Mit Fahrrad und Bahn nach Utrecht
Ich wollte mal wieder eine Radreise unternehmen, in den letzten beiden Jahren hatte ich darauf verzichtet. Nach der Radreise durch Utrecht und Holland 2018 wollte ich einfach mal wieder in den Niederlanden Fahrrad fahren. Und weil mir Utrecht so gut gefallen hat, wollte ich diesmal keine Rundreise machen, sondern nur von einem Hotel aus Tagestouren in die Umgebung unternehmen.
Eines hat sich seit 2018 nicht verändert: Man kann internationale Fahrradkarten weiterhin nicht online buchen:
Also bin ich ins Reisezentrum gefahren, um mir dort diese Karten geben zu lassen. Dazu dann auch die Reservierung für den Fernverkehr. Das Problem war nur, dass der schon komplett ausgebucht war. Einzig Fahrten um 05 Uhr oder 21 Uhr hätte man mir noch anbieten können. Ich habe dann verzichtet, mir nur die Fahrradkarte für den Fernverkehr für beide Tage geben lassen (je 10 EUR), und wollte auf den Nahverkehr setzen.
Durch das 9 EUR Ticket ist das mit dem Nahverkehr natürlich eine gefährliche Sache. Der ist ziemlich voll, dazu ist jetzt auch noch die letzte Woche Sommerferien in NRW, sodass viele Leute jetzt wohl auch langsam auf der Rückreise sind. Aber ich hatte die Hoffnung, irgendwie schon nach Utrecht zu kommen. Im Zweifelsfall wäre ich 120 km mit dem Fahrrad nach Heerlen oder Maastricht gefahren, und hätte dort die niederländische Bahn genommen. Soweit der Plan.
Stationen der Reise
Ich wollte es ja spannend machen, und einfach die Züge nehmen, die halt kommen. Und das hat auch ziemlich gut geklappt, bis auf einige dumme Leute in den deutschen Zügen und die Einschränkungen durch die Sanierung einer Brücke in Köln.
Nachdem ich aufgestanden bin und gefrühstückt hatte, habe ich die rausgelegten Sachen in die Fahrradtaschen gepackt. Durch viele Tagestouren habe ich inzwischen eine gute Routine beim Packen und war fertig.
08:20 Abfahrt mit Fahrrad Zuhause
Ich bin mit dem Fahrrad nach Siegburg los, ich hätte auch Bonn nehmen können. Aber irgendwie erschien mir das praktischer so. Für die Strecke habe ich einfach die B 56 genommen, weil mir die Zeit wichtiger war als eine schönere Route zu fahren. Ich war auch erstaunlich schnell da. Durch das Fitnessstudio hat sich meine Reisegeschwindigkeit auch erhöht, und das sogar ohne Fahrradschuhe an dem Morgen.
08:35 Ankunft an Siegburg Bahnhof
Da die relevanten Züge von Gleis 1 abfahren, bin ich über die Fußgängerzone zum Bahnhof gefahren. Dort gibt es zu Gleis 1 aber nur die Treppe außen. Glücklicherweise kann ich mein Fahrrad mit Gepäck tragen, auch Treppen hoch. Immerhin weiß ich, dass es innen auch Aufzüge gibt, die sogar groß genug für ein Fahrrad sind.
In Siegburg habe ich dann festgestellt, dass der RE 9 zwischen Köln und Neuss ausfällt. Das wurde in der Bahn App allerdings so unscheinbar mitgeteilt, als wäre es nur eine kleine Unannehmlichkeit.
Immerhin fuhr noch eine S 12 bis nach Köln Hauptbahnhof.
09:57 Abfahrt in Siegburg
Die S 12 nach Köln kam pünktlich und hatte noch genug Platz. Im Fahrrad-Teil hinten waren noch zwei andere mit bepackten Fahrrädern. Wir haben ein bisschen über die veränderten Züge gesprochen. Anscheinend wird in Köln gerade die Hohenzollernbrücke saniert, dadurch wird der Zugverkehr über die Güterstrecken umgeleitet.
