Pyramide der Verkehrsanbindungen

Analog zur Ernährungspyramide haben wir eine Pyramide der Verkehrsanbindungen. Nur ist sie leider falsch herum.

Neulich habe ich beim Lesen der Nachrichten diesen Tagesschau-Artikel gefunden, in dem man die Meinung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zu den immer teurer werdenden Führerscheinen findet:

Der Führerschein sei Grundlage für die gesellschaftliche Teilhabe und wirtschaftlichen Wohlstand und dürfe nicht zum Luxusgut werden.

Entsprechend sollen Maßnahmen getroffen werden, damit die Führerscheine nicht mehr teurer werden.

Ich finde hier die Grundannahme schon total verkehrt. Es wird angenommen, dass man ein Auto braucht, um an der Gesellschaft teilhaben zu können. Letztlich sagen sie damit auch, dass Leute ohne Auto diskriminiert werden. Sie sprechen auch die Autoabhängigkeit an, ohne sie beim Namen zu nennen.

Die CDU/CSU und ich sind uns damit also einig, dass es Autoabhängigkeit gibt. Uneinig sind wir uns allerdings, welche Konsequenzen daraus folgen. Die Fraktion möchte dafür sorgen, dass die Autoabhängigkeit nicht so schmerzt, indem die Führerscheine günstiger werden sollen. Ich möchte viel lieber die Autoabhängigkeit an sich abgeschafft sehen.

Man erkennt hier also klar das Wertesystem der Union, die in der Autohängigkeit kein Problem sieht. Und wenn man sich einmal unsere Siedlungsstrukturen anschaut, erkennt man die Manifestation dieses Wertesystemes überall.

Nehmen wir einmal Sankt Augustin Hangelar und Niederberg. Da kann man auf der Open Street Map schon ein paar interessante Dinge entdecken.

So sehen wir da Wohngebiete mit vielen Straßen. In Hangelar sind die Straßen aber eher kleinteilig und total unsystematisch. Das ist eine gewachsene Ortschaft. In Niederberg aber sieht man einige größere Straßen, gerade im östlichen Ende sieht man ein am Stück geplantes Wohngebiet.

In Hangelar gibt es sehr viele Geschäfte: Drei Bäckereien, Blumenladen, mehrere Hausärzte, Zahnarzt, Apotheke, Modeladen, mehrere Restaurants, mehrere Imbisse. Zwei Kirchen, zwei Grundschulen, zwei Kindergärten. Da ist richtig was los. Im östlichen Teil vom Niederberg gibt es so gut wie nichts. Das ist ein reines Wohngebiet.

Schon hier kann man einen Unterschied sehen, wie gut man zu Fuß Dinge tun kann. In Hangelar kann man sehr viel zu Fuß unternehmen, es ist wirklich praktisch dort. Auf dem Niederberg ist es allerdings unmöglich etwas zu Fuß zu machen. Man muss für alles bis nach Hangelar gehen. Und dann ist man mindestens 15 Minuten zu Fuß unterwegs, bis man dann wirklich dort ist. Das ist eine Distanz, die man nicht mehr »mal eben« macht.

Ernüchternder wird es, wenn man sich die Verkehrskarte anschaut:

Durch Hangelar haben wir die Straßenbahn 66 mit drei Haltestellen (West, Mitte, Ost). Dazu gibt es noch einen Bus. Die Straßenbahn ist aber mega gut, alle 10 Minuten kommt da eine Bahn. Mit der ist man schnell in Bonn, aber auch in Sankt Augustin oder Siegburg. Und von Siegburg kommt man gut nach Köln. Die Anbindung ist also wirklich stark.

Auf dem Niederberg gibt es scheinbar auch einen Bus. Allerdings ist das nur ein Rufbus, der maximal einmal pro Stunde kommt. Man muss mindestens eine Stunde vorher bestellen. Das ist dermaßen schlecht, dass den wohl niemand ernsthaft nutzen wird. Die Siedlungsdichte ist auch einfach zu gering für einen Bus.

Dann können wir uns noch die Radverkehrskarte anschauen. Dort sind die Radwege in blau:

An sich sieht man hier die gute ausgebauten Radwege parallel zur Straßenbahn und zur B 56. Dann sind da noch diverse weitere Wege markiert, weil sie in Tempo-30-Zonen liegen. Beim Niederberg ist nichts markiert, allerdings kann man da auch recht entspannt fahren. Man muss halt nur weiter fahren, bis man zu einem Ziel kommt. Und dafür muss man immer die B 56 queren und nach Hangelar.

Was man aber auf der ersten Kartenansicht gut erkennen kann, ist die B 56. Damit kommt man mit dem Auto gut nach Bonn, Sankt Augustin oder nach Siegburg. Also außer zur Hauptverkehrszeit, dann ist da massiv Stau. In der Nähe findet man Autobahnen nach Köln, Hennef und Frankfurt.

Die Menge an Wohnraum, die fußläufig gut erschlossen ist, ist sehr begrenzt. Da findet man letztlich nur in Hangelar etwas, was wirklich zufriedenstellend ist. Rechnet man das Einzugsgebiet der Busse mit, so ist noch ein bisschen mehr erschlossen. Allerdings ist alles mit dem Auto super erschlossen.

Schauen wir uns einmal weitere Teile von Sankt Augustin an, also Ort, Mülldorf, Niederpleis und Menden. Ich habe den Einzugsbereich der Straßenbahn einmal in gelb Markiert. Von weiter draußen kann man zwar noch dorthin laufen, aber so richtig viel Spaß macht es auch nicht mehr.

In Niederpleis gibt es gar keine Straßenbahn. In Menden gibt es noch die S-Bahn mit dem einen Haltepunkt, der allerdings genau zwischen Menden und Meindorf liegt.

Man kann hier also auch gut sehen, wie wenig der Siedlungsfläche mit der Straßenbahn gut versorgt ist und wie viel das eben nicht hat. Dafür gibt es aber die A 59 und die A 560. Und einige gelbe Bundesstraßen. Man kommt mit dem Auto also relativ gut überall hin. Die ganzen fetten Straßen, die primär für den Autoverkehr gedacht sind, zerschneiden aber jene Gebiete, in denen man gut zu Fuß gehen kann.

Analog zur »Ernährungspyramide« kann man hier eine Art Pyramide der Verkehrsanbindungen machen:

Und wie so häufig im Leben, ist diese Pyramide leider genau falsch herum bemessen. Autofahren sollte die Ausnahme, nicht die Regel sein.