»Wenn doch einfach nur alle«
Immer wieder lese ich "wenn doch alle einfach nur". Das ist ein verlockender Gedanke. Aber er bringt nichts.
Neulich las ich "Lösungen, die 'wenn sie einfach nur' enthalten, sind keine Lösungen" und habe darüber ein bisschen nachgedacht. Es stimmt leider einfach.
Schaue ich mich um, so gibt es ganz viele Probleme, die sich dadurch lösen würden:
- Wenn alle Leute einfach nur ihren Müll in öffentliche Mülleimer werfen oder mit nach Hause nehmen würden, wäre es überall viel sauberer.
- Wenn alle Leute auf der Autobahn möglichst exakt 120 km/h fahren würden, wäre es angenehmer für alle.
- Wenn in der Bahn die Leute nicht im Mehrzweckabteil die Sitze blocken würden, habe es genug Platz für Fahrräder.
- Wenn alle Leute weniger Fleisch essen würden, hatten wir weniger Probleme mit Nitrat im Grundwasser.
- Wenn alle Leute mehr mit dem Fahrrad fahren würden, dann wäre es für den Radverkehr angenehmer und auch weniger Stau auf dem Fahrbahn.
- Wenn alle Leute Zuhause bleiben würden, wenn sie krank sind, wären Ansteckungsketten direkt unterbrochen.
- Oder wenn sie zumindest eine Maske tragen würden, wenn sie krank sind, wäre allen geholfen.
- Wenn sich alle Leute kleinere Autos kaufen würden, hätten wir auf gleichem Raum mehr Parkplätze.
- Wenn alle mit der Bahn fahren würden, gäbe es keine Inlandsflüge mehr.
Man kann die Liste endlos fortsetzen. Und die Dinge stimmen alle. Aber die sind eben nicht erreichbar.
Warum machen die Leute den Dinge, die keinen Sinn ergeben? Warum laufen Leute ohne Maske herum, warum kaufen sie Unmengen Grillfleisch? Weil es geht, weil es für sie mehr Vorteile als Nachteile hat. Jede Person macht einzeln Entscheidungen und hat eben die eigenen Auswirkungen im Blick.
Und wenn ich für eine einzelne Reise Bahn und Flugzeug vergleiche, ist das Flugzeug meist schneller und günstiger. Ich wäre irrational, wenn ich die Bahn nehme. Und entsprechend muss man sich wundern, dass überhaupt Leute mit der Bahn fahren. Ich kann es inzwischen gut verstehen, wenn man angesichts der Deutschen Bahn lieber fliegt.
Einzelne Personen können mit ihrem Verhalten sich wenig bewirken. Von daher bringt es nichts auch aufzuopfern. Ja, vielleicht hat es eine Vorbildwirkung, aber wahrscheinlich freut sich nur eine andere Person über das günstige Flugticket.
Das eigentliche Problem sind die individuellen Vorteile und die vergesellschaftlichten Nachteile. Es braucht entsprechende Politik, die Verordnungen macht, damit sich das umkehrt. Es braucht eine Bepreisung von Kohlendioxid, damit klimafreundliche Produkte günstiger werden. Damit Bahnfahren günstiger als Fliegen wird und Radfahren attraktiver als Autofahren.
Wir haben aber ein politisches Klima, in dem "mehr ich vom wir" ein ernster Wahlspruch sein könnte. Leute wollen nicht bevormundet werden. Sie wollen "Freiheit", also eher Egoismus.
Da sich das politische Klima eher Richtung Egoismus verschiebt, sehe ich einfach keine Mehrheit für gesellschaftlich sinnvolle Dinge, bei denen die einzelnen Personen bereit wären zurückzustecken.
Gut, dann tun wir halt nichts für den Klimawandel und entlasten die Gutverdiener. Dann kaufe ich mir von dem erlassenen Steuern einer Klimaanlage und eine (private) Elementarschadenversicherung. Soll wohl so.