Nummernschilder für Fahrräder

Ein anscheinend recht verbreiteter Standpunkt bezüglich Radverkehr ist, dass diese »wilden Pedalritter«, die »immer über Rot fahren«, erstmal anfangen sollten, Steuern zu zahlen (siehe Blogartikel zur Fahrradsteuer), Helm und Warnweste tragen müssen sollten und es eine Kennzeichenpflicht für Fahrräder geben soll. Die Begründung dafür sei, dass man es beim Auto ja auch tun muss. Dabei wird auch immer wieder eine Versicherungspflicht genannt.

Ich finde das ziemlich absurd, aber das lässt sich begründen. Und daher möchte ich in diesem Beitrag den Schwachsinn einmal durchgehen.

Bei der Helmpflicht geht es darum, Radfahrer*innen eine Teilschuld für ihre Verletzungen zu geben, wenn sie vom Autoverkehr angefahren werden. Systematische Verbesserungen der Infrastruktur, strengere Regeln für den Autoverkehr oder regelmäßigere Kontrollen durch die Polizei könnten so vermieden werden, wenn die Radfahrer*innen weniger gefährdet werden. Das ist natürlich quatsch, ein Helm hilft nur minimal gegen Unfalle mit PKWs, sie schützen lediglich bei Alleinunfällen. Sie verminden die Verletzungen ein bisschen, machen aber keinen grundsätzlichen Unterschied. Aus diesem Grund trage ich selbst einen Helm, ich möchte bei einem Alleinunfall möglichst wenig Schaden am Kopf haben.

Eine Helmpflicht führt aber dazu, dass weniger Personen mit dem Fahrrad fahren. Dadurch sinkt die generelle Wahrnehmung von Radverkehr, wodurch die Menge an Radverkehr wohl noch ein bisschen weiter sinkt. In diversen Ländern wurde eine Helmpflicht eingeführt, die Attraktivität des Radfahrens ging zurück, die Anzahl der Unfälle blieb allerdings ungefähr gleich hoch (Spiegel, Taz). Die Helmpflicht hat aber dafür gesorgt, dass die Autofahrer*innen weniger von ihrem Platz abgeben müssen. Daher ist sie ein beliebtes Ding in dieser Gruppe. Ebenso ist es mit der Pflicht für Warnwesten, sie soll Radfahrenden ebenfalls eine Schuld an Unfällen geben.

Der Höhepunkt der Drangsalierung ist dann aber die Kennzeichen- und Versicherungspflicht. Mit der möchte man die »wilden Kampfrader« befrieden. Durch das Kennzeichen können sie endlich auch angezeigt werden, Verstöße verfolgt werden. Und mit Kennzeichen, so die Argumentation, würden sie sich dann wegen der Verfolgung ganz automatisch an die Regeln halten.

Wir können diesen Vorschlag ja einmal mit der Kontrollgruppe vergleichen, die schon Kennzeichen hat: Den Autofahrer*innen. Wenn ich mich so im Straßenverkehr umschaue, insbesondere bezüglich Parkverstößen, dann sehe ich sehr regelmäßig Ordnungswidrigkeiten. Überall wird auf Gehwegen geparkt, nur mal kurz auf Radwegen geparkt. Wegen dem »Parkdruck« wird in Kreuzungsbereichen geparkt. Geschwindigkeitsverstöße sind ganz normal, 10 km/h zu schnell gilt als »Mitschwimmen« im Verkehr. Unter den Radfahrenden gibt es auch am laufenden Band Verstöße: Gehwegradeln, Geisterradler, Rotfahrten. Das sind ebenfalls Ordnungswidrigkeiten, die ebenfalls andere Personen behindern und gefährden können. Ich würde aber nicht sagen, dass mit Fahrrad mehr angestellt wird, als mit Auto. Von daher scheint die theoretische Möglichkeit der Ahndung nicht wirklich einen Unterschied zu machen. Eine weitere Kontrollgruppe können die E-Scooter sein, die in den meisten Städten gefährliche Stolperfallen auf den Gehwegen sind.

Das Schadenspotential beim Auto ist ungleich höher als mit dem Fahrrad. Bestimmt kann man mit dem Fahrrad eine andere Person anfahren, sodass sie schwere Verletzungen erleidet oder gar verstirbt. Mit dem Auto ist das aber ein leichtes. Ähnlich auch die möglichen Schäden. Ja, vielleicht kommt man mit dem Fahrrad in den Gegenverkehr, die Fahrerin des Tanklasters will ausweichen, der Laster kippt, rollt in einen Block in der Innenstadt, und alles explodiert. Sachschaden, 100.000.000 EUR. Da der Radfahrer keine Fahrradhaftplichtversicherung hat, bleiben die Familien der inhabergeführten Einzelhandesgeschäfte und die prekär verdienenden Bewohner*innen der Wohnungen darüber auf ihrem Schaden sitzen. Der Radfahrer ist insolvent, aber da man mehr als sein BAföG nicht pfänden kann, bricht lokal die Wirtschaft zusammen. Hätte der Gesetzgeber aber eine Fahrradhaftplichtversicherungspflicht eingeführt, wäre das alles nicht passiert.

In Privathaftpflichtversicherungen sind derartige Dinge schon versichert. Zum Beispiel in der AXA Haftpflicht M findet man das hier:

Versichert sind darüber hinaus Schäden, die Dritten entstehen durch den Gebrauch von Fahrrädern, auch Pedelecs und/oder E-Bikes mit Anfahrhilfe bis 25 km/h, die den Vorschriften über das Zulassungsverfahren nicht unterliegen.

Somit haben also schon viel mehr Radfahrende eine Haftpflichtversicherung, als das so dargestellt wird. Natürlich gibt es keine Haftpflichtversicherungspflicht, es kann also sein, dass eine radfahrende Person nicht versichert ist. Das betrifft dann aber alle Lebensbereiche, und ist nicht auf das Fahrrad beschränkt. So wird der Versicherungsschutz in der EU vereinheitlicht, und gewisse Ausnahmen bleiben weiterhin. Das Pedelec bleibt weiterhin ohne Pflicht, genauso Rasenmäher. Man könnte ja auch eine Haftpflichtversicherungspflicht für benzingetriebene Gartengeräte fordern, die haben ja auch einen Motor.

Anscheinend sehen die Gesetzgeber das Risiko beim Fahrrad nicht über dem, was in anderen Lebensbereichen vorhanden ist. Man kann darüber diskutieren, ob jede Person eine Haftpflichtversicherung braucht, oder ob der Staat das generell übernehmen möchte. Bis dahin ist es allerdings nur populäres Geschwätz, um den vermeintlich bevorteilten Radfahrenden eins auszuwischen und die Fahrbahnen möglichst von Fahrrädern freizuhalten.

Dieses Ziel ließe sich aber auch friedlicher erreichen, man könnte vernünftige Infrastruktur für das Fahrrad bauen, wie in den Niederlanden. Dort ist die Dichte an Autoverkehr dann geringer, sodass die Personen, die mit dem Auto fahren müssen, es recht angenehm haben.