Als Personen, die häufiger mit Fahrrad in der Bahn fahren, konnten wir dann noch ein bisschen über defekte oder zu kleine Aufzüge lästern.
10:30 Ankunft in Köln
In Köln bin ich sinnvoll angekommen, ohne irgendwelche Verwerfungen. Von dort gab es Optionen über Neuss (rechtsrheinisch) und Düsseldorf (linksrheinisch). Weil ich nicht noch einmal über die Brücke wollte, und in Düsseldorf die Aufzüge zu klein sind, habe ich den Zug über Neuss nehmen wollen. Der hatte auch nur 20 Minuten Verspätung, also machbar.
Die Aufzüge in Köln sind groß genug für zwei Fahrräder. Damit ist es neben Siegburg (ein Fahrrad) dann gar nicht so schlimm, wie befürchtet. Alte Bahnhöfe wie Düsseldorf oder Krefeld hatten wohl nicht genug Platz für öffentliche Aufzüge.
Als Gleis war 9 D-G angegeben. Beim Nahverkehr gibt es aber keine Auskunft darüber, wie die Wagen am Gleis halten werden. Von daher konnte ich mich nicht schon an die richtige Stelle stellen. Bei deutschen RE ist der Bereich für Fahrräder entweder ganz vorne, oder ganz hinten. Ich stand dann bei D, in der Hoffnung, dass es passt.
10:04 Abfahrt in Köln
Der Zug war aber kein typischer roter RE, sondern ein moderner Zug von National Express.
Dort sind immer wieder Nischen für Fahrräder im Zug verteilt. Eine derartige habe ich dann am Ende des Zuges bei Gleisabschnitt D auch gefunden. Im Zug war sogar Platz, und niemand saß im Bereich für die Fahrräder. Musste ein Fehler in der Matrix sein.
Die Toilette war nicht in perfektem Zustand, irgendwer hatte wohl beim Zielen Probleme. Es ist immer wieder traurig, wie rücksichtslos Leute mit öffentlichen Dingen umgehen. Als Cis-Mann muss ich mich ja nicht unbedingt setzen, aber nicht jede Person hat dieses Privileg.
10:35 Ankunft in Neuss
Nach einer angenehmen Fahrt kamen wir dann mit zusätzlicher Verspätung von 10 Minuten in Neuss an. Dadurch wurde meine Umstiegszeit von fast einer Stunde auf eine angenehmere halbe Stunde verkürzt.
Der Aufzug an Gleis 1 ist groß genug, hinter dem Fahrrad ist noch viel Luft gewesen.
Bei Gleis 8 hingegen ist der Aufzug zu klein für das Fahrrad. Das passte einfach nicht hinein.
Um mir wieder nicht wie damals in Düsseldorf das Schutzblech zu beschädigen, habe ich das Fahrrad dann wieder die Treppe hochgetragen.
Der Zug nach Venlo hatte bei Ankunft in Neuss schon fünf Minuten Verspätung. Laut App wegen einer Reparatur an einer Weiche. Man wüsste nicht, wie lange das dauern würde. Dann gab es den Text am Bahnsteig, dass der Zug voll sei und kein Zustieg möglich sei. Das war mir auch komplett neu. Die Verspätung wurde dann auch auf 10 Minuten erhöht.
Ich musste noch eine Fahrkarte für die Niederlande kaufen, dort gilt das 9 EUR Ticket ja nicht. Die DB App lies mich das aber nicht buchen, weil es in der Vergangenheit liegen würde.
Keine Ahnung, was da abging. Ich habe dann für die spätere Fahrt ein Ticket ohne Zugbindung gewählt, kostete 25 EUR anstelle von 24 EUR. Denn Stress wollte ich mir dann nicht mehr antun.
