Zentrale Warteliste für Impfungen

Bei allem Respekt für die Entwicklung und Logistik der Impfstoffe, hätte man es bei der Terminvergabe echt besser machen können.

Zuerst hatte man diese Priorisierungsgruppen, das war gut. Wie genau man jetzt besonders gefährdete Personengruppen definiert, ist mir für diese Überlegung egal. Da wird es immer Einzelfälle geben, bei denen das nicht ganz hinhaut, aber trotzdem schien das erstmal eine gute Sache zu sein. Dann hat man die Gruppe 3 ganz aufgebläht. Dass die Leute aus den Lebensmittelläden dort eine Impfung bekommen sollten, finde ich sehr richtig. Aber dann hat gefühlt jeder im Bekanntenkreis eine Bescheinigung für Gruppe 3 bekommen. Ich habe eine als Wahlhelfer bekommen, die Mitarbeiter*innen und Student*innen der Uni Bonn haben alle eine, die Beamten im höheren Dienstgraden bestimmter Behörden auch. Am Ende war Gruppe 3 so groß, dass wieder nur Teile dieser Gruppe Termine bekommen haben. Man hätte es ehrlicher 3a, 3b und 3c nennen sollen.

Dann habe ich zwei Optionen für einen Termin: Impfzentrum oder Hausarzt. Und über die Webseite des Landes NRW werden die Termine für das Impfzentrum nicht nach Warteliste verteilt, sondern man bucht sich einen freien Termin. Sind keine Termine frei, so kann man auch nichts buchen. Jetzt werden aber Termine immer wieder abgesagt. Diese werden angeblich um 22:00 Uhr zur Verfügung gestellt. Man kann also jeden Abend um die Uhrzeit am Computer sitzen und schauen, ob man einen der zurückgegebenen Termine ergattern kann. Wer sich hier mehr Mühe gibt, bekommt also möglicherweise einen Termin.

Im Impfzentrum wird nur mRNA-Impfstoff verimpft, die Hausärzte haben zu Anfang meist nur einen Vektor-Impfstoff gehabt. Das erscheint mir auch sinnvoll, da die nicht stark gekühlt werden müssen und die Logistik in einem Impfzentrum durch die Zentralisierung besser sein kann. Jetzt haben die Hausärzte dann doch mRNA-Impfstoff bekommen.

Wahrscheinlich weil sie die Gruppe 3 viel zu groß gemacht haben, haben sie jetzt die Priorisierung komplett aufgehoben. Dadurch ist aber noch nicht mehr Impfstoff dort. Letztlich wird der vorhandene Impfstoff dann komplett undurchsichtig verteilt. Und das halte ich für total unnötig.

Ich bekomme im Bonner Impfzentrum (WCCB) aktuell keinen Termin, da die dort nur Zweitimpfungen machen. Daher habe ich mich bei einer Hausärztin am neuen Wohnort angemeldet und auf die Warteliste setzen lassen. Da die Praxen aber unterschiedlich beliefert werden, unterschiedliche Leute darauf stehen und abgearbeitet werden, haben Bekannte und Kollegen teilweise bei anderen Ärzten schon früher einen Termin bekommen. Und manche Arztpraxen bieten sogar explizit Impftermine für nicht-Patienten an. Bei je mehr Praxen ich mich anmelde, desto wahrscheinlicher komme ich an einen Impftermin.

Und so fördert das ein insgesamt nur negatives Verhalten. Impfwillige telefonieren also alle Arztpraxen in der Nähe ab, um noch einen weiteren Platz auf den Wartelisten zu bekommen. Die Arzthelfer*innen haben wahrscheinlich dauernd klingelnde Telefone und kommen zu sonst nichts in der Praxis. Zwar sind aktuell Infekte durch das Maskentragen weniger häufig, aber das gleicht das nicht aus. Weil nicht zentral festgehalten wird, in wie vielen Arztpraxen man sich angemeldet hat, gewinnt die Dreistigkeit.

