Wahl-O-Mat Analyse zur Bundestagswahl 2025

Nun haben wir wieder Wahlen mit Wahl-O-Mat, da habe ich die Daten einmal in meine Analyse geworfen.

Wie bei allen Wahlen stellt die Bundeszentrale für Politische Bildung den Wahl-O-Mat zur Verfügung, so auch für die Bundestagswahl 2025. Diese Daten habe ich wieder in meine Analyse geworfen. Hier sind die Ergebnisse.

Schauen wir uns zuerst einmal die Fragen an und wie die Parteien dazu geantwortet haben:

Das ist erstmal ziemlich wuselig. Die Partei »Verjüngungsforschung« hat anscheinend nicht teilgenommen.

Korrelation der Fragen

Viele der Fragen gehen in ähnliche oder exakt gegenteilige Richtungen. Dies kann man in der Korrelationsanalyse gut sehen. Dunkelgrün ist eine starke Korrelation, dunkles Magenta ist eine starke Antikorrelation.

Und hier findet man schon einige Knaller:

  • Mit 78 % Korrelation ist die Fragen nach Pro-Kernkraft und Kontra-Klimaneutralität verbunden. Parteien, die für Kernkraft sind, sind meist gegen Klimaneutralität. Das ist bemerkenswert, weil Kernkraft-Fürsprecher:innen meist die CO₂-Neutralität in den Vordergrund stellen. Den Parteien, denen Klimaneutralität wichtig ist, scheint Kernkraft allerdings unattraktiv. Das entlarvt, zumindest in unserem Parteienspektrum, dieses Argument.
  • 65 % Korrelation ist zwischen Kontra-Klimaneutralität und Pro-Abweisungen an Grenzen. Man muss sich anscheinend über Klimaneutralität und Folgen wie Massenmigration wenig Gedanken machen, wenn man die Geflüchteten einfach an der Grenze abweisen kann.
  • 89 % Korrelation zwischen dem Wunsch Abtreibungen durch notwendige Beratung zu erschweren und dem Festhalten an der Formulierung »Verantwortung vor Gott« im Grundgesetz. Das ist nicht wirklich überraschend.
  • 77 % Korrelation zwischen Kontra-Abreibungen und Pro-Schuldenbremse. Das ist auch schon interessant.
  • Die 73 % Korrelation zwischen Pro-Abweisungen und Kontra-Abtreibungen finde ich zynisch. Man möchte das ungeborene Leben mehr schützen als jenes von Geflüchteten? Entspricht jetzt nicht meinem Wertekompass.
  • 82 % Korrelation zwischen Pro-Abweisungen und dem Umlegen der Grundsteuer auf die Mieter. Das Umlegen der Grundsteuer ist ja nur für Vermieter interessant, also für Grundbesitzer. Und die scheinen dann auch keine Geflüchteten haben zu wollen. Ich bin wohl ein untypischer Vermieter, wenn es mir am Ende egal ist, ob ich die Grundsteuer weitergeben kann oder nicht. Ob ich die in die Kaltmiete reinrechne oder in die Nebenkosten macht für mich keinen Unterschied. Zumindest solange, bis die Grundsteuer erhöht wird. Und da sehe ich als Vermieter einfach das finanzielle Risiko bei mir, dass der Mieter nicht plötzlich mehr bezahlen muss.
  • 62 % Korrelation zwischen der Pro-»Verantwortung vor Gott« mit der Sanktionierung von Bürgergeldempfänger:innen. Aber das passt irgendwie. Ich habe mal einen Ausschnitt aus einer Talkshow gesehen, in der der CDU-Politiker Hirte gefragt wurde, was für ihn christliche Werte seien. Und er nannte zuerst das »Leistungsprinzip«. Ich bin ja kein Christ (mehr), aber Leuten das Existenzminimum kürzen erscheint mir einfach unmenschlich.
  • 79 % Antikorrelation zwischen Gesichtserkennung an Bahnhöfen und direkten Arbeitserlaubnissen für Geflüchtete. Aha, man möchte den Geflüchteten nicht erlauben zu arbeiten (was das Risiko für Kriminalität erhöht), sorgt sich aber um Kriminalität. Das erscheint mir auch ziemlich wenig durchdacht.
  • 100 % Korrelation zwischen Klimaneutralität und Projekten gegen Rechtsextremismus. Jede Partei, die sich gegen Klimaneutralität ausspricht, spricht sich auch gegen Finanzierung von Projekten gegen Rechtsextremismus aus. Das ist echt eine Botschaft.
  • 87 % Antikorrelation zwischen Schuldenbremse und Anhebung des Spitzensteuersatzes. Jene Parteien, die »Besserverdiener« ansprechen wollen, sind für die Schuldenbremse. Ist wahrscheinlich einfach so ein Links-Rechts-Ding.
  • 88 % Antikorrelation zwischen Abweisungen an Außengrenzen und der Einhaltung von Menschenrechten in Lieferketten. Wie zynisch kann man sein? Zuerst will man im Ausland nicht auf Menschenrechte achten. Und wenn die Leute dann zu uns kommen, weil man mitverantwortlich ist ihr Land auszunehmen, dann will man sie abweisen. Das ist entlarvend.
  • 84 % Antikorrelation zwischen Kernkraft und Bürgerversicherung (Abschaffung der privaten Krankenversicherung). Das ist an sich erwartbar. Bei Kernkraft geht es nicht um Strom, es geht um Umverteilung vom Staat zu einzelnen Unternehmen. Und genauso bei der privaten Krankenversicherung. Beides ist »Mehr Ich vom Wir«.
  • 87 % Korrelation bei Mietendeckel und Mindestlohnerhöhung ist jetzt nicht wirklich überraschend.