11:13 Abfahrt in Neuss
Der Zug kam dann tatsächlich, und zwar echt brechend voll.
Aber glücklicherweise sind so viele Leute ausgestiegen, dass ich mit Fahrrad noch Platz gefunden habe. Zwar saßen diesmal viele Leute auf den Sitzplätzen des Fahrradabteils, aber das ist ja leider normal.
Ich bin immer wieder total erstaunt, wie flach die Region am Niederrhein ist. Bonn liegt ja gerade an der Grenze, ab der es dann bergig wird. Von daher kenne ich das ein bisschen in Richtung Köln, aber man kann immer irgendwo Erhebungen sehen. Hinter Neuss aber hat nicht, da ist in jeder Richtung flach.
In Viersen wollten noch mehr Leute zusteigen. Darunter auch zwei Familien mit Kinderwagen. Ich habe die vier Personen, die auf den Klappsitzen saßen, gebeten aufzustehen, damit wir Fahrrad und Kinderwagen dort kompakt zusammenstellen können. Drei von vier Personen sind aufgestanden; ein Mann wollte nicht, wahrscheinlich wegen dem Kind auf seinem Schoß. Ich wollte also das Fahrrad so gut es geht dann vor die drei Sitze stellen, jedoch drängten schon Leute dazwischen. Neue Leute setzten sich auf die Klappsitze, ein Mann mit Kinderwagen drücke sich dazwischen. Am Ende stand ich mittig im Gang, der Platz ineffizient genutzt. Aber immerhin alle drin. Es ist wirklich ernüchternd, wie planlos und unkooperativ so etwas abläuft. Jede Person strebt nach dem eigenen Vorteil, und am Ende ist es für alle schlechter. Aber mit Spieltheorie ist das nicht anders zu erwarten, siehe Gefangenendilemma.
Etwas später setzte sich dann auch noch der eine Mann, der vorher noch für das freimachen der Klappsitze warb, auf der anderen Seite auf die durch Ausstiege freigewordenen Klappsitze. Da verlor ich echt den Glauben daran, dass Unbekannte sich in irgendeiner Form ohne externen Zwang organisieren können. Ich bin wohl häufig zu naiv.
Teilweise schwankte der Zug so sehr, dass ich trotz breitbeinigem Stand das Gleichgewicht nicht mehr halten konnte. War mir dann auch egal, die Menge hat es anscheinend so gewollt.
Beruhigend waren die ganzen Funklocher auf der Strecke, das ist also nicht nur zwischen Bonn und Brühl so schlimm.
12:08 Ankunft in Venlo
In Venlo bot sich das gleiche Bild, wie bei meiner Reise 2018: Komplett voller Bahnsteig mit verplanten und teils unsozialen Leuten. Ein- und Aussteigen bei einer Bahn scheint hinreichend viele Menschen total zu überfordern. Anstelle dem Türbereich freizuhalten, gab es wieder nur eine enge Gasse. In die hatte ein Depp noch seinen Koffer gestellt. Somit kam, exakt wie 2018, immer nur eine Person durch. Um niemanden umzufahren, habe ich halt gewartet. Immer mehr Leute haben sich noch vor mir im die Lücke gedrängt.
Irgendwann konnte sich jemand hinter mir nicht mehr beherrschen und schubste mein Fahrrad nach vorne. Der Lenker traf eine Frau, die mich dann wütend anschaute. Der Zug fährt schon nicht weiter, solange Leute aussteigen. Und das Problem war der Typ mit dem Koffer, nicht ich. Aber Koordination nicht möglich ist, muss man halt schubsen. Es macht mich wütend.
Die Aufzüge in Venlo sind groß genug, das ging dann ganz problemlos.
12:33 Abfahrt in Venlo
Im IC nach Utrecht gab es ein Fahrradabteil im dritten Wagen von hinten.
Nicht riesig, aber ausreichend. Und vor allem ohne verplante Menschen auf den Klappsitzen.
