Verkehr Muss Ressourcenintensiv Bleiben

Verkehrspolitisch scheint Deutschland das Problem einer sehr großen Automobilindustrie zu haben. Sehr viele Arbeitsplätze sind vom Automobilbau abhängig. Jetzt in der Corona-Kriese ist natürlich auch diese Industrie betroffen, da viele Leute in ungewissen Zeiten kein Auto kaufen. In den Nachrichten liest man aktuell eine Diskussion über Kaufprämien für Neuwagen. Und dabei sollen dann auch noch eigentlich veraltete Antriebsarten gefördert werden.

Aber selbst das reicht anscheinend noch nicht, um die Nachfrage und damit den Fluss des Geldes zu sichern. Jetzt wurde auch noch vorgeschlagen dass man erst einmal einen Verbrenner leasen soll, und dann noch ein Elektroauto kauft:

Aber emissionsarme Benziner und Diesel sollten nicht ausgeschlossen sein. Möglich sei auch eine Brückenlösung: "Wer sich heute verpflichtet, in zwei Jahren ein E-Auto zu kaufen, könnte jetzt ein attraktives Leasing-Angebot für einen modernen Benziner oder Diesel bekommen", so Weil. — ARD Tagesschau, 27.05.2020

Natürlich wird das Leasing-Auto dann weiterverkauft. Aber mir erscheinen zwei Jahre als Nutzungszeit für ein Auto absurd kurz. In meinem Bekanntenkreis sind es eher so mindestens 10 Jahre. Das ganze erinnerte mich an »Schöne neue Welt« von Aldous Huxley. Dort gibt es recht am Anfang diese Stelle hier:

‘Strange,’ mused the Director, as they turned away, ‘strange to think that even in Our Ford’s day most games were played without more apparatus than a ball or two and a few sticks and perhaps a bit of netting. Imagine the folly of allowing people to play elaborate games which do nothing whatever to increase consumption. It’s madness. Nowadays the Controllers won’t approve of any new game unless it can be shown that it requires at least as much apparatus as the most complicated of existing games.’ He interrupted himself.

Hintergrund zum Buch

Der Director leitet die Menschen-Zuchtstation und gibt gerade eine Führung durch die Anlage. Our Ford ist Henry Ford, der die Fließbandfertigung eingeführt hat und somit das neue Zeitalter in der Fertigung eingeläutet hat. Im Buch wird er als Messias gefeiert. Controllers bilden die Weltregierung.

Auch beim Transport wird in der beschriebenen Welt nicht gespart. Die niederen Kasten fahren mit Zügen, die höheren Kasten bewegen sich mit Hubschraubern durch die Städte. Ganz Teams von Hubschraubermechanikern bekommen so einen Job. Das Ziel der Weltregierung ist Vollbeschäftigung.

Wir haben das Problem, dass unsere Arbeitseffizienz kontinuierlich steigt. Wenn wir das gleiche leisten wollen, müssen wir immer weniger und kürzer dafür arbeiten. Gerade in der Landwirtschaft ist das im Kontrast von Dreschflegeln und einem großen Mähdrescher wunderbar zu sehen. Nun müssen die Leute aber dann immer weniger arbeiten. Es ist jedoch nicht effizient jeden ein paar Minuten den Mähdrescher fahren zu lassen, vielmehr fährt den einer, ein paar wenige konstruieren diese Dinger und alle anderen haben nichts zu tun. Da wir aber kein bedingungsloses Grundeinkommen haben, wären all diese Leute arbeitslos und als nutzlos stigmatisiert.

Um bei steigender Produktivität Vollbeschäftigung zu halten, muss man immer mehr produzieren, selbst wenn es eigentlich sinnlos ist. Und das ist in der Dystopie wunderbar ausgeführt. Es wird keine Sportart zugelassen, die nicht noch mehr Produktionskapazitäten bindet.

Beim Transport scheinen wir in Deutschland das gleiche zu haben. Unser Wirtschaftssystem ist so abhängig von der Vollbeschäftigung, dass wir alle möglichst kompliziert zu bauende Autos fahren müssen. Wir können es uns anscheinend nicht leisten, mit dem Fahrrad zu fahren. So betrachtet ist die Entwicklung zu immer größeren und schwereren Autos gar nicht so überraschend und die logische Konsequenz. Es müssen auch immer wieder neue Funktionen geschaffen werden deren Lebenszeit deutlich unter der des Autos ist, z.B. Entertainment.

Vielleicht bin ich auch einfach nur naiv bezüglich Wirtschaft, wenn mir das alles ziemlich absurd erscheint.