Neuwagen Abladen auf dem Radweg

Die Widdersdorfer Straße in Köln-Ehrenfeld und Köln-Müngersdorf beheimatet einige Autohäuser. Diese werden auch regelmäßig mit Neufahrzeugen beliefert. Und obwohl die Widdersdorfer Straße auf der Fahrbahn an dieser Stelle über vier Fahrstreifen verfügt, werden die Autotransporter regelmäßig auf dem Hochbord geparkt. Das sieht dann so aus:

Der Radweg ist dort nutzungspflichtig, die Verwaltung hat hier also eine besondere Gefahr für den Radverkehr auf der Fahrbahn gesehen und mit der Nutzungspflicht ein Fahrbahnverbot angeordnet. Umso schwerwiegender ist also, dass der Rad- und Fußverkehr nun auf die Fahrbahn ausweichen muss.

Gehwegparken ist natürlich keine Seltenheit, sondern in unserer autoaffinen Gesellschaft als Kavaliersdelikt bagatellisiert und akzeptiert. Gerade die eher autofreundliche Stadt Köln ist da besonders furchtbar. Mir ist klar, dass der Versuch das Gehwegparken einzudämmen eher aussichtslos ist und sehr viel Renitenz verursacht.

An dieser Stelle finde ich das Gehwegparken aber besonders dreist. Es handelt sich hier um ein Autohaus, einem Geschäft nur für Autos. Autos haben generell auf Gehwegen nichts verloren. Und nun parkt jemand, der Autos anliefert, selbst auf dem Gehweg. Dann fährt er mit den Autos auch noch über den Gehweg, dabei sind die Autos gar nicht zugelassen. Bei einem Unfall wird das unangenehme Haftungsfragen aufwerfen. Dann wird auch noch der Fuß- und Radverkehr, der generell schon unter Autoverkehr leidet, hier massiv behindert. Und das nur, weil der LKW-Fahrer den Autoverkehr auf der Fahrbahn nicht stören möchte. Das möchte ich schon fast als »toxische Autokultur« bezeichnen, halte derartige Kampfbegriffe für nicht sonderlich zielführend. Es ist eine Ordnungswidrigkeit, die schwächere Verkehrsteilnehmende behindert und gefährdet. Das reicht als Moralkeule schon vollkommen aus.

Was kann man in so einer Situation machen? Man kann den Ordnungsdienst der Stadt Köln rufen. Das habe ich bisher noch nicht versucht, werde ich beim nächsten Mal machen. Dann kann man ein Foto machen und es anzeigen. Davon habe ich in letzter Zeit aufgrund der Weitergabe meines Namens und Privatadresse an die beschuldigten Personen allerdings abgesehen.

Nun hatte ich aber dieses Foto, und wollte mal versuchen, was ich damit so erreichen kann. Und interessanterweise stecken in dieser Geschichte ein paar Erkenntnisse für mich im Thema Kommunikation.

Twitter

Das einfachste ist natürlich erstmal über Twitter die hier zuständigen Ordnungsbehörden zu bitten, da etwas zu tun:

Liebe Stadt @Koeln, liebe @polizei_nrw_k, die Autohäuser an der Widdersdorfer Straße werden regelmäßig über den Geh- und Radweg beliefert. Dies gefährdet den Fuß- und Radverkehr.

Bitte sorgen Sie dafür, dass dieses Verhalten abgestellt wird.

Der Tweet ging schnell ziemlich ab, allerdings haben sich natürlich die angesprochenen Behörden nicht zu einer Antwort bewegt. Dafür gab es viele Antworten, die sich ungefähr so gruppieren lassen.

  1. »Das ist voll schlimm, das geht gar nicht!«
  2. Auch bei anderen Toyota-Autohäusern werden die so angeliefert. Das scheint der Marke einfach egal zu sein.
  3. »Warum fährt die Radfahrerin da eigentlich gegen die Fahrtrichtung?«
  4. Ich sei ein »Blockwart«, hieß es von einem Account der sich als SPD-Ortsgruppe aus Norddeutschland ausgibt, und ich sollte mich doch lieber »politisch engagieren«.
  5. Man sollte sich nicht so anstellen, das ist nur ein Problem für jene Leute, die »zu dumm« seien, um da vorbei zu gehen.
  6. »Wo soll der denn sonst parken?«

Dass andere Autohäuser das auch so machen, wundert mich nicht. Das scheint einfach üblich zu sein, Anlieferungen über den Gehweg abzuwickeln. Es ist ja auch günstiger, als eine Ladefläche bereitzuhalten.

