Twitter hinter Paywall

Als Teil der großen Abrissparty bei Twitter hatte Musk noch mit dem Gedanken gespielt, Twitter komplett hinter eine Bezahlschranke zu packen. Ich fand den Gedanken gut, aber wohl nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Soziale Medien mag ich inzwischen nicht mehr wirklich. Twitter war noch deutlich erträglicher als Facebook, aber je nach Ecke konnte das auch ziemlich toxisch sein. Generell habe ich zwei große Kritikpunkte an dieser Art von sozialen Medien.

Das eine ist der Dopamin-Kick, den wir aus den Benachrichtigungen bekommen. Oh, ein Like! Und schon wird Dopamin ausgeschüttet. Das ist ein sehr mächtiger Wirkmechanismus im Gehirn. Allerdings haben wir schnell das Problem, dass wir zu kurzfristig motiviert werden. Es folgt ein Nachgeben in dieses kurzfristig erfüllende Verhalten. Für mehr zu diesem Thema siehe zum Beispiel das schöne Buch von Lembke1. Durch die schnellen Antworten und Reaktionen auf Beiträge haben wir auch einfach Stress. Und chronischer Stress ist einfach richtig schädlich, siehe Sapolsky2.

Wir bleiben bei diesem Suchtverhalten, weil wir als Gesellschaft einen vernachlässigenden Umgang mit Mentaler Gesundheit haben. Dabei sollte es eigentlich zum Grundwissen zur eigenen Psyche gehören, dass wir bei so etwas verwundbar sind, siehe Smith6. Die sozialen Netzwerke nutzen mit ihren Benachrichtigungsmechanimen genau diese Schwächen aus, und machen uns Abhängig.

Das führt dann zu weiteren Problemen, weil wir Menschen soziale Wesen sind. Es ist ganz normal, dass wir uns nicht einsam fühlen wollen. Wir wollen aber auch Kontrolle haben. Und soziale Netzwerken bieten auf eine perfide Art genau diese Kombination an. Wir können jederzeit irgendjemand finden, der auf unsere Beiträge reagiert. Und wir können aber jederzeit eine Unterhaltung verlassen, wenn sie uns nicht gefällt. Somit werden wir dann »zusammen einsam«3.

Um nicht in dieses Loch zu fallen, sollte man sich wieder mehr mit einzelnen Menschen in Echtzeit unterhalten, siehe Turkle4. Das kostet Kraft, und es ist am Anfang ungewohnt. Es macht einen verwundbar, aber gerade das macht diese Unterhalten so viel wertvoller als die oberflächlichen Streicheleinheiten, die man sich auf sozialen Netzwerken abholen kann. Und somit schlägt Lanier5 vor, die Accounts dort zu löschen.

Falls Musk Twitter hinter eine Paywall setzen würde, so müssten viele Leute ihr Nutzungsverhalten überdenken. Es ist zwar fraglich, ob sie sich dann alle diese Gedanken machen würden, oder einfach nur zu Facebook und Instagram wechseln. Ich sehe aber auch ein bisschen die Chance, dass wir ein bisschen aus diesem Loch herauskommen und Menschen wieder ein bisschen freundlicher miteinander sprechen und nicht nur wie Smartphone-Zombies nebeneinander beim Essen sitzen.


  1. Lembke, A. Dopamine Nation: Finding Balance in the Age of Indulgence. (Dutton, 2021). 

  2. Sapolsky, R. M. Why Zebras Don’t Get Ulcers: The Acclaimed Guide to Stress, Stress-Related Diseases, and Coping. (Holt Paperbacks, 2004). 

  3. Turkle, S. Alone Together: Why We Expect More from Technology and Less from Each Other. (Basic Books, 2011). 

  4. Turkle, S. Reclaiming Conversation: The Power of Talk in a Digital Age. (Penguin Books, 2015). 

  5. Lanier, J. Ten arguments for deleting your social media accounts right now. (Henry Holt and Company, 2018). 

  6. Smith, J. Why Has Nobody Told Me This Before? (2022).