SMART-Ziele und die Verkehrswende

Für Projektmanagement und Zielsetzung gibt es das Konzept SMART. Ich will das einmal nutzen um zu beleuchten, welcher Aktivismus für die Verkehrswende Sinn ergibt und welcher zermürben kann.

Das SMART Konzept besagt, dass gute Ziele diese fünf Kriterien erfüllen, Text vom verlinkten Wikipedia-Artikel übernommen:

  1. Specific: Ziele müssen eindeutig definiert sein (nicht vage, sondern so präzise wie möglich).
  2. Measurable: Ziele müssen messbar sein (Messbarkeitskriterien).
  3. Achievable: Die Ziele müssen für die Person ansprechend bzw. erstrebenswert sein,zum Teil auch englisch attainable („erreichbar“) oder accepted („akzeptiert“) dann steht das „R“ für „relevant“, ursprünglich assignable, also – einem bestimmten Verantwortlichen – zuweisbar.
  4. Reasonable: Das gesteckte Ziel muss möglich und realisierbar sein.
  5. Time-bound: Das Ziel muss mit einem fixen Datum festgelegt werden können.

Und nun nehmen wir mal so Dinge, die ich mit der Verkehrswende erreichen möchte:

  • Man kann seine alltäglichen Strecken gut und sicher mit dem Fahrrad erledigen.
  • Gefährliche Querungsstellen werden entschärft.
  • Man wird nicht immer knapp überholt.

Das sind eben Ziele, die so überhaupt nicht SMART sind. Und entsprechend kann man da letztlich wenig machen. Sie sind nicht spezifisch, weil sie ein Sicherheitsgefühl betreffen. Sie sind nicht Messbar, weil das Grundproblem schon nicht quantifiziert ist. Ob sie erreichbar sind, weiß ich nicht. Jedenfalls sind sie nicht in meine Macht. Und da fängt das Problem dann an. Das Ziel ist angemessen, die Niederlande zeigen, dass es möglich ist. Und es fehlt natürlich ein Zeitpunkt.

Der Radentscheid hat konkrete Ziele gesetzt. Und zwar zum Beispiel das erste:

Bonn erhält in den nächsten fünf Jahren ein sicheres, durchgängiges Netz an Rad- und Gehwegen.

Gehen wir einmal die Aspekte durch. Ist es spezifisch? Nicht so ganz. Das genau ist sicher? Was genau ist durchgängig? Messbar ist es auch nicht. Erreichbar könnte es schon sein. Relevant ist es auch. Es ist definitiv terminiert, da steht fünf Jahre.

Das Problem ist jetzt aber, dass wir vom Radentscheid da letztlich nichts machen können. Wir können nur die Verwaltung bitten, dieses Ziel auch umzusetzen. Aber wir haben selbst keinen direkten Hebel in der Hand. Und entsprechend gibt es da keine Aktionen, die wir machen können, die uns direkt näher zum Ziel bringen. Wir können natürlich der Verwaltung helfen, aber eben auch nur, wenn sie die Hilfe annehmen können und wollen.

Ich alleine habe mit meinen diversen Problemstellen im Straßenverkehr aber so überhaupt keinen Rahmen. Die Dinge sind zwar sehr spezifisch und messbar, weil sie sich an den Verwaltungsvorschriften orientieren. Sie sind aber für mich nicht direkt erreichbar, weil ich teils sehr träge Verwaltungen überzeugen muss, das zu tun. Es gibt also niemanden, der es umsetzen kann oder will. Und damit ist das Ziel schon nicht mehr erreichbar. Möglich ist es, aber ich habe auch keine Zeit damit angesetzt.

Der Knackpunkt ist einfach, dass ich selbst da nicht direkt etwas tun kann und die Leute, die etwas tun können, nicht wollen. Es gibt also eine Lücke zwischen Können und Wollen auf beiden Seiten, jeweils entgegengesetzt. Die Leute in der Verwaltung werde ich nicht ändern können. Ich kann nur meine Seite beeinflussen.

Eine hohe Diskrepanz zwischen Wollen und Können führt dazu, dass man verzweifelt wird. Man möchte etwas tun, kann aber einfach nicht. Und dann versucht man es mit anderen Handlungen, die vielleicht noch wirkungsloser sind. Oder man versucht es noch beharrlicher.

Ich habe für mich gemerkt, dass ich dann versuche auf anderen Kanälen etwas zu bewirken. Die Stadtverwaltung stellt sich quer? Dann einen Sturm auf Social Media entfachen! Oder noch mehr Anfragen schicken! Oder das ganze mit IFG-Anfragen und Fachaufsichtsbeschwerden versuchen, vielleicht klappt das ja!

Die Antwort ist leider, dass das alles irgendwie nichts bringt. Die in der Verwaltung sind im Aussitzen sehr erprobt. Gerade die obersten Beamten haben den Spruch, dass es ihnen egal ist, wer unter ihnen Bürgermeister ist. Da gibt es in jeder Verwaltung welche, die dieses Fahrradthema einfach aussitzen, bis wieder ein vernünftiger autofreundlicher Bürgermeister kommt. Und da kann man dann auch nichts machen.

Nachdem ich jetzt 3,5 Jahre in die Kreuzung Reinold-Hagen-Straße mit B 56 gesteckt habe und es jetzt eine nur minimale Verbesserung zu vorher ist, bin ich richtig enttäuscht und frustriert. So viel Mühe für so wenig Ergebnis. Und an vielen anderen Stellen passiert gar nichts.

Ich komme mir inzwischen nur noch verarscht vor. Mein Interesse, mich mit Kommunalverwaltungen auseinanderzusetzen ist auf einem Tiefpunkt angekommen. Ich verwende meine Zeit dann lieber auf Dinge, bei denen ich wirklich etwas für mich erreichen kann: Lesen, Radfahren, Zeichnen, Blogartikel schreiben.