Polizeikontrolle am Stoppschild Professor-Neu-Allee – Wozu?

Regelmäßig steht die Bonner Polizei an der Einmündung der Professor-Neu-Allee auf die Kennedybrücke. Da ist ein Stoppschild, und das gilt natürlich auch für den Radverkehr.

Mit dem Stoppschild vorne wird nur der Fußgängerüberweg und die Furt für den Radverkehr abgesichert. Der Radverkehr darf von dort aus nach rechts auf den Radweg an der Brücke fahren, und man darf sich an die Ampel links stellen und die B 56 Kennedybrücke überqueren.

Nun steht die Polizei da teilweise mit zwei großen Streifenwagen und einem Motorrad auf dem getrennten Geh- und Radweg auf der Brücke. So können sie von dort beobachten, ob die Radfahrer*innen brav am Stoppschild halten oder einfach direkt nach rechts abbiegen. Wenn man dort nicht hält, ist das eine Ordnungswidrigkeit, keine Frage.

Allerdings frage ich mich, welcher potentielle Schaden dadurch entsteht. Generell halte ich Stoppschilder für den Radverkehr für wenig sinnvoll. Man kann mit dem Fahrrad gut langsam fahren und bekommt eigentlich genug mit, um den Fußgängerüberweg einsehen. Mir würde da auch ein Zeichen 205 (Vorfahrt achten) reichen. Würde die Polizei dort auch die Autofahrer*innen anhalten, die nicht korrekt stoppen, würde ich die Maßnahme verstehen. Würden sie nur jene Radfahrer*innen anhalten, die die Vorfahrt nicht gewähren und Fußgänger*innen bedrängen, würde ich das gutheißen. Auch Kontrollen von Fahrrädern ohne funktionierende Lichtanlage halte ich für sinnvoll um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Aber so wirkt es, als würden sie einfach nur jene Radfahrer*innen kontrollieren, die einfach zu kontrollieren sind. Man kann da stehen, hat ein mehr oder weniger freistehendes Stoppschild, die Radfahrer*innen kommen an einem vorbei, man kann sie auf der Brücke anhalten. Im besten Fall ist das ein »Suchen des Schlüssels unter der Laterne«, im schlimmsten Fall ist es eine Schikane von Beamt*innen, die den Radverkehr als Problem wahrnehmen.

Anfrage bei der Polizei

Ich hatte auf Twitter einmal die Polizei Bonn angesprochen und gefragt, welchen konkreten Beitrag diese Kontrolle zur Verkehrssicherheit hätte. Wie zu erwarten hat die Polizei dort nicht reagiert. Dann scheint Twitter nicht das richtige Medium zu sein und eine IFG-Anfrage ist wohl eher das, wie man mit dieser Behörde kommuniziert. Ich habe diese Fragen:

  1. Welchen konkreten Beitrag zur Verkehrssicherheit hat die Kontrolle von rechtsabbiegenden Radfahrenden am Zeichen 206, das an der Einmündung der Professor-Neu-Allee auf die Kennedybrücke steht?

  2. Mit welcher Begründung werden bei einer geplanten und anscheinend regelmäßigen Kontrolle zwei Steifenwagen und ein Motorrad auf dem Geh- und Radweg der Kennedybrücke geparkt und der fließende Verkehr (Rad- und Fußverkehr) behindert? Warum kann kein regulärer Parkplatz in der Umgebung genutzt werden?

  3. Wie häufig wird an dieser Stelle kontrolliert?

  4. Wie häufig wird von der Polizei Bonn an für Radfahrende wirklich gefährlichen Situationen kontrolliert? Konkret interessiert mich die Einmündung Berliner Freiheit/Am Boeselagerhof, bei der StVO 9(3) durch den Kraftverkehr häufiger missachtet wird. Auch interessieren mich die beiden Einmündungen der Fränkischen Straße in die Siegburger Straße, bei der ebenfalls StVO 9(3) von der Siegburger Straße kommend und das Zeichen 205 von der Fränkischen Straße kommend missachtet wird. Dort gab es auch bereits mindestens einen Unfall.

Diese Anfrage habe ich am 27.11.2022 über Frag-den-Staat abgeschickt.

Antwort der Polizei

Am 02.12.2022 bekam ich eine Antwort darauf. Und weil die Antwort öffentlich auf Frag-den-Staat einsehbar ist, kann ich hier auch aus dem Text zitieren und mich damit auseinandersetzen.

Zuerst schreiben sie »Grundsätzliches« zu meiner Anfrage:

Radfahrende gehören zur vulnerablen Gruppe der Verkehrsteilnehmer. Die Zahl der Unfälle unter Beteiligung von Radfahrenden steigt stetig an[.] Radfahrende zu schützen ist auch in diesem Jahr ein Schwerpunkt des PP Bonn. Daher wird regelmäßig [f]alsches Verhalten von und gegenüber Radfahrenden kontrolliert und Verstöße werden konsequent geahndet.

