Zu viel Empörung
Auf Mastodon (und früher auf Twitter) folge ich diversen Leuten, die gerne mit dem Fahrrad fahren. Und viele davon beschweren sich über unzureichende Infrastruktur, aggressive Autofahrer und andere Aspekte wie kleine Auszüge an Bahnsteigen. Das ist auch alles sehr verständlich, wenn man selbst ein bisschen mit dem Fahrrad unterwegs ist.
In letzter Zeit merke ich aber, wie mir dieser Umgang damit nichts mehr bringt. Anfangs fand ich es noch gut zu spüren, dass es Gleichgesinnte gibt. Ich bin nicht der einzige, dem es so geht. Manchmal gab es dann auch noch Tipps, was man machen kann.
So habe ich in den letzten Jahren viele Anfragen an Städte geschickt, zweimal Klage eingereicht, über den Radentscheid an vielen Treffen mit der Stadtverwaltung teilgenommen. Auch ein Strafverfahren wegen Nötigung habe ich absolviert.
Die Resultate sind überschaubar. Ja, es gibt jetzt mehr Fahrradstraßen in Bonn. Es gibt einige Umweltfahrstreifen. In einzelnen Straßen wurde das Parken auf dem Gehweg neu geordnet. Aber am Ende bleibt Radfahren eher mühsam und vor allem der Aggressivität der Autofahrer ausgesetzt.
Die Verkehrswende ist etwas, das merkt man mit der Zeit, was von mächtigen Leuten blockiert wird. In der Verwaltung warten einige Führungskräfte augenscheinlich darauf, dass die CDU wieder den Bürgermeister stellt. Während der Radentscheid unentgeltlich in der Freizeit tagt und wir über dreistellige Beträge für Aktionen diskutieren, kann die IHK für ihre Kampagne einfach einen sechsstelligen Betrag aus den Mitgliedsbeiträgen nehmen.
Das, was ich in sozialen Medien wahrnehme, ist Hilflosigkeit. Und diese findet in diesem Medium keine Auflösung. Im kleinen gegen die Verwaltung hilft nur die Klage gegen konkrete Dinge. Das erfordert Sachverstand und Zeit, was mit beides fehlt. Für konstruktive Maßnahmen braucht es die Lokalpolitik. Dafür braucht man Zeit und Fingerspitzengefühl in Politik, fehlt mir auch. Und für die ganz große Dinge braucht es die Landes- und Bundespolitik, da bin ich schlicht komplett raus. Das geht anderen Leuten bestimmt auch so. Und so trifft man sich.
Aber es bleibt irgendwie keine Selbsthilfegruppe aus der etwas entsteht, eher ist es eine Selbstbestätigung in der Hilflosigkeit. Und damit wird es irgendwann zu einer gelernten Hilflosigkeit. Man zeigt sich gegenseitig Fotos und Videos davon, wie furchtbar es ist. Aber man hat verinnerlicht, dass man nichts machen kann.
Dann frage ich mich aber, wozu es dient. Und es verbessert die Infrastruktur nicht. Es führt dazu, dass man den Frust, den man Zuhause hat, auch noch Zuhause im Handy hat. Und dann nimmt es eher Spaß am Radfahren.
Nur noch über gute Dinge berichten ist wohl auch nicht die Lösung. Aber ständig Probleme ohne Lösung zu sehen tut mir auch nicht gut. Im Radverkehr gibt es aber ganz viele Probleme ohne Lösung. Und sie nicht mehr sehen geht auch nicht.
Ich weiß auch nicht, was der beste Umgang mit dem allen ist. Aber beständige Empöhrung ist kein nachhaltiger Zustand.