Widerstand gegen Fahrprüfungen für Ältere zeigt Alternativlosigkeit

Dass die Politik so viel Widerstand gegen Fahrtüchtigkeitsprüfungen für ältere Menschen hat zeigt mir die Ernsthaftigkeit der Autoabhängigkeit und dass es keinen Plan für eine Alternative gibt. Das wird noch für alle ziemlich bitter werden.

Das Lebensmodell der Boomer-Generation sah so aus, dass sie mit 17 Jahren den Führerschein machen und ab 18 dann mit dem eigenen Auto frei durch die Gegend fahren können. Irgendwann kauft man sich dann einen tollen Wagen oder bekommt einen Firmenwagen. Aber es geht jedenfalls nur aufwärts mit Status und Autos.

Bis man endlich 18 ist, fährt man Roller oder muss eben mit dem Bus fahren. Aber das erträgt man, weil mit 18 endlich die Automobilität anfängt.

Der Teil der Geschichte geht ja auch ganz gut auf. Aber nun werden die Boomer älter und haben zum Teil Probleme mit Wahrnehmung und Motorik. Das ist für das Autofahren schlecht, weil es dort auf Reaktionsfähigkeit und Kontrolle ankommt. Tja, und was macht man dann?

Jeder Mensch wird irgendwann im Leben den Punkt erreichen, an dem Autofahren nicht mehr möglich ist. Da das aber meist ein schleichender Prozess ist, kann man keinen genauen Zeitpunkt benennen. Allerdings ist der Ausstieg aus dem Autofahren irgendwann endgültig, da hat man seine letzte Fahrt gemacht und das Auto abgemeldet. Dazu muss man sich aber bewusst entscheiden.

Ich habe einige Kandidaten kennengelernt, mit denen ich nicht mehr Auto fahren wollte. Die sind selbst aber noch munter Auto gefahren, wollten auch kein Einsehen haben. Denn sobald man nicht mehr mit dem Auto fahren kann, hört das Bedürfnis nach Mobilität ja nicht mehr auf. Man muss dann auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Und genau da ist das Problem: Jedes andere Verkehrsmittel ist weniger bequem.

Hat man einmal den körperlichen Zustand erreicht, bei dem Autofahren nicht mehr geht, gehen andere Dinge auch nicht mehr. Fahrradfahren braucht Gleichgewicht, da haben Schwerhörige ein Problem. Zu Fuß ist je nach Entfernung kein Ersatz, womöglich sind die Knie auch schon verschlissen. Mit dem Bus kann man machen, sofern ein Bus fährt. In vielen Siedlungen außerhalb von Städten gibt es aber kein nennenswertes Angebot mehr.

Wenn ältere Leute darüber nachdenken, wie sie ohne Auto unterwegs wären, kommt Angst auf. Und das eben zurecht. Denn gerade die Erwachsenen der letzten Generationen haben ja alles darauf ausgelegt, dass man mit dem Auto überall hinkommt. Und dass das Auto das bequemste und teilweise einzige Verkehrsmittel ist. Man wollte überall parken, ganz viel Stadtraum für das Auto haben. Und dann wird man selbst aus dieser Welt ausgeschlossen und soll mit dem Bus fahren wie ein Schulkind?

Nein, das kann nicht sein. Die Welt ist ohne Auto nicht machbar. Und weil man das Auto braucht, die Gesundheit aber nachlässt, darf das nicht gekoppelt werden. Wenn man den alten Leuten ihre Führerscheine lässt, können sie noch weiter von der traurigen Welt der anderen Verkehrsmittel ferngehalten werden. Wir haben halt keinen Plan für die Mobilität von in zersiedelt lebenden alten Menschen. Mit dem Bus kommt man bei weiten Einfamilienhaussiedlungen nicht weiter. Taxen sind zu teuer. Radwege wollte man nicht, man wollte Parkplätze. Und so muss es das Auto sein, auch wenn es nicht mehr geht.

Solange Deutschland also derart autoabhängig ist, wird es keine Tauglichkeitsprüfungen geben. Denn sobald man die einführen würde, wären sehr viele Leute plötzlich gestrandet. Da nimmt man lieber in Kauf, dass halt hier und da mal jemand angefahren wird. Oder in Schaufenster gefahren wird.

Und solange wir das Luftschloss »autonomes Fahren« vor uns haben, brauchen wir uns auch gar nicht im die Probleme mit den Lösungsmöglichkeiten der Gegenwart zu kümmern. Wir müssen nur noch ein bisschen durchhalten und Auto fahren, auch wenn man fast nichts mehr sieht und hört. Man kennt ja die Strecken, was soll da schon passieren?