»PP« steht für »Polizeipräsidium«. Das liest sich eigentlich schon einmal gut. Sie haben also den Radverkehr im Sinn. Ich erinnere mich allerdings an die Bauphase der Viktoriabrücke, bei der zur Sicherheit des Radverkehrs das Radfahren auf der Fahrbahn verboten worden ist. Der Radverkehr wurde dann zusammen mit dem Fußverkehr in die Nebenanlage gequetscht. Ich bin also immer eher skeptisch, wenn die Polizei Bonn den Radverkehr schützen möchte. In der aktuellen Version der Viktoriabrücke haben sie allerdings dem Kraftverkehr das Abbiegen untersagt um den Radverkehr zu schützen. Das lässt das ganze wieder in komplett anderem Licht dastehen.

Frage 1: Nutzen der Kontrolle

Dann geht es zur ersten Frage, nach dem Nutzen dieser Kontrolle.

Die Einhaltung von Vorfahrtsregelungen stellt einen elementaren Bestandteil der Verkehrssicherheit und gegenseitigen Rücksichtnahme dar.

Da haben sie schon Recht, das Einhalten von Regeln ist etwas, an dem viele Personen noch arbeiten müssen. Die üblichen Regelverstöße sind bei den verschiedenen Verkehrsarten unterschiedlich. Während Autofahrer*innen eher zu schnell unterwegs sind, noch schnell bei »dunkelgelb« über Ampeln fahren, seitliche Überholabstände zu klein wählen oder beim Rechtsabbiegen den Radverkehr nicht durchlassen (StVO §9(3)); so fallen Radfahrer*innen meist durch Fahren über rote Ampeln, zu schnelles Fahren auf dem Gehweg oder das komplette Missachten von Vorfahrtsregeln auf. Außerdem sind zu viele Fahrräder nicht mit angemessenen Lichtanlagen ausgestattet, was in der Dunkelheit wirklich gefährlich ist.

An der Einmündung der Professor-Neu- Allee zur Kennedybrücke ist die Vorfahrt durch das Verkehrszeichen 206 (VZ 206), bekannt als „Stopp-Schild“, i.V.m. einer Haltelinie geregelt. An dieser Örtlichkeit besteht die Besonderheit, dass sich in Fahrtrichtung Kennedybrücke ein Fußgängerüberweg befindet. Der Verkehr aus Richtung Konrad- Adenauer-Platz, der sich teils auf dem Gehweg befindet, ist wegen Bebauung nicht einsehbar.

Welche Verkehrsart meinen sie mit »Verkehr«?

  • Beim Fußverkehr sehe ich das Problem nicht, der ist langsam und man kann da locker die beiden Teile des Fußgängerüberweges einsehen. Das rechtfertigt kein Stoppschild an der Stelle.
  • Beim Radverkehr schreiben sie im nächsten Satz etwas, der kann eigentlich auch nicht gemeint sein.
  • Es bleibt der Kraftverkehr. Und wenn ich dort nach rechts abbiege und auf das Hochbord an der Brücke fahre, dann habe ich keinerlei Kontakt zum Kraftverkehr. Wenn ich geradeaus fahren will, muss ich über die Ampel. Auch hier kann wieder nichts passieren.

Ich verstehe also nicht, was hier das Argument sein soll.

Schaut man hier nach links, so kann man eigentlich genug einsehen.

Schlimmer noch, durch die Haltelinie so weit hinten kann man weniger weit einsehen, als wenn die Haltelinie weiter am Fußgängerüberweg wäre.

Ebenfalls befindet sich ein Radweg vom Konrad-Adenauer-Platz in Fahrtrichtung Kennedybrücke, der mit dem vorgenannten Fußgängerüberweg verbunden ist.

Da der Radverkehr ja nicht so schnell ist, kann man hier ganz locker die Vorfahrt achten. Möchte man auf die Verkehrsinsel, dann ist man eh langsam, die Ampel ist meist rot. Ist die Ampel mal grün, dann ist man vielleicht versucht einfach über die Verkehrsinsel zu fahren und schaut nicht nach links. Aber wer ein Vorfahrt-Achten-Schild überfährt, überfährt auch Stoppschilder.

Des Weiteren mündet ein Verbindungsweg von der Rheinaustraße auf die Professor-Neu-Allee an genau dieser Stelle ein.

Gemeint ist der Weg von rechts kommend. Aber auch da hat man genügend Platz um da den Fußverkehr sehen zu können.

