Tschüss überteuerter Riester-Vertrag

Ich habe mir meinen Riester-Vertrag nochmal angeschaut und fühlte mich extrem verarscht. Den habe ich jetzt auf Eis gelegt. Hier einmal die Rechnungen, die ich angestellt habe.

Die Notwendigkeit privater Altersvorsorge kann man schlecht leugnen. Die gesetzliche Rente wird deutlich unter dem sein, was man aktuell als Gehalt bekommt. Es ist also durchaus sinnvoll Geld für das Alter zurückzulegen. Man sollte allerdings aufpassen es nicht zu übertreiben und alles auf die Rentenzeit aufzusparen, man sollte auch sein Leben genießen bevor die Gesundheit schwindet. Dazu gibt es auch ein schönes Buch1.

Möchte man dann privat für sein Alter vorsorgen, springen einen die Versicherungsmakler und Bankberater förmlich an. Fast schon übergriffig bieten sie einem Finanzprodukte von Versicherungen an, mit denen man total super für das Alter vorsorgen kann. Man hätte ungeahnte Steuervorteile und müsste so viel weniger Geld einzahlen, um trotzdem die Versorgungslücke zu schließen. Das klingt erstmal total toll. Und weil die meisten Leute nicht rechnen können, lassen sie sich überzeugen. Und auch ich, der vorgibt rechnen zu können, hat sich blenden lassen.

Das Narrativ geht ungefähr so: Wenn du einfach nur Geld auf ein Sparbuch legst, dann frisst die Inflation es auf. Wenn du es selbst in einen Aktienfonds packt, dann will der Staat am Ende 25 % Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag darauf haben. Damit spart man zwar, allerdings nimmt der Staat einem dann 26 % wieder weg. Legt man es jetzt allerdings in einem Riester-Vertrag an, so kann man es von seinem Bruttoeinkommen ansparen. Das bedeutet, dass man netto viel weniger bezahlt. Gut, dafür muss man dann in der Auszahlungsphase Steuern auf die Riester-Rente bezahlen. Da man aber in der Rente viel weniger hat, muss man auch weniger Steuern zahlen. Außerdem würde dann ja mehr Geld im Vertrag liegen, das arbeiten kann, bevor man darauf Steuern zahlen kann.

Ein weiteres Argument für Konstrukte wie die Riester-Rente ist die Ausnahme bei Hartz-4/Bürgergeld. Da sie ja als Altersvorsorge gedacht sind, werden sie nicht auf das eigene Vermögen angerechnet, falls man Leistungen beziehen muss. Gerade wenn man noch nicht viel anderes Vermögen aufgebaut hat, mag das erstmal positiv erscheinen.

Auch gibt es weitere Förderungen für Kinder. Ebenso gibt es staatliche Förderung, wenn man nicht arbeitet und nur einen Sockelbeitrag einzahlt. Somit kann sich das auch lohnen, wenn man gerade nichts verdient. Allerdings geht das nur, wenn Ehepartner ebenfalls einen Riester-Vertrag haben und dort kräftig einzahlen. So ganz geschenkt bekommt man das dann auch nicht.

Das ganze führt dann zu einer so komplexen Rechnung, dass man sie nicht mehr im Kopf anstellen lassen kann. Man fängt an sich auf die Daten aus den Verträgen zu verlassen. Und die klingen erstmal ziemlich beeindruckend.

Prognosen

Nehmen wir mal meinen Riester-Vertrag. Dort findet man im Online-Portal diese Werte:

Hier sehen wir schon ziemlich viel Problematik. Wir haben hier eine Fondsquote von nur 46 %. Das bedeutet, dass der Großteil meines Geldes auf einem Sparbuch ist. Das muss ein Riester-Anbieter so machen, weil er mir mein eingezahltes Kapital zum Renteneintritt garantieren muss. Garantien klingen erstmal gut, aber sie sind ein massives Problem. Ich habe hier ja einen Investmenthorizont von um 40 Jahren bis zur Rente. Die Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalles am Aktienmarkt über diesen Zeitraum ist sehr gering. Die Wahrscheinlichkeit unter das Einzahlungsniveau zu fallen ebenfalls. Es braucht diese Garantie nicht.

