So viele Wenden gleichzeitig
Wir haben die Verkehrswende, die Heizungswende, die Antriebswende, die Russlandwende und wohl noch viel mehr. Ich frage mich, warum ich jetzt eigentlich so viele Veränderungsprozesse machen muss.
Neulich hatte ich einen Moment, da fühlte ich die ganzen Anforderungen an »meine Generation« parallel. Vielleicht ist es auch gar nicht meine Generation sondern nur die aktuelle Epoche. Vielleicht hatten die anderen Generationen und Epochen ebenfalls ihre eigenen Probleme und das aktuelle ist auch gar nichts besonderes.
Jedenfalls hat man die Auswirkungen von fossilen Kraftstoffen auf das Klima lange Zeit einfach nur ausgesessen. Eigentlich sitzt man es noch immer aus. Man weiß auch schon seit über 100 Jahren vom Treibhauseffekt und konnte sich auch schon ausmalen, wohin das führt. Seit 50 Jahren wissen die Ölkonzerne, was sie da anrichten. Aber man macht es weiter so, unterstützt es auch. Und nun ist der Klimawandel irgendwie schon greifbar. Ich schreibe das an einem 6. April, an dem wir eine Außentemperatur von 25 °C hatten. Das ist nicht normal, das ist nicht gut.
Gegen den Klimawandel muss man viele Dinge tun. Und diese fallen jetzt alle in diese Zeit. Das führt dann aber zu Umbrüchen, die nur deshalb ein Umbruch sind, weil man sie so lange ausgesessen hat. Und das geht mir ziemlich auf den Geist. Entweder ich einer der ersten, die das neue nutzen. Oder ich bin jemand, der jetzt noch wider besseren Wissens auf das alte setzt.
Autos
Nehmen wir mal das einfachste, ein Auto kaufen. Früher war das ganz einfach: Je nach Budget hat man sich ein altes oder neues, großes oder kleines Auto gekauft. Es gab einen Gebrauchtmarkt, auf dem für jedes Budget und Anforderung etwas zu finden war. Es gab auch klare Preisstrukturen, nach denen Autos mit dem Alter günstiger wurden. So konnte man planen.
Und nun gibt es Elektroautos. Eigentlich kann man keinen Verbrenner mehr kaufen, das ist klimatechnisch total bescheuert. Benzinpreise können und sollten in Zukunft steigen. Und man sollte schlicht nicht noch mehr CO₂ in die Atmosphäre pusten. Es ist ziemlich logisch, dass ein E-Auto die moderne Wahl ist. Gut, wenn man in Physik nicht aufgepasst hat, vielleicht eher weniger.
Nun gibt es aber noch keinen großen Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos. Man kann jetzt diverse Modelle der ersten Generationen (Nissan Leaf, Renault Zoe) kaufen. Da sind die Akkus aber richtig runtergenudelt, die Ladetechnik nicht mehr aktuell und auch Dinge wie Akkutemperaturmanagement nicht auf heutigem Stand vorhanden. Die Autos kann man nicht wirklich gut kaufen. Man müsste also einen ziemlich junges Gebrauchtfahrzeug kaufen. Und die sind schlicht noch sehr teuer. Das muss man sich erstmal leisten können und wollen.
Das zweite ist auch, dass aktuell eher große und teure Autos elektrifiziert werden. Man muss also letztlich ein SUV kaufen. Tesla hat hier noch eine Limousine im Angebot, bei den anderen Herstellern habe ich bisher nur Crossover gesehen. Einen klassischen Kombi gibt es bisher wohl nur von MG, da ist die Qualität aber wohl nicht so super. Man muss also eher ein Auto kaufen, was nicht ganz passt, weil sie aktuell nur die teuren Modelle als E-Auto anbieten.
Dadurch entsteht einfach eine Lücke im Markt. Und nun muss man sich entscheiden, auf welcher Seite dieser Lücke man kaufen möchte, wenn man ein Auto braucht. In jedem Fall wird es am Ende teurer oder schlecht planbar.
Heizungen
Ein anderes Thema sind Heizungen in Häusern. Man findet aktuell viele Angebote von Häusern, die noch alte Gas- oder Ölheizungen drin haben. Wenn man es wirklich ernst meint, müsste man die früher als später ersetzen. Ähnlich ist das mit Dämmung. Das sollte man auch lieber früher als später machen. Schaut man sich einmal die Häuser an, die aktuell verkauft werden, so sind die Neubauten entweder unbezahlbar teuer oder man hat aber energetische Sanierungsfälle. Man kann letztlich nicht in ein unsaniertes Haus einziehen, streichen und dann erstmal ein paar Jahrzente dort wohnen. Nein, man muss eigentlich vor dem Einzug erstmal für einige hunderttausend EUR sanieren. Somit hat man auch da wieder diese Lücke im Markt.