Darüber hinaus gibt es dann noch diverse Einschränkungen für die Impfstoffe, die sich mit der Zeit auch ändern. Zuerst sollten die älteren Menschen kein Vaxzevria (AstraZeneca) bekommen, dann wegen den Thrombosen gerade die. Später kam dann Janssen (Johnson & Johnson), das aber nur für Leute über 40 angedacht war. Die Lieferquoten ändern sich auch, sodass gewisse Abwägungen dann auch immer aktualisiert werden müssen.

Ich hätte ja jeden zugelassenen Impfstoff genommen, bei allen meinen bisherigen Impfungen hat das auch wunderbar geklappt. Da habe ich mir noch nie bezüglich Risiken Gedanken gemacht, der Nutzen hat für mich immer klar überwogen. Jetzt will man mir aber keinen Vektor-Impfstoff geben, weil ich eine erbliche Blutgerinnungsstörung habe. Laut meiner laienhaften Recherche ist der Thrombosemechanismus durch Impfung von dieser Veranlagung unabhängig, allerdings scheinen mindestens zwei Ärzte damit nichts zu tun haben zu wollen. Das ist dann auch okay, also muss ich auf einen mRNA-Impfstoff warten.

Was mich dabei aber frustriert ist dass das in der Zuteilung nicht brücksichtigt werden kann, da das alles so ad-hoc funktioniert. So hat im Bekanntenkreis jemand einen Termin für Vaxzevria bekommen. Etwas vor dem Termin kam noch ein Anruf und es wurde die Option gegeben auf Janssen zu wechseln. Dann kurz vor dem Termin wurde dieser abgesagt, weil die Praxis demnächst kein Vaxzevria mehr bekommt. Es gab dann einen Termin für Comirnaty (Biontech/Pfizer) in der folgenden Woche. Parallel hätte ich in einer anderen Praxis einen Termin für Janssen haben können, jedoch ist das dann wegen der Erbkrankheit geplatzt. Hätte man das zentral organisiert, so hätte man einfach tauschen können.

Ich frage mich, warum wir keine zentrale Warteliste haben. Dort trägt man sich mit seinen persönlichen Daten ein und kann noch diverse Ausschlusskriterien für verschiedene Impfstoffe angeben. Jede Arztpraxis, die eine Lieferung bekommt, kann sich dann von der zentralen Warteliste genau so viele Patienten geben lassen, wie sie versorgen kann. Ist die nächste Nachbarschaft schon abgedeckt, dann wird der Suchradius eben vergrößert. Das ganze hätte man auch schon mit den Daten der Krankenversicherungen machen können; falls Datenschutz ein Problem ist dann halt selbst eintragen lassen. Das ganze dann auch telefonisch ermöglichen, damit die Menschen ohne Internetzugang nicht abgehängt werden. Für alle anderen könnte man das sogar mit der Corona-Warn-App koppeln und dort seinen Impftermin beantragen.

So würde man diesen »Impftourismus« vermeiden, die Arztpraxen müssten nicht ständig Impftermine vergeben. Als Bürger könnte man sogar eine grobe Wartenummer bekommen, sodass man sich ein bisschen darauf einstellen kann. Man wüsste auch, dass jeder an die Reihe kommt und man nicht aktiv überall anrufen muss.

Insgesamt kann ich mich nicht beschweren. Ich kann und darf von Zuhause arbeiten, muss mich um niemanden kümmern, habe keine Exposition außer beim Einkaufen. Ich finde es sehr beachtlich, dass innerhalb eines Jahres viele Impfstoffe entwickelt und in Masse produziert worden sind. Es ist auch ein nicht zu verachtendes logistisches Werk, die ganzen Impfstoffe in alle Praxen des Landes zu bekommen, und das mit enormer Kühlung. Meine Kritik fällt eher in meinen Bereich, die Softwareentwicklung. Und da hätte man sich doch besser anstellen können.