Der Gesetzgeber hat es allerdings als Teil des Riester-Gesetzes gemacht, es muss eine Garantie drin sein. Und entsprechend muss der Anbieter das kalkulieren. Dazu nimmt er den Leitzins der letzten 10 Jahre. Das war bei Vertragsabschluss ungefähr 1 %. Und nun kann man sich anschauen, wie sich etwas über 40 Jahre mit 1 % Zinsen vermehrt: 1,01⁴⁰ = 1,49. Wir haben also 49 % Rendite auf 40 Jahre, wenn wir mit 1 % anlegen. Da ist quasi kein Zinseszins mit drin. Und das bedeutet, dass wenn wir damit rechnen, wir 67 % des jetzt eingezahlten Geldes auf das Sparbuch packen müssen und nur 33 % in Aktienfonds stecken dürfen! Diese Quote verschlechtert sich, je weiter wir zum Renteneintritt kommen. Unsere Renditechancen sind also schon massiv eingeschränkt durch diese Garantie.

Mein Makler hat mir das Erklärt und aber direkt die Lösung präsentiert: iCPPI. Bei der Constant Proportion Portfolio Insurance geht man zum Teil in den Aktienmarkt rein und bleibt drin, wenn es gut läuft. Somit kann man in guten Zeiten mehr Rendite einfahren. Wenn es schlecht läuft, geht man in sichere Anlagen raus und steigt wieder ein, wenn es wieder besser läuft. Klingt erstmal plausibel, macht ein Nachrechnen allerdings unmöglich. Insbesondere da mein Anbieter davon nochmal eine besonders tolle Extravariante nutzen will.

Aber auch hier ist wieder ein Fallstrick: In der Ansparphase möchte ich bitte einen möglichst brutalen Crash haben. Die Kurse müssen erst in der Auszahlungsphase wieder hoch sein. Denn wenn die Kurse niedrig sind, kann ich günstig Anteile kaufen. Und genau das verhindert dieses CPPI-Konzept: Wenn die Anteile günstig sind, werden sie mit Verlust verkauft. Und wenn sie wieder teurer werden, wird teuer nachgekauft. Man verliert also auch noch Rendite mit diesem Konzept.

Nun schauen wir uns mal die Prognosen an. Ich rechne mal hier mit den 6 % Entwicklung, weil die gar nicht so unrealistisch sind auf 40 Jahre. Da wollen sie mir hier 207.500 EUR versprechen.

Das ist aber eigentlich irrelevant. Interessant ist nur die Rente, weil man nämlich 70 % des Kapitals verrenten muss. Zu Bedingungen, die der Anbieter vorgibt. Und bei der Rente bekommen wir das hier:

Das sind 730 EUR/Monat. Und zwar Brutto! Darauf zahlt man dann noch Einkommensteuer und Krankenversicherung. Gehen wir mal davon aus, dass ich vielleicht 2000 EUR/Monat Bruttorente bekommen werde. Dann liegen wir aktuell bei so 27 % Einkommenssteuer. Gibt man das einmal in einen Rechner ein, so werden von den 2000 EUR/Monat brutto dann 416 EUR/Monat Sozialabgaben und 108 EUR/Monat Steuern. Es bleiben 1476 EUR/Monat netto.

Nun packen wir mal die 730 EUR/Monat Riester-Rente oben drauf. Dann habe ich 2730 EUR/Monat brutto und am Ende bleiben 1902 EUR/Monat netto. Die Differenz der Nettobeträge ist dann 444 EUR/Monat, also das, was ich aus dem Riester wirklich rausbekomme. Die Steuerquote nur für den Riester sind also 40 %, das ist gar nicht mal so wenig. Und sie wird immer schlechter, je besser meine gesetzliche Rente wird.

