Straßen Privatisieren

Freie Fahrt für freie Bürger ist das Leitbild deutscher Mobilität. Es geht also um Freiheit, und die Partei mit »Frei« im Namen weiß, ist vor allem der freie Markt das für die Realisierung wichtige Element. Wie auch in anderen Lebensbereichen wird die unsichtbare Hand des Marktes aber von links-grünen Fortschrittsfeinden aufgehalten, sodass am Ende der Verkehr aufgehalten wird.

Wie bei allen anderen gesellschaftlichen Problemen ist auch hier eine Befreiung nötig. Das gesamte Straßenverkehrsnetz muss privatisiert werden, staatliche Eingriffe drastisch reduziert und somit der Markt befreit werden. Eine vollständige Privatisierung bietet zudem ungeahnte Möglichkeiten für Kapitalanleger und Investoren, sodass die private Altersvorsorge ebenfalls gestützt werden kann.

So ein abstraktes Konzept ist aber nicht genug, es müssen konkrete Ideen her. Und somit fangen wir doch einfach bei den Autobahnen an. Dort wird schon jetzt eine Maut Infrastrukturabgabe erhoben. Hier wurde schon einiges richtig gemacht, der Betrieb der Abrechnungsinfrastruktur wurde der Privatwirtschaft überlassen. Dies soll in Zukunft auch weiter exakt so gehandhabt werden. Allerdings soll die Maut für alle Verkehrsteilnehmer gelten, nicht nur für die LKW.

Und die ganze Autobahn soll privat betrieben werden. In einer Übergangsphase wird analog zu den sehr erfolgreichen 3G- und 4G-Mobilfunkfrequenzversteigerungen alle Autobahnen im Bundesbesitz versteigert. Somit können beliebig viele Firmen in den Markt einsteigen. Kleine Firmen können sich vielleicht eine kleine Verbindungsstrecke kaufen, andere Konzerne können ganze Netze kaufen. Ab da können Firmen dann selbst neue Autobahnen in Eigenregie bauen und betreiben.

Die Anbieter können sich selbst aussuchen, wer ihre Autobahnen benutzen darf. So könnte ein Betreiber die LKW ausschließen, damit Personen mit PKW ganz ungestört rasen können. Dies wäre dann eine Autobahn für Vertreter, Berater und andere Schnellfahrer. Ein anderer Betreiber könnte gerade die LKW durch geringere Maut locken, viele große Raststätten bereitstellen und so den Warenverkehr fördern. Die Art und Weise, wie die Maut abgerechnet und der Zugang beschränkt wird, ist dem Betreiber komplett freigestellt. So könnte es ein kleines Gerät für das Auto geben, das die Maut abrechnet. Oder eine Handy App, die den Aufenthaltsort des Handys an den Betreiber schickt. Dieser kann es mit den eingelesenen Kennzeichen an den Auf- und Abfahrten abgleichen und so abrechnen. Ob pro Kilometer, Stunde oder Monat abgerechnet wird, ist ebenfalls egal.

Zudem werden vom Staat keine Geschwindigkeitsbegrenzungen vorgegeben. Eine Obergrenze von 130 km/h wäre eine Wettbewerbsverzerrung und würde Autobahnen für Schnellfahrer schlechtere Bedingungen geben. Da die Unfallopfer von ebenfalls privaten Ärzten und Kliniken versorgt werden, können hier die Autobahnbetreiber und Kliniken Kompromisse aushandeln. Ebenso könnte die private Krankenversicherung der Autofahrer Aufschläge wollen, wenn Autobahnen ohne Tempolimit genutzt werden wollen. Schon jetzt haben Unfallversicherungen Klauseln gegen Autorennen, das würde sich entsprechend erweitern. Arme Leute hätten in ihrem günstigen Krankenversicherungstarif dann eine Klausel, die ihnen die Nutzung von Schnellfahrautobahnen untersagt.