Dort haben sogar klar die Fahrräder die Priorität.
Es gab noch einen anderen Wagen, der explizit für Rollstühle gedacht ist. Somit sollten die und Kinderwagen auch ihren Platz finden können. Barrierefrei sind die IC nicht, aber das ist der Fernverkehr in Deutschland auch nicht.
Während ich da im niederländischen IC saß, stellte sich langsam das Urlaubsgefühl ein. Die Idioten in der Bahn nach Venlo rückten allmählich in den Hintergrund, wobei ich mir schon bewusst war, dass ich auf der Rückfahrt wieder durch Venlo müsste.
In dem Zug gab es auch die erste Fahrkartenkontrolle. Die Kombination aus der Fahrkarte in der App und der internationalen Fahrradkarte aus dem DB Reisezentrum wurde akzeptiert.
Ich war im Zug sogar nicht der einzige mit FFP2-Maske, einige wenige Personen hatten auch eine an. Scheint hier also noch ein paar besonders vorsichtige Leute zu geben.
14:05 Ankunft in Utrecht
Pünktlich bin ich in Utrecht angekommen. Die Deutsche Bahn hatte natürlich die Probleme mit der Hohenzollernbrücke, aber ein bisschen traurig ist das schon. Hingegen schafft es die NS (Niederländische Bahn) das ganze überzeugend auszuführen. Ich fahre in NL nicht oft mit der Bahn, aber ich hatte bisher nur sehr positive Erfahrungen.
Der Aufzug in Utrecht war natürlich groß genug für Fahrrad und zwei Kinderwagen, unvorstellbar in Düsseldorf.
Der Hauptbahnhof in Utrecht wirkt so modern wie ein Flughafen: groß, hell, sauber. Ich wünsche mir, mich irgendwann auch in meiner Stadt so wohl am Bahnhof fühlen zu können.
Niederländische Bahnhöfe können nur mit Fahrkarte betreten oder verlassen werden. Mein QR-Code in der DB App wurde akzeptiert.
Und dann konnte ich nach draußen gehen und war endlich wieder in Utrecht. Zuletzt war ich Anfang 2020 dort, zu A State of Trance. Und jetzt endlich wieder an diesem tollen Bahnhof.
Der Vorplatz ist im Gegensatz zu Bonn wirklich schön und lebhaft. Keine Autos, sondern Menschen.
Leider waren die Aufzüge defekt, aber es gibt noch eine Rampe nach unten. Von daher war das für mich mit dem Fahrrad kein Problem. So finde ich das sehr gut, kein System ist fehlerfrei, aber das hier ist resilient und versagt nicht komplett, wenn ein Detail kaputt ist.
Fazit
Die Fahrt war erstaunlich anstrengend, das habe ich dann am Abend gemerkt. So fertig bin ich normalerweise noch nicht mal nach einer langen Tagestour. Aber so lange in der Bahn das Fahrrad festhalten und die ganzen Idioten aushalten bin ich einfach nicht gewohnt. Es ist wohl einfach der Preis dafür, wenn man das eigene große Fahrrad mit im Fahrradurlaub dabei haben möchte.
Die einzigen Alternativen wären gewesen das Faltrad mitzunehmen oder mit dem Auto und Fahrradträger zu fahren. Wenn ich das Auto irgendwo in den Außenbezirken abgestellt hätte, dann wäre das wom»glich kostenlos gegangen. Den Fahrradträger für unser Auto hätte ich noch besorgen müssen, das kann aber nicht so teuer sein. Und dann bindet es das Auto natürlich für die gesamte Zeit, verbrennt Benzin und Autobahn fahre ich auch ungerne.
Bei der Rückfahrt habe ich ja wenig Alternativen. Und bis zur nächsten Fahrradreise vergesse ich wahrscheinlich, wie nervig das war. Und werde es dann wieder so machen.