Da haben wir uns nur einmal kompakt die Antworten der Parteien angeschaut und direkt richtig viel über die politische Situation lernen können.

Korrelation der Parteien

Wir können uns dann noch die Korrelation der Parteien anschauen, welche Partei antwortet wie andere Parteien?

Da ist oben links so eine Ecke ein Block aus fünf Parteien, die besonders eng miteinander korreliert sind. Da sind die mir richtig unsympathische AfD zusammen mit der Werte Union und noch so weiteren Parteien, die ich nicht kenne.

Unten rechts gibt es dann so einen Block aus links-grünen Parteien. Interessant ist die hohe Korrelation zwischen SPD und Grünen mit 83 %.

Unten am linken Rand (oder gleichwertig rechts an der oberen Kante) kann man sehen, wie stark die AfD mit anderen Parteien antikorreliert. Die AfD öffnet wirklich ihre ganz eigene Richtung.

Hauptkomponentenanalyse

Die Position einer Partei wird definiert durch die Antwort auf ungefähr 30 Fragen. Das sind etwas viele Parameter, mit der Hauptkomponentenanalyse können wir die zwei prominentesten Dimensionen identifizieren. Damit können wir die Parteien zweidimensional anordnen:

Diese Karte zu interpretieren braucht etwas Zeit. Parteien, die hier nebeneinander sind, sind sich ähnlich. Man erkennt gibt die links-grünen Parteien, die diesmal oben rechts gelandet sind. Union und FDP sind recht nah beieinander, Freie Wähler sind auch da. Die AfD ist deutlich abgesetzt.

Aber was bedeuten diese beiden Richtungen? Schauen wir uns einmal an, welche Fragen eine Partei auf der links-rechts Achse des Diagrams platziert. Wenn der Balken nach rechts zeigt, dann führt eine Zustimmung zur Aussage zur einer Platzierung auf der rechten Seite.

Die Achse nach rechts wird vor allem durch diese Kriterien vermittelt:

  • Erhalt Lieferkettengesetz
  • Spitzensteuersatz erhöhen
  • Alle in die gesetzliche Krankenversicherung
  • Schiene vor Bahn
  • Gegen Abweisungen
  • Gegen Kernkraft
  • Strafbare Schwangerschaftsabbrüche auch ohne Beratung
  • Gegen fossile Heizungen
  • Gegen Schuldenbremse
  • Pro zweite Staatsbürgerschaft

Mir fällt es echt schwer, dem einen kohärenten Namen zu geben. Meine erste Assoziation ist "Menschlichkeit" im Sinne der Empathie gegenüber Mitmenschen, Erhalt der Lebensgrundlage des Planeten, Menschenrechte.

Die zweite Richtung wird durch diese Aussagen aufgespannt. Parteien sind weiter oben, wenn sie folgendes wollen:

  • Militärische Unterstützung der Ukraine
  • Militärische Unterstützung von Israel
  • Fachkräfte aus dem Ausland anwerben
  • Gegen Volksentscheide auf Bundesebene
  • Projekte gegen Rechtsextremismus
  • Strompreissubventionen
  • Gegen 35-Stunden-Woche
  • Klimaneutralität

Diese Achse erscheint mir deutlich einfacher zu sein: Das ist geopolitische Strategie. Alle diese Dinge setzen auf eine friedliche Weltordnung, in der ein aggressives Russland zurückgewiesen werden soll. In der wir heimische Unternehmen genauso mit staatlichen Subventionen internal konkurrenzfähig halten, wie es andere Staaten auch machen. Zudem wir über die Klimaneutralität versuchen relevant in neuen Technologien und unabhängig von russischen Gasimporten zu werden und bleiben. Volksentscheide sehe ich ehrlich gesagt nur als populistisches Mittel, das man dann für so etwas wie das »Referendum« zum Anschluss der Krim an Russland missbrauchen kann.

Ich persönlich sehe mich daher im Diagram rechts oben. Und, letztlich keine Überraschung, sind dort Grüne und SPD zu finden. Das sind auch die Parteien, die mich am meisten ansprechen. Die Linke ist im Diagram zwar auch rechts (pro »Menschlichkeit«), aber nur so auf halber Höhe. Die Linke scheint geopolitisch keine klare Position zu haben sondern auch einer russischen/chinesischen Weltordnung nicht zu verschließen. Und das ist auch genau mein Problem mit den Positionen dieser Partei. Dass es im Diagram so schön sichtbar ist, macht es umso befriedigender für mich.