Wie beim erfolgreichen Breitbandausbau auch wird es keine Anschlusspflicht oder ein Verbot von doppeltem Ausbau geben. Gerade in Ballungsregionen kann ich mir eine gesunde Konkurrenz von Anbietern vorstellen. So könnten zum Beispiel die A555 und die A59 zwischen Bonn und Köln, die auf unterschiedlichen Rheinseiten verlaufen, von zwei Anbietern betrieben werden. Die A59 ist so die langweilige langsame Autobahn, auf der die ganzen armen Berufspendler in zwei Staustreifen stehen müssen. Die Gutverdiener mit den schnellen Dienstwagen nehmen dann die drei gut ausgebauten Fahrstreifen auf der A555 in Anspruch und können den Leasingautos so richtig die Sporen geben. Zeit ist schließlich Geld, und wer mehr Geld hat, kann sich Zeit sparen.

Andere Regionen werden keine Autobahn bekommen, weil es sich nicht lohnt. Das mag der eine oder andere kommunistische Gutmensch schlecht finden, schließlich werden Teile der Bevölkerung so abgeschnitten. Aber auch das regelt der Markt! Regionen ohne Autobahnen werden unattraktiv, die Leute ziehen einfach weg. Wenn aber durch günstige Mieten mehr Leute zuziehen, dann lohnt es sich für einen Betreiber auch der Bau der Autobahn.

Bei der ganzen Anzahl der Betreiber kann man dann aber auch schnell den Überblick verlieren. Auch hier darf der Staat nicht regulierend eingreifen. Dies muss ähnlich gemacht werden wie den Streaminganbietern: Die Verbraucher können ganz frei wählen, bei wem sie einen Mautvertrag abschließen. Jeder Anbieter hat unterschiedliche Autobahnen im Angebot, andere Kostenstrukturen und eigenen Kundendienst. Es ist gut möglich, dass Autofahrer ein gutes Duzend Apps auf ihrem Handy haben müssen, damit sie alle Autobahnen nutzen können. Hier sehe ich auch schon Vergleichsportale entstehen, die den Nutzern ein optimales Vertragspaket zusammenstellen und dafür von den Anbietern Provision bekommen.

Für Neukunden sollte genauso wie bei Stromanbietern ein Neukundenrabatt gegeben werden. So kann es am Ende günstiger sein, jedes Jahr die Autobahnfirma zu wechseln und seine Routenplanung entsprechend anzupassen. Auch durch einen Umzug kann man seine Mobilitätskosten senken. So regelt der Markt dann direkt die Stadtentwicklung. Vergleichsportale können Erinnerungen zum Anbieterwechsel schicken.

Verschiedene Anbieter können auch noch virtuelle Vertriebsgesellschaften bilden, genauso wie beim Internet und Mobilfunk auch. So können die einzelnen Autobahnbetreiber dann den Direktvertrieb an einen Vertrieb abgeben und entsprechend nur ein Vorleistungsprodukt anbieten. Vom der Vertriebsfirma wird dann ein Nutzungsentgeld berechnet.

Isolierte Autobahnen nützen den Autofahrern nicht ganz so viel. Hier wird sich dann durch entsprechende Autobahnkreuze ein Markt für Peering entwickeln, sodass Autofahrer direkt weiter auf der Autobahn fahren können. Die Gebühren dafür müssen die Betreiber entsprechend untereinander aushandeln. Für Betreiber kleiner Autobahnen kann es sinnvoll sein für den Anschluss keine Gebühren zu nehmen, damit von der großen Autobahn auch Kunden kommen. Ansonsten könnte ein Betreiber eines isolierten Stückes ganz ohne Kunden sein. Betreiber von zentralen Stücken können so in beide Richtungen die Hand aufhalten, einmal gegenüber dem Verbraucher, und auch gegenüber kleiner Autobahnbetreiber. Übertreibt der Betreiber es mit den Gebühren, so wird einfach eine zweite Autobahn parallel gebaut.

Generell sehe ich mehrere parallele Straßennetze an einigen Orten und gar keine Autobahnen an anderen Stellen. Das wird beim Internet aktuell auch so gemacht, sodass sich Städter zwischen DSL und Kabel entscheiden können, und Dörfler haben kein Angebot zur Auswahl. Da die Kunden aber zum Angebot ziehen können, funktioniert der Markt hier ausgezeichnet. Internetanbieter werden nicht gezwungen unrentable Regionen anzuschließen, und genauso sollte es auch mit den Autobahnen gemacht werden.