Dann die Frage nach der Radfahrerin in Gegenrichtung. Das ist eine berechtigte Frage, das ist an der Stelle nicht erlaubt. Schaut man sich aber einmal die Widdersdorfer Straße ohne LKW an, so sieht man das hier:

Das sind vier Fahrstreifen. Auf der gegenüberliegenden Seite ist auf dem Hochboard ein nutzungspflichtiger Radweg. Möchte man zum Beispiel zu jenem Autohaus, kann man die Fahrbahn nicht einfach überqueren. Man muss bis zur nächsten Ampel fahren. Kommt man vom Maarweg und möchte legal zum Autohaus fahren, dann geht das so:

Dadurch ist es natürlich verlockend, hier als Geisterfahrer*in unterwegs zu sein. Man hat nur noch eine Ampelphase, und nicht drei:

Das entschuldigt das Verhalten nicht, es erklärt es nur. Es ist ein Symptom von autozentrierter Planung. In diesem Kontext vorgebracht ist es allerdings nur whataboutism und keiner Diskussion wert.

Was der Typ von der SPD mit »Blockwart« meinte, ist mir etwas schleierhaft. Und auch wenn ich nicht in einer Partei bin, stehe ich im Kontakt zu den Grünen und der SPD hier in Bonn. Dazu treffe ich mich regelmäßig über den Radentscheid mit der Stadtverwaltung in Bonn. Und natürlich die ganzen Anfragen an die Stadt, die ich hier im Blog teile. Also wenn das nicht als politisches Engagement zählt, weiß ich auch nicht. Aber egal, ist halt Twitter.

Und den schlichten Autofahrer*innen, die sich über die »dumme« Radfahrerin aufregen, ist auch nicht zu helfen. Denn wenn man als Radfahrer*in einen blockierten Radweg nicht nutzt und auf die Fahrbahn ausweicht, wird man dort angehupt. Man kann es denen nicht Recht machen. Man kann sie allerdings auf Twitter blockieren. Dann können sie davon ein Bildschirmfoto machen und es als Trophäe ihren meist eher rechten Followern zeigen. Ist halt Twitter.

Die Frage nach Vorschlägen meinerseits fand ich besonders lustig. Mir war klar, dass da nichts sinnvolles kommen wird. Ich konnte aber nicht widerstehen zu antworten und schlug vor, dass man doch auf dem Gelände parken könnte, oder auf der Fahrbahn. Oder ganz wo anders und die Autos dann einzeln mit einem roten Nummernschild überführen könnte. Darauf kam die Frage, wer die Mehrarbeit denn bezahlen wollte. Dahinter steckt also ein ganz dubioses Rechtsverständnis, bei dem man sich nicht an Gesetze halten muss, wenn man dadurch weniger Gewinn macht. Wenn man das konsequent weiter denken würde, dann müssten Betreiberfirmen von KKWs den Abfall in den Restmüll entsorgen. Und darauf angesprochen, dass davon Leute sterben, die Hände in die Luft werfen und fragen, wer die Entsorgung denn bitteschön bezahlen sollte.

Zusammenfassend ist auf Twitter also nichts produktives passiert. Es gab etwas, an dem sich diverse Personen abarbeiten konnten. In der Sache ist aber nichts verändert worden.

Kontakt zum Autohaus

Ich spürte, dass ich beim Autohaus vielleicht etwas erreichen könnte. Allerdings war ich auch noch schlecht gelaunt. Und da ist eine Kontaktaufnahme immer eine schlechte Idee. Die Person auf der anderen Seite hatte einen ganz anderen Tag als ich, und auch wenn ich mich im Recht fühle, wird das auf der anderen Seite wahrscheinlich nicht so gesehen.

Aber erstmal zurück zu dem Tag. Ich hatte auf der Webseite geschaut und dort im Impressum diesen Spruch gesehen:

Wir geben tagtäglich für SIE unser Bestes!

»Ha, erwischt!« dachte ich mir. Und so schrieb ich dann an das Autohaus.

E-Mail an Autohaus am 27.10.2022

Sehr geehrter Herr […],

»Unser bestens geschultes Team arbeitet also tagtäglich daran, Ihr Lieblingsautohaus zu sein und Ihre vollkommene Zufriedenheit zu gewinnen!«, damit begrüßen Sie die Kund*innen auf Ihrer Webseite.

Ich hätte da noch einen Verbesserungsvorschlag: Die Anlieferung der nicht zugelassenen Neufahrzeuge sollte auf Ihrem Grundstück passieren, und nicht den Geh- und Radweg in kompletter Breite blockieren. Dies war zum Beispiel am Mittwochvormittag der Fall.

Diese Blockade des Hochbords behindert den Fuß- und Radverkehr und zwingt diesen zu gefährlichen Ausweichmanövern auf die Fahrbahn. Da dort für den Radverkehr eine Radwegnutzungspflicht und somit Fahrbahnverbot besteht, hat die Stadt die Widdersdorfer Straße als zu gefährlich eingeschätzt, um dort mit dem Fahrrad auf der Fahrbahn zu fahren. Außerdem sind Gehweg tiefbautechnisch nur für Fahrzeuge bis 2,8 Tonnen ausgelegt, der LKW beschädigt darunterliegende Leitungen und das Betonsteinpflaster.