Als junge Familie konnte man, zumindest nach meiner Vorstellung, sich einfach ein Haus und Auto nach Budget kaufen und diese dann ohne große Vorarbeiten nutzen. Man ist nicht gezwungen ein Badezimmer zu erneuern, wenn es einem noch gefällt. Man musste die Heizung nicht austauschen, wenn sie noch lief. Man musste die Heizkörper nicht tauschen, wenn man sie nicht hässlich fand. Und nun ist es anders.
Was mich bei Häusern wirklich wahnsinnig macht sind jene Angebote, bei denen man vor dem Verkauf noch im Innenraum Dinge gemacht hat, aber energetisch nichts getan hat. Da war ein Haus mit einem Primärenergiebedarf von 350 kWh/(a m²). Zum Vergleich: mäßig gedämmte Einfamilienhäuser haben 150, gut gedämmt bringt es runter auf 50 und die tollen Neubauten runter auf 15. Dieses Haus mit 350 ist also ein besseres Zelt. Aber vor der Vermarktung hat man da noch viel Geld reingesteckt die Böden und Bäder zu erneuern. Tja, aber wenn man das dämmen möchte und auf Wärmepumpe umrüsten möchte, dann wären neue Heizungsrohe und Fußbodenheizung sinnvoll. Man müsste das also nochmal kernsanieren nach der Renovierung. Und das ist finanziell total bekloppt, weil ja die Renovierungskosten schon eingepreist waren.
Also irgendwann wird der Markt das schon regeln. Aber aktuell muss letztlich beim Eigentümerwechsel erstmal saniert werden. Und das macht den Hauskauf noch viel schwerer, als er sonst schon wäre. Früher konnte man einfach nach Lage und Zuschnitt der Zimmer kaufen. Und heute muss man auch noch für jedes Haus überschlagen, wie viel zusätzliche Kosten man durch energetische Sanierung hätte.
Altersvorsorge
Dazu kommt dann noch die Rente. In meiner Generation ist es so, dass wir einerseits einzahlen müssen. Ich zahle jeden Monat einen hohen dreistelligen Betrag in die Rentenversicherung ein. Mein Arbeitgeber ebenfalls. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass ich davon mal viel sehen werde. Ich rechne eigentlich damit, dass ich fast gar keine Rente bekommen werde und daher privat vorsorgen muss.
Eine Zahl, die immer wieder herumgereicht wird, ist die Million EUR, die man bis zum Renteneintritt auf der hohen Kante haben sollte. Das ist so pauschal wohl genauso falsch. Wahr ist allerdings, dass es ein ordentlicher sechsstelliger Betrag ist, den man haben sollte. Und den muss man sich neben allen anderen Dingen auch noch ansparen.
Für mich wäre es ja okay, wenn man die gesetzliche Rente ehrlich aufgeben würde. Dann könnte ich das, was aktuell für die gesetzliche Rente abgezogen wird, einfach in Aktienfonds anlegen. Davon hätte ich am Ende wohl mehr als das, was ich durch die Rente bekommen werde. Aber einerseits Einzahlen und nichts ausgezahlt bekommen fühlt sich falsch an.
Oder man hebt das Renteneintrittsalter so weit an, dass die Lebenswertung innerhalb der Rente so gering ist wie früher. Zwei Jahrzehnte Rente ist halt nicht finanzierbar. Wäre auch okay.
Das große Problem hier ist der demografische Wandel. Früher hatte man mal eine echte Pyramide, der Verhältnis aus Rentnern und Arbeitnehmern passte noch. Das verschiebt sich jetzt aber immer weiter, sodass diese Umlagefinanzierung einfach nicht mehr haltbar ist. Es gehen jetzt aber jedes Jahr mehr Leute in Rente, als dass Leute mit dem Arbeiten anfangen. Und die Rentner leben immer länger. Und dann passt es einfach nicht mehr.
Wohnungsmarkt
Zuletzt ist auch noch der Wohnungsmarkt total festgefahren. Die Mieten sind so stark gestiegen, dass niemand mehr umzieht. Entsprechend sind alle in unpassendem Wohnraum verhaftet. Die einen wohnen alleine in riesigen Einfamilienhäusern, andere Familie müssen auf drei Zimmern klarkommen. Würde man da entsprechend tauschen, so könnte man viel davon deutlich ausgleichen.
