wenn sie in zwei Wochen wieder so aussehen sollte. Beim Straßenverkehr habe ich ja nach mehreren Jahren Engagement auch resigniert.

Später sprach mich eine ältere Frau an, sie meinte diese Handlung würde »mich ehren«. Es hat mich gefreut, dass doch noch jemand etwas positives sagt. Wir haben dann etwas resigniert darüber gesprochen, wie rücksichtslos ein hinreichend großer Anteil der Bevölkerung ist und somit das Zusammenleben aller beeinträchtigt.

Weiteres Müllsammeln

Die Tage darauf habe ich das auch noch an anderen Stellen gemacht. Dabei habe ich dann nur eine 10 l Mülltüte genommen. Dann habe ich nur gesammelt, bis die voll war. Solche kleinen Mülltüten kann man einfach in den Mülleimer an einer Bushaltestelle stecken. Das ist dann wenig genug, dass es den normalen Leerungsplan der Mülleimer nicht beeinträchtigt. Und ich kann den Müll recht schnell wieder loswerden und muss ihn nicht den ganzen Spaziergang herumtragen.

Kurze Zeit später

Vier Tage später bin ich dann dort wieder vorbeigekommen. Und es lag schon wieder ernüchternd viel Müll. Ein paar Eindrücke:

Das meiste sind Zigarettenpackungen, deren Plastikhüllen und die Stummel selbst. Es ging ziemlich schnell, dass es dort wieder »vermüllt« aussieht.

Weitere vier Tage später habe ich die Stelle erneut betrachtet. Da lag dann noch viel mehr Müll herum. Auch in den Bach haben sie viel Zeug geworfen. Diese große Holzlatte ist auch spektakulär. Wer schleppt so etwas bis dort hin, um sie dann genau in den Bach zu werfen?

Auf der anderen Seite ist der nächste Luftballon. Scheint so ein Lachgas-Hotspot zu sein dort.

Das ist echt deprimierend.

Für die Zukunft

Interessant finde ich die Parallelen zwischen Müll und illegalem Gehwegparken. Beides stört mich beim Spazieren im Quartier, beides sind Ordnungswidrigkeiten. Bei den Autos kann man aber noch etwas machen, weil die Nummernschilder haben. Manchmal erreicht man auch etwas, meist stellt aber nur eine andere Person ihr Auto dort hin. Die Reaktionen der Leute sind aber gänzlich unterschiedlich. Wenn jemand Müll sammelt, kann man die Person ignorieren, die stört ja nicht. Wenn jemand aber Autos fotografiert, dann wird man in der Freiheit Ordnungswidrigkeiten zu begehen eingeschränkt. Da werden Leute dann schnell renitent. Einsicht habe ich da bisher selten erlebt.

Jedenfalls stellt Müllsammeln die Möglichkeit dar etwas zu tun, ohne dass man sich mit anderen Leuten anlegen muss. Man kann einfach etwas positives tun. Es hat allerdings das Risiko, dass man dann nur noch mehr auf herumliegenden Müll achtet und es einen immer mehr stört. Und auch dass man sich persönlich angefasst fühlt, wenn beim nächsten Spaziergang da wieder Müll liegt. Da dies schon nach wenigen Tagen der Fall ist, fühlt es sich an wie eine Herkules- und Sisyphusaufgabe gleichzeitig.

Angesichts der schnellen Wiedervermüllung sehe ich ehrlich gesagt keinen Sinn darin, an diesen Stellen aufzuräumen. Ich habe es jetzt versucht, es ist aber vergebene Mühe.