Dagegen müssen wir rechnen, wie viel ich einzahle. Ich zahle 160 EUR/Monat in den Riester ein. Diese darf ich von der Steuer absetzen. Effektiv zahle ich nur 84 EUR/Monat netto in dieses Konstrukt ein. Nehmen wir einmal den iShares Sparplanrechner und legen diesen Beitrag über 40 Jahre an. Dann kommen wir auf diese Werte:

Wir haben am Ende dann 160.000 EUR in dem ETF. Das ist erstmal weniger als die 207.000 EUR, die laut Riester-Anbieter dann vorhanden wären. Wenn ich mir jetzt eine Nettorente von 444 EUR/Monat aus dem Teil rausziehen möchte, muss ich die Kapitalertragssteuer noch abziehen. Weil es aber ein Aktienfonds ist, gibt es eine Teilfreistellung und man landet bei nur 18 % Steuern. Somit muss ich 541 EUR/Monat aus dem ETF ziehen (eigentlich weniger, meine Einzahlungen muss ich nicht nochmal versteuern). Das sind 6497 EUR/Jahr und somit 4 %. Eine derartige Entnahmerate hat historisch nie zu einem Schrumpfen des Depots geführt! Ich hatte das einmal durchgerechnet und aufgeschrieben. Das bedeutet also, dass ich mit der gleichen Nettosparrate eine unendliche lange Rente in dieser Höhe haben kann und auch noch das Kapital erhalten kann!

Dagegen wirkt der Riester wie ein sehr schlechter Deal. Schauen wir uns nochmal den Vorteil durch die nachgelagerte Versteuerung an. Aktuell bekomme ich auf die Bruttobeiträge zum Riester von der Steuer dann 48 % zurück. In der nachgelagerten Versteuerung muss ich aber 40 % der Beiträge versteuern. So riesig ist der Vorteil dann nicht, man hat aber enorme Kosten. Beim eigenen Sparen in den ETF zahle ich 18 % Steuern auf die Gewinne zusätzlich zur Einkommenssteuer früher einmal. Man kann das also so rechnen, dass ich mit der nachgelagerten Versteuerung einen Vorteil von 8 % habe, mit der normalen Kapitalertragssteuer aber -18 %. Die Differenz sind dann 26 %, die das Depot schlechter sind. Allerdings habe ich beim Riester hohe Kosten, die das aktuell übersteigen. Dazu gleich mehr.

Wenn man sich also auf die Zahlen vom Riester-Anbieter verlässt, so erscheint mir schon jetzt ein eigenes Depot besser, weil ich danach Zugriff auf das Kapital habe und trotzdem durch Auszahlungen eine ähnlich hohe Nettozusatzrente erhalten kann.

Jahresinformationen

Schauen wir mal in die Jahresinformationen rein. Nach gesetzlichen Vorgaben müssen die Versicherungen die jedes Jahr schicken. So sieht meine letzte Abrechnung aus:

Ich habe also knapp 2000 EUR eingezahlt. Dann kommen staatliche Zulagen drauf und ein paar Zinsen. Der Fonds ist schlecht gelaufen, der hat Verlust gemacht. Und dann kommen diese horrenden Abschluss- und Vertriebskosten drauf. Und noch die Verwaltungskosten. Beides frisst deutlich die staatliche Förderung auf. An dieser Stelle kann man schon sagen, dass die Riester-Rente ein großes Schema ist um Steuergelder zu privaten Versicherungen zu verschieben. Und mein eingezahltes Geld auch noch.

Nun kann man sich alle diese Dokumente nehmen und das schonungslos in eine Tabelle packen. Das sieht dann echt düster aus:

Wirklich jedes Jahr haben die sich mit Abschluss- und Vertriebskosten sowie Verwaltungskosten bedient. Ich meine mich an eine Aussage vom Makler zu erinnern, dass nur in den ersten fünf Jahren Vertriebskosten entnommen werden würden. Aber offensichtlich ist das nicht der Fall.

Und dann kann man sich einmal die Kosten aufsummieren:

Die Kosten pro Jahr sind wirklich ekelhaft hoch. Die erste Quote sind die Kosten zu den eingezahlten Beiträgen. Da gehen einfach immer 30 % meiner Einzahlungen direkt verschwunden. Die zweite Quote sind die Jahreskosten gegen das durchschnittliche Vermögen im Vertrag in diesem Jahr. Das ist auch schon absurd hoch. Dazu kommt noch, dass der Gesamtgewinn nach Abzug er Kosten immer negativ ist. Die Gesamtrendite im Bezug auf das bisher angesparte Vermögen ist zweistellig negativ. Bitte was?

Man kann jetzt sagen, dass irgendwann ja die Zinsen das mal retten werden. Die Zinsen werden mehr, die Kosten werden aber nur unwesentlich steigen, weil sie sich hauptsächlich an den Einzahlungen orientieren. Und mit den 48 % Steuerquote kann man sich jetzt auch schönreden, dass die Rendite nach Steuern vielleicht doch noch positiv wäre.

