Warum sollte ich in die Stadt fahren?
Die Lokalzeitung bringt immer wieder Artikel, dass irgendwelche Geschäftsleute bestimmte Dinge von Verwaltung oder Politik wollen, damit die Innenstadt belebt, oder zumindest ihr Sterben verlangsamt wird. Meist geht es darum, dass es mehr Fahrspuren für Kraftverkehr und mehr Parkplätze geben soll. Mir erscheint das immer ein bisschen bekloppt, fahre ich doch nie mit dem Auto in die Innenstadt. Aber ich merke, dass meine Begeisterung für die Innenstadt deutlich nachgelassen hat. Die Gründe dafür möchte ich hier einmal erkunden.
Wenn ich aktuell ins Bonner Zentrum fahre, dann meist, weil ich einen festen Termin habe oder etwas bestimmtes kaufen möchte, oder etwas essen möchte. Termine zum Beispiel: Sport, Treffen mit dem Radentscheid. Das sind Dinge, da würde ich eben hinfahren, wo auch immer die sind. Manchmal gehe ich vor dem Tanzen noch etwas in der Stadt essen, das kann nett sein.
Explizit in die Stadt fahren um zu essen würde ich eigentlich gerne öfter machen, aber der Weg ist so mühsam, sodass wir das meist gar nicht machen, wenn wir nicht schon in der Stadt sind. Hier würden nicht mehr Parkplätze für Autos oder ein Cityring die Attraktivität verbessern, sondern bessere und breite Radrouten die Attraktivität für mich massiv steigern.
Dazu kommt dann noch die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. Wo kann man denn dort mal sitzen, ohne irgendetwas zu konsumieren? Es gibt zwar einiges an Gastronomie, aber wenn man nur kurz mal Sitzen möchte, dann gibt es dazu so gut wie keine Möglichkeit. Und dann ist auch die Frage, wo man gerne sitzt. Am Friedensplatz ist es so ganz nett, aber durch die ganzen Busse schon ziemlich laut. Die Friedrichstraße ist ganz nett zum Sitzen, aber nicht zum Bummeln. Da die Oxfordstraße aktuell keine nennenswerte Fahrradinfrastruktur hat, fahren viele mit dem Fahrrad durch die Friedrichstraße. Das macht keinen Spaß, für niemanden. Der Beethovenplatz ist noch ganz okay, die Hofgartenwiese ist eigentlich ganz nett. Also bis auf die B 9, die für hinreichend Lärm sorgt. Am Alten Zoll ist es noch schlimmer, da mag ich mich gar nicht so recht aufhalten. Das Rheinufer ist vielleicht bald okay, aber da kommt man aus der Innenstadt auch nicht mal so eben hin.
Bleibt noch das Einkaufen. Es gibt ein paar Geschäfte, die sich nur im Zentrum einer Stadt halten können, der größere Asia-Supermarkt, gewisse Spezialgeschäfte, Juwelier zum Beispiel. Für Bekleidung gehe ich auch gerne in die Stadt, weil ich Anprobieren von Handschuhen da deutlich besser finde, als im Internet zu bestellen. Ansonsten ist es aber ziemlich dünn. Modegeschäfte haben irgendwie alle das gleiche Zeug, aber dann wieder zu wenig Auswahl für mich. Und wenn ich irgendwas langweiliges wie schwarze Socken brauche, dann sehe ich nicht ein, dafür in die Stadt zu fahren, weil die Aufenthaltsqualität nicht dazu einlädt.
Die Stadt scheint aber mit ihrem Parkraumkonzept auf dieses »schnell rein, schnell raus« ausgelegt zu sein. Es geht um Leute, die eine nervige Anfahrt hatten, unkompliziert Parken wollen und dann nur schnell irgendwas abgreifen wollen, ohne sich dabei in der Stadt aufhalten zu wollen. Und ganz ehrlich, da spare ich mir dann doch lieber die Anfahrt und Enttäuschung über kleines Sortiment und bestelle dann im Internet. Denn wenn ich weiß was ich möchte, dann brauche ich nicht mehr Stöbern.
Beratung ist durchaus etwas, das ich gerne mitnehme, wenn ich es bekommen kann. So finde ich es angenehm im Inter Sport die Unterschiede der Fahrradhandschuhe erklärt zu bekommen und das passende Modell direkt mitnehmen zu können. Wenn ich aber ein neues Handy kaufen möchte, werde ich bei Mediamarkt wahrscheinlich nicht fündig. Die haben dann irgendwie eine für mich nicht nachvollziehbare Auswahl dort, die für mich aber wahrscheinlich nicht passt. Beratung kann man da knicken. Ich machte mal den Fehler und wollte mir Einzelteile für einen Computer bei Conrad kaufen. Ich wollte ein Mainboard mit AM3+-Sockel und ECC-RAM kaufen, der Verkäufer wusste nicht, was das ist. Ich bin mit ihm die Mainboards dann durch und habe ihm erklärt, was das so bedeutet. Am Ende hatten sie gar kein für mich passendes Produkt da. Im Internet war das ganze in fünf Minuten erledigt.
Und dann gibt es noch diese ganzen Spam-Geschäfte, bei denen es Handyverträge und -hüllen gibt. Endlos viele, und ich frage mich, wie die sich finanzieren. Die haben auch alle nichts da. Ich suchte mal einen Akku für ein Motorola Moto G5. Hatte niemand da, habe alle abtelefoniert. Was helfen mir da zehn Handy-Doktoren?
Man muss einfach sehen, was der stationäre Einzelhandel nicht kann, aber Onlinehändler ganz einfach: Sortiment und Preisvergleich. Wenn ich ein obskures Produkt möchte, oder ein ganz spezifisches ganz billig, dann bin ich als Kunde online immer im Vorteil. Da nützt es auch nichts, dass sie mir im Laden irgendwas bestellen können, dann muss ich ja noch einmal dorthin fahren. Da kann der Einzelhandel noch viele Parkplätze haben, das wird der nicht gewinnen können.
Beratung ist je nach Thema ganz gut, oder halt furchtbar. Da kann man vor Ort richtig Glück haben, oder aber online mit diversen Testberichten besser bedient sein.
Was der stationäre Einzelhandel mit einer passenden Innenstadt aber können könnte, wäre ein Einkaufserlebnis schaffen. So eines, dass man sich »einen schönen Tag in der Innenstadt« machen kann. Da plant man dann Vormittags etwas einkaufen zu gehen, etwas zu Mittag zu essen, und noch ein paar mehr Dinge mitzunehmen. Sich inspirieren zu lassen. Das Treiben in der Stadt beobachten. Und da sehe ich viel verschenktes Potential.
Ich hätte gerne mehr Bänke, um mal eine Sitzpause zu machen. Seriöse und saubere Schließfächer, in denen ich meine bisherigen Einkäufe und Fahrradtaschen lagern kann. Sichere Abstellanlagen für Fahrräder (wird besser). Mehr Grünflächen. Sinnvolle Erreichbarkeit mit dem Fahrrad, insbesondere von Beuel aus kommend. Sinnvolle Radwege in und um die Innenstadt, sodass man nicht wie in der Friedrichstraße so ein Chaos hat.
Bis dahin ist meine Begeisterung für die Innenstadt nur so mittelmäßig, und ich fahre halt nur hin, wenn ich muss. Anders wäre mir das schon deutlich lieber, aber anscheinend seitens der Wirtschaft nicht gewollt.