Es bestehen daher Verkehrsströme aus mehreren Richtungen, die sich allesamt an dieser Örtlichkeit treffen.

Es ist halt ein Fußgängerüberweg. Es kommt Fuß- und Radverkehr von links und rechts. Das ist an sich eine ganz normale Einmündung. Ich sehe jetzt nicht, wo da die Besonderheit aus Perspektive des Radverkehrs sein soll.

Schaut man sich das Panorama einmal an, ist das eigentlich keine besonders schlimme Stelle.

Die Verkehrssicherheit kann dabei nur durch die Einhaltung aller Vorfahrtsregelungen, hier dem VZ 206, gewährleistet werden.

Ich habe vom Rad aus hinreichend Übersicht, dass mir hier auch ein Vorfahrt-Achten-Schild genügen würde. Aber gut, darum geht es hier nicht. Sie haben durchaus Recht, dass die Einhaltung der Regeln schon wichtig ist.

Da dies gleichermaßen für Kraftfahrzeugführende, Radfahrende und Fußgänger gilt und Kontrollen immer wieder bestätigen, dass die Vorfahrtsregelungen nicht eingehalten werden, sind Kontrollen als Beitrag zur Steigerung der Verkehrssicherheit notwendig.

Regeln sind wichtig, keine Frage. Und die Einhaltung auch. Aber warum wird gerade dort kontrolliert? Es wirkt weiterhin so, als wäre es bei dieser Stelle schlicht besonders einfach zu kontrollieren.

Vielleicht kontrollieren sie dort, damit Radfahrende sich generell mehr an Regeln halten und dann an anderen Stellen weniger Unfälle passieren? Das erscheint mir auch kein schlüssiges Konzept zu sein.

Die hier in Rede stehende Örtlichkeit hat sich in der Vergangenheit regelmäßig als sog. Unfallhäufungsstelle dargestellt, so dass Kontrollen in diesem Bereich durchgeführt werden.

Dann schauen wir doch einmal in den Unfallatlas. Dort haben wir als erstes die Warnung:

Der Unfallatlas enthält Unfälle mit Personenschaden. Unfälle, bei denen nur Sachschaden entsteht, werden nicht dargestellt.

Dann kann man zur entsprechenden Stelle vergrößern, bis man einzelne Unfälle aus dem Jahr 2021 sieht:

Klickt man dann auf einen dieser Unfälle, wird der markiert:

In der Übersicht kann man dann sehen, welche Verkehrsarten dort involviert waren:

Aha, es war also PKW und Fahrrad. Ich weiß nicht genau, wie exakt die Position auf der Karte ist. Jedenfalls ist das definitiv kein Unfall, der beim Rechtsabbiegen auf den Radweg neben der Kennedybrücke passiert sein kann, weil da einfach kein Kraftverkehr involviert ist. Der Unfall leicht östlich davon ist genauso.

Im Jahr 2021 gibt es dort exakt einen Unfall, bei dem nur Radfahrende involviert waren:

Details kann ich dazu nicht einsehen. Der Position nach deute ich das allerdings so, dass da jemand über die Ampel nach Süden wollte, und gleichzeitig jemand mit dem Fahrrad von Osten nach Westen wollte. Dadurch kam es dann zur Kollision auf der Verkehrsinsel. Hier hat die Person aus der Professor-Neu-Allee nicht die Vorfahrt geachtet. Was aber auch wieder kein Unfall beim Rechtsabbiegen ist.

Für 2020 gibt es keinen derartigen Unfall, davor gibt es keine Daten.

Ich kann also keinen Unfall mit Personenschaden finden, bei dem genau das Fehlverhalten das Problem gewesen ist, was laut Auskunft die Begründung für jene Stelle ist. Dass es beim Queren über die Ampel zu Problemen kommen kann, sehe ich ein. Und auch, dass der Autoverkehr beim Rechtsabbiegen in die Professor-Neu-Allee hier StVO §9(3) missachtet und eine Person auf dem Rad überfährt kann ich mir gut vorstellen. Dem Unfallatlas nach passiert das ja auch regelmäßig.

Frage 2: Abstellen der Einsatzfahrzeuge

Dann hatte ich noch gefragt, warum sie die Einsatzfahrzeuge genau dort abstellen.

Fahrzeuge der Polizei werden zur Durchführung der Kontrollen teilweise auf dem Geh- und Radweg abgestellt, sofern ein Abstellen anderweitig nicht möglich ist. Eine Behinderung von Rad- und Fußgängerverkehr durch das Abstellen der Fahrzeuge wird auf ein Minimum reduziert. Es wird regelmäßig darauf geachtet, ausreichenden Platz für den Fußgänger- und Radverkehr zu lassen. Das Abstellen der Einsatzfahrzeuge im Nahbereich von Kontrollstellen wird aus taktischen Gründen und aus Gründen der schnellen Herstellung der Einsatzfähigkeit der Polizeikräfte durchgeführt.