In diesem Sinne würde es meine Zufriedenheit steigern, wenn Ihr kompetentes Team die anlieferung anders organisieren würde.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Ueding

Das habe ich abgeschickt und fühlte mich erstmal etwas besser, weil ich es denen gezeigt hätte. Aber hatte ich das?

In den Stunden danach merkte ich, wie das nicht so richtig clever war. Mal ehrlich, wenn man diese E-Mail lesen würde, würde man dann antworten? Würde man dann etwas ändern? Ja, ich hatte Recht. Aber das macht es hier eher nur schlimmer.

Am Tag darauf war die Wut verflogen, und ich bereute diese E-Mail. Ich hätte es neutraler schreiben sollen. Einfach nur darauf hinweisen, dass dies für den Rad- und Fußverkehr gefährlich ist und sie sich bitte einen besseren Weg überlegen sollten, die Autos angeliefert zu bekommen.

Zu meiner großen Überraschung bekam ich dann 31.10.2022 eine Antwort vom Autohaus. Man würde meinen Hinweis sehr ernst nehmen und der Satz im Impressum sei nicht nur ein Kalenderspruch. Normalerweise würden die LKWs in der Nebenstraße geparkt. Hier hätte es eine seltene Ausnahme gegeben, bei der der Spediteur entgegen der Vorgabe da auf dem Radweg geparkt hätte. Man hätte dort noch einmal angerufen und denen klargemacht, dass das nicht geht.

Auf diese E-Mail habe ich mich dann freundlich bedankt.

Rückblickend bin ich erstaunt, dass sie überhaupt auf meine passiv aggressive E-Mail geantwortet haben. Und dass die meisten Lieferungen in der Nebenstraße ankommen sehe ich nicht, ich fahre ja nur diese Hauptstraße lang. Und dann fällt mir natürlich der eine LKW dort auf, und ich extrapoliere daraus eine Regel. Natürlich haben wir ein allgemeines Problem mit fehlenden Lieferzonen bei Paketdiensten. Aber jede Firma ist unabhängig, es bringt nichts meinen allgemeinen Frust mitzubringen.

Von daher hoffe ich daraus zu lernen und beim nächsten Mal ruhiger zu agieren. Ich werde die E-Mail schreiben und dann einen Tag darüber schlafen. Und sie im Tonfall noch herunterschrauben, bevor ich sie absende. So kann ich mehr erreichen.

Ach ja, und auf Twitter kann man es sich einfach sparen. Da erreicht man keine Stadtverwaltung. Man kann zwar einen Sturm beschwören, dessen Energie lässt sich aber nicht produktiv nutzen. Und diese subtile Erkenntnis hier passt auch schlecht in einen Tweet. Außer vielleicht so:

Ich habe wütend eine E-Mail geschrieben und mich im Tonfall vergriffen. Erstaunlicherweise habe ich trotzdem eine nette Antwort bekommen. Das nächste Mal versuche ich besonnener zu agieren.

Schön, aber das lässt doch die zum Verständnis nötigen Details aus. Der Tweet würde Likes bekommen, und das war es dann.

Nächster Einzelfall

Leider war das Problem dann aber nicht komplett aus der Welt. Am 14.11.2022 stand abends wieder ein LKW auf dem Geh- und Radweg.

Das Kennzeichen des LKW ist aus Litauen. Das wird wohl bei einem anderen Toyota-Autohaus in Stuttgart auch so gemacht. Ob das jetzt die große Verschwörung zur Vermeidung von Bußgeldern ist, weiß ich nicht. Es erscheint jedenfalls merkwürdig.

Vor Ort habe ich noch den Verkehrsordnungsdienst der Stadt Köln unter der 0221 22132000 angerufen. Das hat auch gut geklappt, ich konnte die Verkehrsbehinderung durchgeben. Die Disponentin hat auch einen Einsatz aufgemacht. Ob sie dann rechtzeitig da waren, bevor der LKW wieder weggefahren worden ist, weiß ich nicht.

Ich habe dann zuhause nochmal an das Autohaus geschrieben:

E-Mail an Autohaus am 14.11.2022

Sehr geehrter Herr […],

heute Abend stand wieder ein Autotransporter auf dem Geh- und Radweg vor Ihrem Autohaus. Könnten Sie noch einmal schauen, dass alle Zulieferer informiert worden sind?

Mit freundlichen Grüßen

Martin Ueding

Am 16.11.2022 bekam ich eine E-Mail in der mir versichert worden ist, dass sie wirklich alles tun, damit dort nicht auf dem Geh- und Radweg geparkt wird.

Ich denke, ich habe jetzt alles gemacht, was ich konnte. Falls es jetzt noch weiter passiert, dann wird ein weiterer Hinweis an das Autohaus nichts bringen. Hoffen wir einmal, dass sich das Thema jetzt erledigt hat.