Bei den Autobahnen muss man aber auch nicht aufhören. Schließlich wären die bisher kostenlos betriebenen Bundesstraßen nicht nur zu Stauzeiten eine Ausweichmöglichkeit. Diese Marktverzerrung gehört abgeschafft, sodass alle Autofahrer zur Kasse gebeten werden. Denkt man dies konsequent zu Ende, müssen Fahrbahnen auf jeder Ebene privatisiert werden. Das sind nur noch mehr Möglichkeiten für die Geldanlage privater Altersvorsorger.

Manch einer wird jetzt vielleicht Sorge haben, dass sein Haus nicht mehr an eine Fahrbahn angeschlossen wird. Tja, da sieht man dann einmal, welchen Wert das ganze doch hat. Anwohner können sich überlegen, ob sie nur einen günstigen unbefestigten Feldweg zu ihrem Haus wollen, oder dann doch die Premium-Asphaltfahrbahn. Neubaugebiete werden sich nicht nur an ihren Häusern messen, sondern auch an den Fahrbahnen. Die perfekte privatwirtschaftliche Utopie.

Die Verkehrsregeln werden auch nicht weiter vorgegeben. Man darf weiterhin niemanden ermorden oder totschlagen, aber das war es dann auch. Die Versicherungsunternehmen leisten auf Betriebshöfen ja auch nur, wenn dort die StVO gilt. Ähnlich wird sich hier durch die Versicherungsunternehmen ganz empirische Tempolimits und Verkehrsregeln etablieren. Für die Benutzer ist der Flickenteppich an Regeln ja schon durch die ganzen Länderentscheidungen bei der Pandemiebekämpfung bekannt. Softwarefirmen werden Apps anbieten, die die jeweils wichtigen Regeln basierend auf dem Standort anzeigen. Autonome Autos werden auch immer wieder Regelupdates bekommen.

Das ganze machen wir dann auch mit Geh- und Radwegen. Wenn die Radfahrer schon keine Steuern zahlen, so können sie sich dann endlich mal an ihren eigenen Fahrbahnen beteiligen. Die Anbieter werden schon dafür sorgen, dass Radfahrer nicht kostenlos auf der Autofahrbahn fahren. Generell können sich die Fahrbahnbetreiber dann selbst aussuchen, wer dort fahren darf. Es könnte sein, dass Fahrbahnbetreiber die Radfahrer einfach als günstige zusätzliche Kunden auf den Fahrbahnen fahren lassen. Dabei müssen sie aber aufpassen, dass Autofahrer als Kunden nicht verloren gehen, oder sie auf ein paralleles Straßennetzwerk wechseln. Sie könnten auch Radwege bauen, sodass die Radfahrer die Autofahrer nicht behindern.

Eventuell stellt man aber auch fest, dass sich Radverkehr nicht rechnet. Die Radfahrer werden merken, dass sie nirgendwo willkommen sind und keine sinnvollen Wege nutzen können. Sie werden sich dann ein Auto kaufen und wie ganz normale Menschen am Verkehrsgeschehen teilnehmen. Möglicherweise ist aber auch die Anbindung per Fahrrad günstiger, sodass sich das als günstige Alternative ernsthaft etabliert. Es werden unabhängige Radwege geschaffen, die nicht mit dem Auto befahren werden dürfen.

Die Kontrolle von Verstößen wird privat organisiert. Anbieter können also ihre eigenen Staffeln haben, oder sie geben das ganze auf Provisionsbasis an andere Firmen oder gar Privatleute ab. Da es sich beim Verkehrsraum dann um private Flächen handelt, ist das keine hoheitliche Aufgabe mehr.

Und um das ganze abzuschließen können die Betreiber dann auch Partnerschaften mit anderen Firmen eingehen. Es wird ganz viel Werbung geben, Kombi-Pakete und diverses weitere. Auch die Autohersteller könnten Partnerschaften mit gewissen Straßennetzen machen, sich gegenseitig Kunden empfehlen und Komfortfunktionen direkt in die Fahrzeuge einbauen. Proprietäre Zusatzfunktionen auf der Strecke oder an Raststätten runden das Paket ab.

So hätten wir endlich wieder die Freiheit in der Wahl des Verkehrsmittels.