Unglaubliche Agressivität seitens Autofahrenden
Im Straßenverkehr geht es mitunter sehr rau zu. Hat man kein Auto als Panzer, ist man dem recht hilflos ausgesetzt.
In den letzten Jahren hatte ich viele Situationen, in denen ich als Radfahrer meine Rechte nicht leichtfertig abgeben wollte. Häufig klappt es ganz gut, teilweise rasten Autofahrer*innen aber auch regelrecht aus.
So hatte ich mal einen, der ausgerastet ist weil er mich in einer schmalen Straße nicht überholen konnte. Das wurde dann kurz handgreiflich und mündete dann in ein Strafverfahren. Das wurde allerdings eingestellt, also außer Stress und Kosten für meine Anwältin ist da nichts passiert.
Dann hatte ich auch mal Wohnmobilfahrer, der das Teil auf den Gehweg gestellt hatte. Der ist auch ausgerastet und bedrohte mich. Das war dann ganz knapp unter der Schwelle zur Strafbarkeit, sodass ich dort höchstens eine Ordnungswidrigkeit hätte anzeigen können.
Neben diesen Situationen hatten ich noch weitere. So hatte ich mal einen Autofahrer fotografiert, der mit seinem Auto den kompletten Verkehr in einer Engstelle aufgehalten hat. Der wartete da geduldig auf einen Parkplatz, und mit ihm die Passiere von zwei Bussen und noch diverse weitere Leute in Autos und auf Fahrräder. Der schien auch ein eher cholerischer Typ zu sein, der daraufhin zu einem Rundumschlag unter der Gürtellinie ansetzte. Er erzählte mir etwas von »Charakterkrüppel«, sprach mir meine Männlichkeit ab und noch einige weitere Dinge.
Im Internet geht das munter weiter. Da wird man gerne auch als »unmännlich« dargestellt, wenn man mit dem Fahrrad fährt. Besonders hübsch war dieser Spruch: »Martin schreibt über Verkehr, hat aber selbst keinen«. Das Menschenbild, das dahinter steckt, finde ich auch sehr besorgniserregend.
Von anderen Leuten habe ich Geschichten gehört, die ich eigentlich so nicht erleben möchte. So wurde eine Person beim Linksabbiegen mit dem Fahrrad sehr gefährlich von einer Autofahrerin geschnitten. Das ganze hat sie dann zur Anzeige gebracht. Die Täterin hatte anscheinend schon einen ganzen Katalog an anhängiger Verfahren, und auch schon durchaus mal den einen oder anderen Zeugen oder Ankläger zuhause besucht und bedroht. Das sind Leute, mit denen will man wirklich nichts zu tun haben.
Jemand anderes erzählte mir von einer haarsträubenden Situation. Er fuhr mit dem Fahrrad und wurde im Kreisverkehr mit nur einer Handbreit Abstand überholt. Verständlicherweise rief er laut. Der Autofahrer, kurz vorher anscheinend noch jede Sekunde sparen wollen, hielt an, setzte rückwärts auf den Schutzstreifen. Dann stieg er aus und es wurde trotz Videoaufnahme schnell sehr brenzlig. Glücklicherweise gab es keine Schlägerei, es war aber kurz davor.
Solche Situationen wecken bei manchen den Wunsch das ganze zu Filmen. Aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass Filmen alleine keinerlei Schutz bringt. Man muss die Sache dann auch anzeigen. Und dann wird es unangenehm: Weil es ja ein Verfahren ist, muss man seinen Namen und Adresse angeben. Während eine brenzlige Situation an sich anonym ist, so muss man für eine Strafanzeige seine Karten auf den Tisch legen. Die beschuldigte Person kann dann über Akteneinsicht an diese Daten kommen und halt Dinge tun, wie gewaltbereite Personen so tun. Im schlimmsten Fall bleiben sie dann noch genau unter der Schwelle der Strafbarkeit. Man kann nichts dagegen machen, wird aber trotzdem eingeschüchtert.
Von daher habe ich das Filmen eingestellt, die Videoaufnahmen sind aus diesen Überlegungen nicht wirklich verwertbar. Das Filmen selbst ist aber viel Aufwand. Und dazu noch die ganzen Probleme mit dem Datenschutz.
Es ist letztlich eine Bankrotterklärung, aber ich versuche es inzwischen einfach nicht mehr eskalieren zu lassen. Wenn irgendwo jemand den Gehweg zuparkt und ich behindert werde, mache ich meist kein Foto mehr. Wenn ich einige hundert Meter entfernt bin, rufe ich vielleicht mal beim Ordnungsamt an. Im fließenden Verkehr rede ich es mir selbst schön mit »ist ja nichts passiert« und der Hoffnung die gleiche Person eh nie wieder im Verkehr anzutreffen. Selbst wenn ich einen knappen Überholvorgang komplett ahnden lassen könnte und die Person daraus lernen würde, so würde mich halt der nächste knapp überholen.
Es ist wie auf dem Pausenhof: Man versucht einfach nicht hervorzustechen. Die meisten Leute sind ja ganz freundlich oder zumindest nicht gewaltbereit. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass jemand der wie ein Arschloch parkt, auch ein Arschloch ist, ist einfach höher als bei einer repräsentativen Stichprobe der Bevölkerung. Somit ist es einfach gefährlich sich mit denen anzulegen.
Eigentlich sollte ich mir diese Gedanken gar nicht machen müssen. An sich ist Verkehrsüberwachung eine hoheitliche Aufgabe. Die Polizei und die Ordnungsämter sollten das kontrollieren. Es kann nicht sein, dass der Straßenverkehr ein rechtsfreier Raum ist, in dem gewaltbereite Arschlöcher einfach tun können, was sie wollen.
Aber auch hier haben haben wir mal wieder zu wenig Personal, sodass das nicht geleistet werden kann. So stand in der Tagesschau:
Bei der Polizei sei die Personalknappheit besonders im Bereich der Verkehrsüberwachung offensichtlich, sagte GdP-Vize Mertens den Funke-Zeitungen. Den Polizeibeamten sei es nicht mehr möglich, flächendeckend das Einhalten der Verkehrsregeln zu kontrollieren.
"Die Folge ist ein deutlich verringertes Entdeckungsrisiko, was sich auf die Einhaltung der Verkehrsregeln und vor allem in der Unfallstatistik negativ auswirkt."
Und damit sind wir also auf einem Pausenhof ohne Aufsicht. Manchmal fühlt es sich auch so an, wie Gefängnisduschen in US-amerikanischen Filmen darstellt werden.
Von daher versuche ich im Straßenverkehr nicht allzu sehr aufzufallen und versuche lieber Kommunen dazu zu bringen, geschützte Radfahrinfrastruktur zu bauen, damit ich möglichst wenig Arschlöchern ausgesetzt bin.