Radfahrer immer als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse
Neulich ist mir auf der langen Radfahrt ins Büro aufgefallen, wie Radverkehr überall nur Verkehr zweier Klasse ist. Es sind so viele Kleinigkeiten, das wird eine lange Aufzählung.
Ein Großteil meiner Strecke ist auf relativ freier Fläche zwischen den Ortschaften. Und häufig findet man an Landstraßen Bäume zwischen Radweg und Fahrbahn. Das finde ich sehr angenehm, die Bäume geben Schatten. Was man allerdings erst bei älteren Radwegen merkt ist die flache Gründung des Unterbaus. Außerdem fehlt der Wurzelschutz. In Kombination sorgt das dafür, dass auf Fahrradwegen viel schneller Wurzelaufbrüche entstehen, als auf Fahrbahnen. Siehe dazu die Kalscheurener Straße. Das erscheint erstmal wie eine Kleinigkeit. Aber es zeigt wieder klar, dass eine ebene Fahrbahn wichtiger ist als ein ebener Radweg. Manche Radfahrer fahren dann auf der Fahrbahn, weil ihnen der Radweg nicht gut genug ist. Ob die Nutzungspflicht durch die Wurzelaufbrüche erlischt, ist nicht pauschal zu sagen. Man riskiert auf jeden Fall Aggression und Gefährdung durch den Autoverkehr, schließlich sei da ja etwas, was wie ein Radweg aussieht.
Ich fahre brav diese Radwege, ist mir der Stress auf der Fahrbahn den Komfort und Geschwindigkeit nicht wert. Ich fahre langsamer, fahre kein Rennrad. Jede Wurzel schüttelt alles durch und kostet mich Geschwindigkeit. Hier merke ich immer wieder, dass mein schnelles Vorankommen nicht die Priorität hat, wie das komfortable Fahren mit dem Auto.
Eine weitere subtile Bevorzugung des Autos sind diverse Konfliktstellen. Ein Klassiker ist eine Einmündung in eine Hauptstraße. Baulich getrennte Radwege kreuzen hier die einmündende Straße. Ich habe zwar theoretisch Vorfahrt, weil der Radweg ja die Hauptstraße begleitet. In der Praxis fahren die Autofahrer aus der Nebenstraße aber bis zur Fahrbahn der Hauptstraße vor und stehen mir dann im Weg. Ich habe zwar rechtlich Vorfahrt, in der Praxis bin ich aber wieder von den Autofahrern abhängig, die nicht auf mich achten.
Noch schlimmer ist es bei linken Radwegen, die bei jeder Einmündung oder Querung eine potentielle Lebensgefahr sind, siehe Fränkische Straße.
Linke Radwege an Landstraßen führen auch zu Blendung durch den Autoverkehr. Das Abblendlicht ist so eingestellt, dass es nicht den Gegenverkehr auf der linken Seite blendet. Den rechten Straßenrand leuchtet das aber gut aus. Dumm, wenn da wie an der Brühler Landstraße der Radverkehr in Gegenrichtung fahren muss. Bei einigen Autobahnen oder Landstraßen gibt es sogar Blendschutz in der Mitte. Für den Radverkehr habe ich das bisher nicht gesehen.
Ampelphasen sind generell immer für den Autoverkehr geplant, die Radfahrer werden wie die Fußgänger geleitet, siehe Siegburger Straße. Somit hat man immer kürzere Grünphasen, teilweise funktioniert die automatische Erkennung von Fahrrädern nicht, siehe Alte Brühler Straße.
Dann gibt es noch diverse freie Rechtsabbieger, die zwar toll für den Autoverkehr sind, allerdings eine Gefahr für den Rad- und Fußverkehr darstellen. Teilweise sind die Ampelphasen darüber auch noch besonders fies geregelt, siehe Reinold-Hagen-Straße oder Roisdorfer Straße.
Bei Baustellen schaut man mit dem Fahrrad häufig total in die Röhre. Da wird dann einfach der Radweg versperrt, eine Umleitung oder Ausleitung gibt es nicht. Jüngstes Beispiel am Konrad-Adenauer-Platz, es gibt aber viele weitere nur hier im Blog. Für den Autoverkehr würde es so etwas nicht geben, da werden Umleitungen ausgeschildert und gefühlt keine Mühen gescheut.
Für den Radverkehr sind auch diverse Umwege zumutbar. An der Baustelle Bornheimer Straße wird der Radverkehr ziemlich weit umgeleitet, weil es anders nicht ginge. Auch außerhalb von Baustellen finden sich immer wieder Stellen, wo man als Radfahrer mehrfach die Seite wechseln muss. Am Beispiel Kölnstraße kann man gut sehen, wie der Autoverkehr mittig und gradlinig läuft, der Radverkehr aber nur die Restflächen bekam.
Straßen werden immer vom Autoverkehr ausgeplant, wie man an der Widdersdorfer Straße gut sehen kann. Die Fahrstreifen für den Autoverkehr laufen gerade, Rad- und Fußverkehr in Schlangenlinien auf den Nebenanlagen. Hier ist ganz klar eine Priorität zugunsten des Autos erkennbar.
Radfahrer werden häufig auch auf Gehwege geschoben, damit auf der Fahrbahn genug Platz für den Autoverkehr ist. Hier werden Radfahrer und Fußgänger gegeneinander ausgespielt, siehe Comesstraße.
Beim Aufstellen von Verkehrsschildern werden die für den Autoverkehr immer brav rechts aufgestellt. Beim Radverkehr ist man da weniger stringent, die stehen auch mal links, siehe Frankfurter Straße. Somit muss man sich immer heraussuchen, welche Schilder jetzt gelten und auch aufpassen, dass man kein Schild übersieht. Dem Autoverkehr würde man das nicht zumuten, der ist ja zu schnell unterwegs für so etwas. Als ob ich mit dem Fahrrad immer langsam unterwegs wäre …
Als wäre das noch nicht genug, gibt es immer wieder fiese Spurrillen oder Kanten, die gefährlich sein können. So die Rille in der Marcel-Proust-Promenade oder Abschnitte mit Schotter am Ottoplatz.
Abstellanlagen für Autos, also Parkplätze, findet man überall ziemlich viele. Notfalls kann man halt einfach »nur mal kurz« illegal auf dem Gehweg parken, geahndet wird das eh nicht. Gute Fahrradständer findet man hin und wieder, darauf verlassen kann man sich aber nicht. Und im Gegensatz zu einem Auto kann man ein Fahrrad auch nicht einfach so abstellen, dafür ist das Diebstahlrisiko zu hoch.
Das alles sind für sich genommen Kleinigkeiten, über die man hinwegsehen könnte. Aber sie finden sich überall und auch in Kombination. Ich kann nicht anders als hier ein System zu erkennen. Es ist überall klar ersichtlich, dass Radverkehr nur Verkehr zweiter Klasse ist. So sprechen die Behörden auch immer von »Verkehr«, wenn sie Autoverkehr meinen. Die anderen Verkehrsarten sind nicht mitgemeint.
Wenn man sich das so anschaut, wundert es nicht, dass der Radverkehrsanteil eher gering ist. Und ich fürchte, dass das auch noch eine Weile so bleiben wird. Auch wenn ich früher die Weigerung zum Radfahren eher als individuelles Problem erachtet hatte, verstehe ich jetzt wirklich, dass es ein systematisches Problem in der Infrastruktur und deren Betrieb ist. Angesichts dieser Umstände und dem unzuverlässigen öffentlichen Nahverkehr kann ich es inzwischen niemandem mehr verdenken, wenn das Auto genommen wird.