Kosten im Vertrag

Schaut man einmal in den Vertragstext, so findet man diese ganzen Kosten für die Ansparphase:

  • 2,5 % der Beitragssumme als Abschluss- und Vertriebskosten
  • 6,5 % der Eigenbeiträge.
  • 0,16 %/a der Beitragssumme.
  • 2,5 % der Zulagen.
  • 0,3 %/a des Gesamtguthabens.
  • 2,5 % des Fondsguthaben als Absicherungskosten.

In der Rentenphase:

  • 2,8 %/a der Jahresrente.

Okay, also da gehen einfach mal 11,5 % der eingezahlten Beiträge an Kosten weg. Schaut man aber mal in die Tabelle, so sind das aber eher 30 %. Ich weiß nicht, warum ich da auf andere Zahlen komme. Vielleicht werden die Abschluss- und Vertriebskosten irgendwie nach vorne gezogen. Vertrauenserweckend ist das aber alles nicht.

Dann geht jedes Jahr nochmal 0,3 %/a des Gesamtguthabens weg. Dazu kommen noch 0,16 %/a der Beitragssumme von vielleicht 70.000 EUR weg, was pro Jahr 1.120 EUR sein werden. Das ist ebenfalls total irre.

Ich weiß echt nicht, warum ich da nicht einfach »Stop!« gesagt hatte. Aber besser spät, als nie.

Noch mehr Werbung

Interessant ist dabei noch, dass der Anbieter eine Werbeeinwilligung vermisst und mir das bei jedem Login im Kundenportal sagt:

Das hat schon einen Grund, warum ich nicht noch mehr Versicherungsprodukte haben möchte. Schon gar nicht von einer Firma, die ein »Nein« auch als solches Akzeptiert und nicht nur »Ja« und »später« als Antworten akzeptiert.

Verwaltungsaufwand

Zu all dem kommt noch der Verwaltungsaufwand auf meiner Seite hinzu. Man muss diesen Vertrag abschließen und denen immer neue Kontodaten und Kontaktdaten geben, falls die sich ändern. Man muss über Eheschließungen oder Verbeamtungen informieren. Das führt dann zu so Geschichten mit der Zentralen Zulagestelle für Altersvermögen, so man dann ebenfalls irgendwelche Formulare hinschicken muss.

Das perverse dabei ist auch, dass hier Bundesbehörden wie die Rentenversicherung, diese Zentrale Zulagestelle und die Finanzämter sich mit Riester-Renten beschäftigen müssen. Da bezahlt der Bund also Arbeitskräfte, die sich damit beschäftigen Steuergelder (also unser aller Geld) an private Versicherungen zu verteilen. Somit bezahlen auch Leute, die gar keine Riester-Rente haben, diese Versicherungen mit. Ich las mal, dass sich historisch die Aktien der einer bestimmten Versicherung besser entwickelt hätten als die Lebensversicherungen ebenjener Versicherung. Es ist ein gigantisches Umverteilungssystem von öffentlich zu privat. Gewinne privatisieren, kosten sozialisieren.

Und dann muss ich das auch noch jedes Jahr bei der Steuererklärung angeben, damit ich meinen Steuervorteil überhaupt bekommen kann. Vergisst man das, vielleicht auch weil die Makler da nicht stringent genug beraten haben, so entgehen einem jedes Jahr bis zu 1000 EUR an Steuerrückzahlung. Es ist echt wild, was da abgeht.

Fazit

Das nüchterne Durchrechnen hat mich erst stutzig, dann wütend gemacht. Und ich habe dann einfach den Vertrag auf Eis gelegt. Kündigen ist schwer, weil man dann die ganzen Förderungen wieder zurückzahlen muss. Daher ist es viel einfacher den ruhen zu lassen und nicht mehr neues Geld zu verbrennen.

Ich werde einfach mit ETFs im Depot für das Alter vorsorgen. Das ist flexibler und die Rendite besser. Zudem mache ich nicht andere Leute damit reich, sondern mich selbst.


  1. Perkins, B. Die With Zero: Getting All You Can From Your Money And Your Life. (Houghton Mifflin Harcourt, 2020).