Tempomat in Baustelle

Neulich bin ich mit dem Auto auf der B 42 Richtung Königswinter gefahren. Dort ist aktuell eine Baustelle, bei der eine Richtung komplett gesperrt ist. Man wird auf die Fahrbahn gegenüber geleitet, und dort ist dann 40 km/h die Höchstgeschwindigkeit. Es gibt nur einen Fahrstreifen.

Langweilig, wie ich beim Autofahren halt bin, habe ich den Tempomat auf 40 km/h eingestellt. Natürlich sind Tachos so konstruiert, dass sie nie zu wenig anzeigen, aber bis zu 10 % und 4 km/h zu viel. Ich könnte also 32 km/h gefahren sein. Da ich aber keine offizielle Möglichkeit habe, meine Geschwindigkeit zu bestimmen, muss es halt der Tacho sein.

Die Autos vor mir waren schneller, die hinter mir dann meine Geschwindigkeit. Es war richtig langweilig, so langsam auf einer schnurgeraden Bundesstraße zu fahren. Aber Baustellen sind gefährlicher als sonst, da muss man sich eben etwas gedulden. Nach der Baustelle kam rechts der Fahrstreifen wieder dazu. Ich habe dann wieder auf 80 km/h beschleunigt und bin direkt nach rechts. Der im SUV hinter mir beschleunigte aber noch einmal deutlich mehr, obwohl er auch die nächste Ausfahrt nahm. Es wirkte wie ein Befreiungsschlag.

Auch vor der Baustelle, als von 80 km/h auf 70, 50 und dann 40 reduziert worden ist, schienen die Leute gestresst. Ich war noch links, bin dann aber vom Gas. Rechts war auf meiner Höhe ein anderes Auto, das ähnlich verzögerte, ich konnte nicht sofort nach rechts. Bevor ich in die Lücke wechseln konnte, wurde ich noch rechts überholt von einem im großen Audi. Der wollte wohl bloß nicht hinter mir in der Baustelle sein.

Mein Unverständnis darüber, wie gestresst alle im Auto sind, habe ich auf Twitter geteilt:

Echt heftig, wie man Leute triggern kann, wenn man in einer 3 km langen Baustelle mit nur einem Fahrstreifen den Tempomat auf die vorgegebene Höchstgeschwindigkeit stellt. 😱

Die Reaktionen haben ein breites Spektrum abgedeckt, es war ziemlich lustig. Es gab viele, die es ähnlich halten, oder ähnlich irritiert sind, wenn in Baustellen zu schnell gefahren wird. Es gab auch Geschichten von Drängeln und Nötigung.

Recht viele wiesen darauf hin, dass die Tachos zu viel anzeigen, und man daher zu langsam fahren würde. Wenn man das per GPS abgleichen würde, dann würde man feststellen, wie sehr man doch alle anderen aufhalten würde. Naja, aber ist das GPS geeicht? Darf ich noch darauf verlassen? Zahlt Google Maps das Bußgeld, wenn man geblitzt wird? Und dann muss noch geklärt werden, welche Messinggenauigkeit eigentlich akzeptabel ist. Angenommen man hätte hinreichend genaue Messgeräte, wäre 39 km/h akzeptabel? Oder erst 39,5 km/h?

Andere scheinen in Bußgeldern zu rechnen. Ein bisschen zu schnell würde ja fast nichts kosten, von daher gäbe es keinen Grund, so zu schleichen. Wenn man diese Regeln als reine Schikane sieht, kann man das so machen. Aber mir erscheint durch Senkung der Geschwindigkeit eine Reduzierung der Unfallwahrscheinlichkeit sowie der Schwere der Unfälle im Vordergrund zu stehen. Der Bremsweg verlängert sich quadratisch mit der Geschwindigkeit, von daher sind kleine Übertretungen bei hohen Geschwindigkeiten besonders gefährlich.

Eine häufig ausgedrückte Stimmung ist, dass ich mich wichtig nehmen würde, dass ich so Leute ärgern wollen würde. Ich finde es erschreckend, dass das Einhalten von Regeln eine Provokation ist. Die wahrscheinlich gleichen Schreihälse, die sich über demonstrierende Aktivist*innen aufregen, weil sie sich gegen Regeln stellen, regen sich hier über jemand auf, der davon erzählt, wie er sich an Regeln hält. Klar, in beiden Fällen werden notorische Schnellfahrer*innen daran gehindert. Damit ist es dann aber auch schon als "ich ich ich" entlarvt.

Die Steigerung davon war der Typ, der behauptete, dass das Nötigung sei. Ich würde ja durch die Engstelle mit nur einem Fahrstreifen eine Macht ausüben, die anderen wären gezwungen hinter mir zu fahren. Und es gäbe da entsprechende Gerichtsurteile, die er auf Nachfrage aber nicht nennen konnte. Das hätte mich ja durchaus interessiert, wo Einhalten der Regeln vom Richter als Nötigung ausgelegt hätte.

Dann war da noch der LKW-Fahrer, der sich über Fahrer von Kleinwagen beschwerte. In den Kasseler Bergen müsste man mit dem LKW nämlich Schwung holen, um den Berg wieder zu schaffen. Dabei implizite er, dass das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit dabei ganz normal wäre. Auf diesen Widerspruch angesprochen wurde es dann schwammig mit Hinweis auf »Theorie und Praxis«. Gesetze und Verordnungen sind also nur Empfehlungen. Bei Personen auf dem Fahrrad, die gegen Regeln verstoßen, hat der LKW-Fahrer aber bestimmt kein Verständnis mehr.

Darauf angesprochen wurde es dann persönlich, dass die jungen Leute doch selbst mit Lastenrad ihr Müsli durch die Gegend fahren sollten. Wenn die Boomer erst in Rente wären, würde man die vermissen. Auch müsste man sich nicht wundern, dass man keine Fahrer mehr finden würde. Also ist Logistik nur dann ein attraktiver Beruf, wenn man nicht durch Autofahrer wie mich das Tempolimit einhalten muss? Das war mir neu.

Jemand anderes beschwerte sich über den Zeitverlust, den man durch derartiges »Trödeln« erleiden würde. Jemand anderes rechnete vor, dass es nur 20 Sekunden wären. Dann ging die Diskussion darüber weiter, ob man über die Zeit anderer Leute verfügen dürfte. Also nein, natürlich nicht. Zum Straßenverkehr gehört Geduld aber dazu. Mit der Argumentation könnte auch jede Ampel, jede Engstelle als Nötigung ausgelegt werden: Die Anwesenheit der anderen Menschen nötigt mich zum Warten.

Die Erzählung davon hat auf Twitter noch viel mehr Leute getriggert, als es wirklich vor Ort Leute gegeben hatte. Es scheint ein unglaublich polarisierendes Thema zu sein. Ich selbst finde es beim Radfahren auch lästig, wenn Leute vor mir deutlich langsamer fahren als ich, also 14 km/h gegen meine üblichen 25 bis 35 km/h. Aber dann ist das so, dauert ja nicht ewig. Im Auto ist mir das herzlich egal, ist eh alles viel schneller als mit dem Fahrrad und den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Außerdem fahre ich nicht viel mit dem Auto, weil ich es so öde finde. Die Gesamtzeit, die ich also pro Jahr im durch Geschwindigkeitsübertretungen beim Autofahren einsparen könnte, ist sehr gering. Und dass ich wenig mit dem Auto fahre ist doch gut so, dann können die Leute mit Auto immer alle zu schnell fahren und müssen sich nicht ärgern.