Das geht aber nicht, denn ein Umzug in eine vergleichbare Wohnung würde bei uns einen heftigen Anstieg der Miete bedeuten. Häufig wäre ein Umzug in eine kleinere Wohnung sogar auch mit einer höheren Miete verbunden. Von daher lohnt es sich für niemanden sich kleiner zu setzen. Und entsprechend werden zu große Wohnungen auch nicht frei.
Dazu kommt jetzt die Inflation durch den Angebotsschock durch den russischen Angriffskrieg, der die Zinsen im Euroraum hat ansteigen lassen. Im diese zu Bekämpfen hat die Zentralbank die Zinsen erhöht. Nun führt das bei einem Angebotsschock dazu, dass man sich die Dinge nicht mehr leisten kann, die Nachfrage sinkt, bis sie zum Angebot passt. Das ist ziemlich bitter, weil man sich dann eben Dinge nicht mehr leisten kann.
Nun kann man sich das Bauen nicht mehr richtig leisten. Große Gesellschaften stoppen ihre Wohnbauprojekte. Das, was uns aktuell an Wohnungen fehlt, wird uns in Zukunft weiterhin fehlen, es wird fast nicht mehr neu gebaut. Dadurch wird das Angebot im Markt nicht wachsen, entsprechend werden die Preise weiterhin sehr hoch bleiben.
Dazu kommt auch noch ein gesteigerter Raumbedarf durch das Arbeiten von zuhause aus. Damit braucht man dann bis zu zwei weitere Zimmer, damit beide Partner einen Arbeitsplatz bekommen können. Somit ist man bei Häusern dann schnell bei sechs Zimmern, die aber wirklich selten sind. Und dann sind sie einfach aufgrund der Fläche sehr teuer. Wohnungen mit sechs Zimmern findet man so gut wie nie.
Energiewende
Billiges Gas aus Russland war lange Zeit das Maß der Dinge. Das ist es nun nicht mehr. Plötzlich ist Energie wieder ziemlich teuer. Weil sich die Strompreise aber immer nach dem teuersten Kraftwerk richten, gehen die Preise eher hoch als runter. So langsam scheint es sich wieder zu stabilisieren, aber auf einem höheren Niveau.
Die Zeit, in der man Häuser nicht gedämmt hat, weil das Heizöl so billig war, sind definitiv vorbei. Aber auch in anderen Bereichen ist Energieeffizienz plötzlich das neue Maß der Dinge. So sind Dinge, die früher gut waren, heute ein Sanierungsfall. Den ganzen Umbau der Energieinfrastruktur müssen die Verbraucher natürlich auch bezahlen. Daher wird der Strompreis trotz immer geringerer Erzeugerpreise erstmal nicht sinken können.
Arbeitsmarkt
Beim Arbeitsmarkt haben wir ebenfalls einen großen Umbruch. Jedes Jahr gehen mehr Leute in Rente als Absolventen nachkommen. Somit ist zwar einerseits ein Arbeitnehmermarkt, aber so richtig funktioniert es auch nicht. Leute ohne Berufserfahrung haben es sehr schwer in die Jobs zu kommen, weil die Firmen Leute mit Berufserfahrung bevorzugen. Wenn man aber keinen ersten Job bekommt, so kann man dann auch nicht die nötige Berufserfahrung sammeln.
Ein weiterer Aspekt ist, dass man im Gegensatz zu deutlich früher nun wirklich zwei Gehälter braucht, damit man genug Geld für das Wohnen zusammenbekommen kann. Allerdings ist die flächendeckende Versorgung mit Kindergartenplätzen trotz Rechtsanspruch in der Realität nicht so, wie man das wirklich bräuchte. Und somit müssen gleichzeitig beide Partner arbeiten, aber trotzdem noch spontane oder komplette Ausfälle der Kinderbetreuung ausgleichen.
Fazit
Vielleicht ist es so, dass ich nur meine Probleme besonders wahrnehme. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass da einige Zeitenwenden gleichzeitig passieren und jede davon kurzfristig negative Auswirkungen hat, auch wenn sie langfristig positiv ist. Da sie aber alle jetzt gleichzeitig kommen, spüre ich nun alle negativen Konsequenzen gleichzeitig. Ich will nicht, dass wir mit diesen Wenden aufhören. Ich finde es nur sehr ernüchternd, dass die Gesellschaft nicht schon früher damit angefangen hat, damit es sich ein bisschen besser verteilen kann.