Dass die MLPD (Marxistisch Leninistische Partei Deutschland) so weit unten ist, verwundert bei dem Namen überhaupt nicht. Die Basis ist da aber ganz unten, und das erscheint mir nach den Inhalten auf den Plakaten auch wenig verwunderlich.

Man sieht in dieser Achse auch, was Union und FDP von der AfD trennt. Beide sind zwar links im Diagram (Raubtierkapitalismus auf Kosten des Planeten), allerdings sind Union und FDP ganz oben und somit führend was die Geopolitik angeht. Die AfD ist da noch ein bisschen tiefer als Die Linke. Dass Die Linke da aber nur minimal besser ist als die AfD erklärt auch meine Vorbehalte gegen Die Linke, obwohl sie bezüglich Sozialpolitik noch mehr hat, als die Grünen.

Das BSW ist recht mittig, etwas versteckt hinter der Gerechtigkeitspartei. Es ist also bezüglich Geopolitik ähnlich zu sehen wie AfD oder Die Linke. Bezüglich Menschlichkeit ist es allerdings näher am links-grünen-Spektrum als an dem Raubtierkapitalismus von AfD, Union und FDP.

Koalitionen

Für eine Koalition braucht es Gemeinsamkeiten. Parteien mit vielen Gemeinsamkeiten werden in der Hauptkomponentenzerlegung nah beieinander sein. Man man sich hier also anschauen, welche Koalitionsverhandlungen naheliegend sind und wo Probleme bleiben werden.

Union und FDP liegen nah beieinander, das könnte letztlich ein Selbstläufer sein. So, wie sich die FDP aktuell an die CDU ranmacht, ist das wohl auch der Plan. SPD und Grüne sind sich auch sehr nah, die halte ich auch für sehr kompatibel. Allerdings wird das nicht für eine Mehrheit reichen.

Schaue ich (Stand 07.02.2025) in die Koalitionsmöglichkeiten nach Umfrageergebnissen, kommen nur Union, AfD, SPD und Grüne in den Bundestag. Dann gibt es vier Möglichkeiten überhaupt auf eine Mehrheit zu kommen:

  • Union und AfD: Das wäre im Diagram die linke Hälfte. Das kann man machen. Man ist sich bezüglich Raubtierkapitalimus und der Ablehnung von Einwanderung einig. Man muss allerdings bezüglich Geopolitik eine gemeinsame Linie finden, das wird wirklich schwierig werden. Die Union möchte Raketen stationieren und Taurus an die Ukraine liefern, die AfD möchte das überhaupt nicht.
  • Union und SPD: Das wäre dann die obere Hälfte. Einig bei Geopolitik, uneins bei Sozialem und Klima.
  • Union und Grüne: Letztlich das gleiche wie Union und SPD.
  • AfD: SPD und Grüne. Das wäre Diagonal im Diagram. Das wäre wirklich schwer, weil dann entlang von zwei Achsen über Kompromisse gesprochen werden muss, ohne dass etwas verbindet. Wird so bestimmt nicht kommen.

Nach diesen Umfragen werden Die Linke, BSW und FDP an der Fünfprozenthürde scheitern. Nehmen wir an, dass die alle drei auch noch reinkommen, wir also sieben Parteien im Bundestag haben. Dann werden die Koalitionen deutlich schwerer.

  • Union und AfD: Wie vorher auch.
  • Union, SPD und Grüne: Wäre möglich entlang der oberen Hälfte des Diagrams.
  • Union, SPD und Die Linke: Da Die Linke eher weiter unten ist, täte sich die Spannung mit Geopolitik auf. Eher unwahrscheinlich.
  • Union, SPD und BSW: Ähnlich wie mit Die Linke, Geopolitik wird schwer. Man hat ja auch schon in Thüringen, Sachsen und Brandenburg gesehen, wie das BSW gegen die Stationierung der Raketen ist.
  • Union, SPD und FDP: Das wäre auch machbar am oberen Rand, dann wohl eher den Schwerpunkt bei der Union im Gegensatz zum Konstrukt Union, SPD und Grüne.
  • Union, Grüne und FDP: An sich auch möglich, wobei sich Grüne und FDP ja schon echt zerstritten haben.

Es bleibt also ziemlich spannend. Die entscheidende Frage wird sein, ob sich die Koalition entlang der linken oder oberen Hälfte des Diagrams finden wird. Die Abstimmung der Union (und FDP) mit AfD hat ja gezeigt, dass sie bereit sind in dieser Richtung zusammenzuarbeiten um gegen Migration vorzugehen. Ob sie Kompromisse bei Migration machen, damit sie nicht in geopolitische Merkwürdigkeiten kommen, bleibt abzuwarten. Denn die erste Hauptrichtung ist ja Migration, Menschenrechte, fossile Energie. Das Thema scheint alles zu dominieren. Dass die AfD bezüglich Geopolitik und Klima nicht dazu passt, ist eventuell nur zweitrangig.