Optimaler Abstand zum rechten Fahrbahnrand
Nicht immer gibt es einen baulich getrennten Radweg, in diesen Fällen muss man auf der Fahrbahn im Mischverkehr fahren. Dabei gibt es die Variante mit und ohne Schutzstreifen, und mit und ohne geparkten Fahrzeuge am rechten Rand. In solchen Situationen sollte man nicht zu nah am rechten Fahrbahnrand fahren. Das eine Problem sind fahrlässig geöffnete Autotüren (Dooring) oder zwischen den Autos auf die Fahrbahn tretende Personen, das andere ist das Überholtwerden durch Autofahrer*innen.
Nehmen wir den Schutzstreifen auf der Siegburger Straße in Bonn-Beuel-Ost als Beispiel. Dort sind 125 cm Schutzstreifen in einem schon kleinen Fahrstreifen markiert, dafür aber keine parkenden Autos. Die Farbe suggeriert, dass wir wie folgt fahren sollen, oder gar müssen:
Dort zu fahren bringt einige Probleme mit sich. Wie man in dem Bild schon erkennen kann, lädt man damit zum Überholen mit unzureichendem Seitenabstand ein. Zudem reichen die Wassereinlaufroste (Gullis) auch zu zwei Drittel in den Schutzstreifen rein, diese sollte man wegen der eigenen Spurtreue lieber nicht überfahren. Wie fährt man also besser?
Man hört immer wieder, dass Radfahrende einen Abstand von 70 bis 100 cm zur rechten Fahrbahnkante halten sollen. Je nach Behörde wird das vom Lenker oder von den Laufrädern her gemeint. Jedenfalls kommt man bei 125 cm Schutzstreifen und einer Lenkerbreite von 70 cm schnell in einen Bereich, bei dem Lenker oder Ellenbogen aus dem Schutzstreifen herausragen. Und da fängt man an, das Überholen zu erschweren. Ist das Auto so breit wie die Kernfahrbahn, und ragt ein Ellenbogen in diese Kernfahrbahn rein, kann man nicht mehr bei Gegenverkehr überholen.
Der Trick für mich ist es, genau die richtige Spur zu finden. Wegen den 150 cm Überholabstand darf man nicht mit dem Auto überholen, ohne den Fahrstreifen zu wechseln. Wenn man den Fahrstreifen wechseln muss, geht das nicht bei Gegenverkehr. Wenn kein Gegenverkehr da ist, kann man komplett auf den anderen Fahrstreifen rüber. Somit macht es technisch gesehen keinen Unterschied, wo ich auf dem Fahrstreifen fahre; überholen darf man mich eh nur nach einem kompletten Fahrstreifenwechsel.
Wenn ich jetzt bewusst mittig auf dem Fahrstreifen fahre, wirkt das provozierend auf diesen Schlag Autofahrer*innen, der dann wütend, trotzig und aggressiv wird. So wird man angehupt, angeschrien oder ähnliches. Es reicht schon, dass das in einem von hundert Fällen passiert, das prägt sich dann ein. Sobald dann kein Gegenverkehr mehr kommt, wird man von diesem Typus dann erzieherisch knapp überholt. Es wäre also mehr Platz da, aber diese Personen sehen bei sich einen Erziehungsauftrag mit ihrer Fantasie-StVO. Mit mittiger Fahrweise wird man weniger oft knapp überholt, hat aber immer wieder richtig Stress mit einzelnen Autofahrer*innen.
Ganz rechts fahren vermeidet die Konfrontation, dafür wird man ständig knapp überholt und setzt sich so einem höheren Unfallrisiko aus. Zudem setzen mir diese dauernden knappen Überholmanöver auch zu und stressen mich.
Bisher ist die optimale Position bei solche schmalen Fahrbahnen mit dem Rad leicht rechts der Grenzmarkierung vom Schutzstreifen zu fahren. So sehen mich Leute, die das Konzept von Schutzstreifen nicht verstehen, noch in »meinem Bereich«, und fühlen sich dadurch nicht bedrängt. Ich bin aber auch so weit links, dass der Platz nicht für das Überholen reicht. Sie müssen warten, sehen die Schuld aber eher beim Gegenverkehr, und weniger in meiner Fahrweise. Daher scheint nicht das Bedürfnis einer Zurechtweisung aufzukommen. Vielleicht ist es auch die Angst um das eigene Auto, dass sie warten. Ich kann nicht genau erklären, was da psychologisch passiert. Es fühlt sich für mich wie umgekehrte Psychologie an; ich versuche bei den Autofahrer*innen die Entscheidung mit dem Überholen zu warten auszulösen, aber mit dem Glauben diese Entscheidung selbst getroffen zu haben. Wenn ich in der Mitte fahren würden, würden sie sich bevormundet fühlen. So aber hat die Vernunft noch eine Chance.
Die optimale Position hängt auch vom eigenen Auftreten und der Geschwindigkeit ab. Bei höherer Geschwindigkeit fühlen sich Personen im Auto nicht so sehr beschränkt, und sind eher bereit zu warten. Auch ist generell die Menge Gegenverkehr und die Menge an Radverkehr davon abhängig, wie viel Geduld die Leute haben. Und natürlich auch die Tageszeit und der Wochentag.
Ich habe inzwischen ein gutes Gefühl für den Abstand nach rechts gefunden, und habe im Mischverkehr so weniger Stress. Trotzdem finde ich Mischverkehr deutlich stressiger als baulich getrennte Radwege. Daher bin ich weiterhin dafür, dass der Radverkehr möglichst separat geführt wird. Ebenso müsste bei den Autofahrer*innen mehr Rücksicht und Regelkonformität kommen. Beides haben wir aber aktuell nicht, und eine einzelne Person kann sich kurzfristig nur damit arrangieren. Und hier hilft mir der optimale Abstand nach rechts gut meine Energie zu bewahren, um die langfristigen Änderungen voranzutreiben.