Ich weiß ja nicht, welches Material die alles für diese Kontrolle brauchen. Die brauchen Papierkram, das Lesegerät für Girokarten für die Verwarngelder. Und vielleicht brauchen sie auch noch weiteres Material, wenn Leute bei der Kontrolle nicht kooperativ sind. Handschellen haben sie ja an der Koppel, aber vielleicht muss das Fahrzeug dann in der Nähe sein, damit man die Leute nicht weit abführen muss. Mir fehlt da aber der Einblick in die Polizeiarbeit, um das abschließend bewerten zu können. Es ist schlicht meine Annahme, dass die Polizei für eine einfache Kontrolle keine zwei Autos und ein Motorrad direkt an der Stelle braucht. Das Motorrad für Verfolgung sehe ich ja noch ein. Aber den Rest nicht.

Eine Regelung hierzu bietet der Erlass „Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Innenministeriums - 41 - 61.02.01 - 3 - v. 19.10.2009, Nr. 3.4.1. “Im öffentlichen Verkehrsraum dürfen Polizeifahrzeuge zur Verkehrsüberwachung demnach unter Inanspruchnahme von Sonderrechten auch außerhalb der Fahrbahn aufgestellt werden“.

Klar, die Polizei darf das.

Dies ist hier insbesondere notwendig, da keine andere geeignete Abstellmöglichkeit besteht in welcher eine vollständige Einsatzbereitschaft gewährleistet werden kann.

Gut, dann haben wir nicht nur zu wenig Ladezonen, wir haben auch zu wenig taktische Parkplätze. Wahrscheinlich geht es auch darum, dass der Radverkehr die Polizeiautos vorher nicht sehen kann.

Frage 3: Häufigkeit der Kontrollen

Aus sozialen Medien hatte ich mitbekommen, dass die dort regelmäßig stehen. Mir scheint dies eine der bekannteren und häufigeren Kontrollen zu sein. Wenn in sozialen Medien über »regelmäßige Abzocke« diskutiert wird, dann wird das wohl schon häufiger sein.

Die Polizei weiß aber gar nicht, wie häufig sie dort ist:

Die Kontrollen an der o.g. Örtlichkeit finden in unregelmäßigen Abständen statt. Eine Statistik über die genaue Anzahl der Kontrollen wird nicht geführt.

Ich habe eine Karte mit Blogeinträgen, die Polizei hat aber gar keine auswertbaren Dienstpläne. Wie praktisch, das ist gelebter Datenschutz. Daten, die man nicht erhebt, können auch nicht per IFG angefragt werden.

Da bin ich echt sprachlos. Wie kann die Polizei keine Statistik über ihre Kontrollen und Einsätze führen? Wie machen die statistische Auswertung von der Sicherheitslage der Stadt?

Frage 4: Kontrollen an anderen Stellen

Dann habe ich noch nach anderen Stellen gefragt, bei denen der Radverkehr nach meiner Wahrnehmung nach deutlich mehr gefährdet wird. Darüber hat man auch keine Statistik:

Die Kontrollen werden vorrangig an Unfallhäufungsstellen, sowie bei Bürgerbeschwerden und nach Ermessen der kontrollierenden Beamten im täglichen Dienst ausgewählt. Zu den von Ihnen angefragten Örtlichkeiten liegen keine statistischen Werte bzgl. der Häufigkeit von durchgeführten Kontrollen vor.

Die Polizei agiert hier also nach Unfallhäufungsstellen, die aber laut Unfallatlas erst mit Personenschäden erfasst werden. Das bedeutet aber auch, dass es wohl erst eine anhaltende Serie von Personenschäden geben muss, damit dort kontrolliert wird.

Und weil Radfahrende irgendwann ein Gespür für unsichere Situationen haben und diese meiden oder mit dem Bus fahren, kommt es eben nicht zu diesen Serien. Entsprechend kontrolliert die Polizei nicht, und es verbessert sich nichts.

Fazit

Ich bleibe also bei meiner Meinung: Diese Stelle wird vor allem deswegen ausgewählt, weil sie von der Brücke aus einfach einsehbar ist. Der Radverkehr orientiert sich von sich aus nach links, und schaut nicht nach rechts nach den dort stehenden Polizist*innen. Es ist eine gute »Falle«, wenn ich es polemisch ausdrücken möchte. Ich kann auch nach der Auskunft und Betrachtung des Unfallatlas nicht nachvollziehen, wie der Radverkehr hier geschützt wird.