Mieten und Löhne sind nicht unabhängig
Auf einen Radweg geschrieben laß ich den Wahlspruch "Löhne rauf, Miete runter". Wenn es doch nur so einfach wäre.
Den Spruch sieht man immer wieder auf Wahlplakaten, aber hier eben auch nochmal auf dem Radweg entlang der B 56 Sankt Augustiner Straße:
Ich habe da inzwischen eine eher differenzierte Perspektive drauf. So bin ich zugleich Arbeitnehmer, Mieter, Eigentümer, Auftraggeber (für Handwerker) und Investor.
Als Arbeitnehmer kann ich die Rechnung natürlich ziemlich einfach machen: Ich bekomme mein Gehalt, das sind meine Einnahmen. Und davon ab geht dann die Miete, das ist eine Ausgabe. Die Differenz davon ist das, was mir noch für andere Dinge bleibt. Gerne habe ich diese Differenz größer, dann kann ich mir mehr spaßige Dinge leisten.
Als Vermieter habe ich aber eine ganz andere Rechnung. Ich habe mit der Wohnung Kosten, die ich an den Mieter weitergeben muss, um das ganze deckend finanzieren zu können. Als Einnahme habe ich aktuell die Miete, in Zukunft möglicherweise den Wertgewinn beim Verkauf. Kosten habe ich allerdings reichlich. Die Bank möchte Tilgung und Zinsen haben, die Eigentümergemeinschaft fordert das Hausgeld. Darüber hinaus muss ich Handwerker und Material bezahlen.
Nehmen wir einmal an, dass ich mit der Wohnung zwar ein Einkommen aber keinen Gewinn erzielen möchte. Während der Zinsbindung zieht die Bank konstant die gleiche Rate ein, davon geht der Großteil für Zinsen drauf und ein kleiner Teil tilgt. Die Zinsen gebe ich an den Mieter weiter. Die Tilgung kann man jetzt auf verschiedene Arten betrachten, lassen wir die einmal weg. Dann habe ich regelmäßige Handwerkerkosten für die Wartung der Heizung, einmalige Kosten beim Herstellen der Wohnung und seltene aber wiederkehrende Kosten für Sanierung.
Wenn man die Miete senken möchte, dann müsste ich entweder günstiger finanzieren können. Da ich allerdings einen normalen Immobilienkredit habe, habe ich jetzt für die nächsten 10 Jahre die aktuellen Zinsen. Da kann ich also nichts machen. Ich könnte die Tilgung senken, aber damit läuft der Kredit nur länger und die Bank bekommt am Ende nur noch mehr Zinsen. Das ist nicht sinnvoll.
Das Hausgeld kann ich der Hausverwaltung nicht vorenthalten, da hängt man drin. Ich kann in der jährlichen Eigentümerversammlung dafür stimmen, dass wir Kosten sparen. Aber ich weiß nicht, was man da sinnvoll einsparen könnte. Man könnte die Gartenpflege und Treppenhausreinigung abbestellen und die Mieter das selbst machen lassen. Da kann ich mir aber auch nicht vorstellen, dass die das gut finden. Kabelfernsehen erledigt sich ja jetzt gerade, immerhin.
Ansonsten bleibt nur noch aufzuhören die Instandhaltungsrücklagen zu bilden. Damit spart man natürlich Geld. Dann muss man allerdings aufhören die Wohnung zu sanieren, weil das Geld dafür fehlt. Das Bad wird dann nicht nach ein paar Jahrzehnten erneuert, die Fenster bleiben so, der Boden auch. Ja, das ist dann günstiger, aber ist das so gewollt?
Das ganze hat noch eine ganz andere Tücke: Ich beauftrage dann keine Handwerker mehr. Und die Handwerker sind eben Arbeiter, deren Lohn aus meinen Kosten für deren Arbeit kommt. Deren Lohn geht sogar hoch, wenn ich mehr in der Wohnung machen lasse. Dafür steigen aber dann meine Kosten.
Man kann noch einen weiteren Blickwinkel einnehmen, nämlich den des Investors. Ich plane nicht mit dem gesetzlichen Rentensystem und will daher privat vorsorgen. Nach dem Reinfall mit der Flex-Rente und dem Reinfall mit der Riester-Rente investiere ich jetzt einfach nur noch in einen einzelnen ETF. Ein Teil des Geldes liegt auch noch auf Tagesgeldkonten. Dort geben mir Banken Zinsen für Geld, das ich bei ihnen lagere. Andere Leute finden Aktienfonds nicht so toll, die investieren lieber in Immobilien. Die schauen sich an, wie viel Miete es da gibt und kaufen dann nach dem Verhältnis aus Miete zu Kaufpreis. Auch spekulieren sie auf eine Wertsteigerung über die Jahrzehnte.
Es gibt also diverse Leute im Markt, die Immobilien als Investitionen oder gar Spekulationsobjekte ansehen. Es geht um mehr als einfach nur um Wohnen, es geht um Rendite. Aber damit es am Ende Rendite gibt, muss die Wohnungen irgendwer kaufen.
Andere Leute wollen einfach nur wohnen. Und sind mit zunehmender Verzweiflung irgendwann bereit immer mehr Geld auszugeben. Die kaufen dann Investoren oder Erben Wohnungen zu Preise ab, das einem nur schwindelig wird. Und dieses Geld muss dann zu mittleren Zinsen finanziert werden.
Kauft man eine Wohnung, um sie zu vermieten, sorgt ein hoher Einkaufspreis für eine hohe monatliche Kreditrate. Allerdings hat man eben auch keine andere Wahl, als einen hohen Kaufpreis zu bezahlen. Es gibt so viele Interessenten auf dem Markt, dass es immer eine Person gibt die so viel zahlt. Und entweder man macht das selbst auch, oder die Wohnung geht an die andere Person.
Damit man die Mietpreise deutlich senken könnte, müsste man die Kaufpreise für Wohnungen deutlich senken. Und damit man das machen kann, müsste man entweder die Möglichkeiten zu Investieren senken oder einfach viel mehr Angebot schaffen. Gäbe es genug Wohnungen, würden die Preise fallen. Aber damit es mehr Angebot geben kann, muss man kostendeckend Wohnungen bauen können. Das geht jedoch aufgrund der hohen Rohstoffkosten und mangelndem Bauland in den gefragten Lagen eben auch nicht.
Nun geht die Auftragslage für die Bauunternehmen zurück, die müssen ihre Löhne kürzen. Und somit haben wir dann für Bauarbeiter am Ende hohe Mieten und niedrige Löhne.
Eine einfache Lösung für den Wohnmarkt sehe ich nicht. Ich wüsste auch nicht so recht, was die komplizierte Lösung wäre. Aber so einfach, wie der Wahlspruch es fordert, ist es als Volkswirtschaft mit Sicherheit nicht.