Merkwürdige Solidarität zwischen Autofahrenden bezüglich Geschwindigkeitskontrollen

Sonntags fuhr ich mit dem Auto die Kautexstraße entlang. Und ich wurde vom Gegenverkehr vor dem Blitzer gewarnt. Das finde ich merkwürdig.

Erstmal zur Situation an sich. An der Kautexstraße befindet sich links und rechts das Werk der Firma Kautex. Entsprechend gehen regelmäßig Mitarbeiter*innen dort über die Fahrbahn. Es gibt zwei Fußgängerüberwege (Zebrastreifen).

Werktags von 6 bis 21 Uhr gilt die Höchstgeschwindigkeit 30 km/h, ansonsten darf man dort (innerorts) 50 km/h fahren.

Eigentlich relativ einfach. Auch verstehe ich den Sinn davon sehr gut. Man kann sich jetzt unsicher sein, ob »werktags« den Samstag mitmeint. Das kommt immer auf den Kontext an, im Straßenverkehr gehört der Samstag dazu. Also darf man Samstags auch nur 30 km/h fahren. Der Sonntag ist aber klar kein Werktag.

Das Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzung scheint aber für viele Leute schwer zu sein, daher stehen dort regelmäßig mobile Geschwindigkeitskontrollen. Und auch feste. Fährt man weiter um die Kurve, so sieht man erstmal noch nichts.

Und dann weiter hinten steht dann auf der linken Fahrbahnseite ein Blitzer, der sich als Auto tarnt.

Eine Wunderwerk der Technik, eine gnadenlose Maschine, die das Law-and-Order durchsetzt. Ein Traum eines jeden Konservativen.

Würde ich zumindest meinen. Denn als ich am Sonntag dort mit 50 km/h die Straße raufgefahren bin, blinkte mich jemand aus dem Gegenverkehr mit Fernlicht an. Es war eine klare Warnung vor der Abzocke, der Führerscheinfalle. Ich bin weiter mit 50 km/h gefahren, ich kann ja schließlich Schilder lesen. Und ich gehe davon aus, dass der Blitzer eine Uhr eingebaut hat.

Von der anderen Seite stehen da noch mehr Schilder. Wegen des Bahnübergangs ist beim Schild schon Tempo 30, man hat also ein bisschen Zeit es zu lesen. Es sind aber vier Schilder und drei Zeilen Text. Von daher kann ich schon verstehen, wenn man vorsichtig sein möchte und einfach auf Verdacht 30 km/h fährt.

Erst hinter der Ecke kann man den Blitzer erkennen.

Nun frage ich mich, was eigentlich die Motivation bei diesen Warnungen unter Autofahrenden ist. Mir passiert das relativ häufig, dass mich Leute vor Blitzern warnen. Vielleicht sieht mein älterer Kleinwagen so aus, als könnte ich mir die Bußgelder nicht leisten? Oder als wäre ich ein unerfahrener Autofahrer, die Bauformen der Blitzer nicht kennt?

Ich fahre ziemlich langweilig einfach nach den Schildern. Wenn dort 50 km/h steht, dann mache ich das halt. Und durch das Fahrradfahren finde ich 30 km/h eine angenehme Geschwindigkeit, von daher fahre ich auch nicht versehentlich schneller. Alles ganz entspannt. Und daher zucke ich auch nicht, wenn ich irgendwo eine Geschwindigkeitskontrolle sehe. Mein Tacho hat noch genug Puffer.

Und Blitzer finde ich ziemlich gut. Zum einen werden sie laut den Behörden ja immer an Gefahrenstellen aufgestellt. Hier beim Kautex-Werk ist es definitiv eine. Da versuchen Leute die Straße zu queren und mit 30 km/h hat man mehr Zeit zum reagieren. Da es anscheinend hinreichend viele Leute nicht einhalten können oder wollen, bittet man sie eben zur Kasse.

Es würde mir auch nicht einfallen Leute vor Blitzern zu warnen. Wenn die meinen, dass die Geschwindigkeitsgrenzen für sie nicht gelten würden, sollten sie möglichst früh die Quittung dafür bekommen. Am liebsten mit einem Bußgeldbescheid bevor es zu einem Unfall mit Personenschaden kommt. Es mag vielleicht in seltenen Fällen einen Unfall vermeiden, wenn man die Leute in diesem Moment warnt. Häufig bremsen sie aber wie bekloppt, weil sie notorisch zu schnell fahren. Das kann dann auch zu Auffahrunfällen führen.

Welche Motivation hat also jemand im Auto die anderen davor zu warnen, dass an dieser Stelle kontrolliert wird? Man bekommt selbst dadurch keinen unmittelbaren Vorteil. Die gewarnte Person mag dankbar sein, wird diese Dankbarkeit aber nicht kommunizieren können. So ist das halt in einer Blechdose ohne Kommunikationsmöglichkeiten jenseits der Hupe und Fernlicht.

Vielleicht werden langfristig weniger Leute geblitzt, sodass die Stelle nicht mehr als Gefahrenstelle gilt und der Blitzer wieder abgebaut wird? Das erscheint mir irgendwie auch zu kalkulierend und rational.

Von daher glaube ich an ein einfaches Wir-gegen-Die. Da ist die Gruppe der solidarischen Autofahrenden, die von der Gruppe der willkürlichen Behördenmenschen in der freien Fahrt für freie Bürger gehindert werden. Blitzer sind die modernen Wegelagerer, die unbescholtenen Bürger*innen einen Wegzoll abknöpfen. Da zahlt Mineralöl-, Kfz-, Versicherungs- und Einkommenssteuer, und dann wird man noch kackdreist geblitzt! Denen zeigen wir (Autofahrenden) es und halten zusammen.

Derartige Solidarisierungen sind eigentlich nur dann nötig, wenn man sich als Minderheit fühlt. Unter gewissen Gruppen von Radfahrenden ist das nicht unüblich ein bisschen aufeinander zu achen. Autoverkehr ist aktuell zwar auf dem absteigenden Ast, aber von einer Minderheit oder Unterdrückung ist das noch sehr weit entfernt. Die Privilegien werden auf ein angemessenes Maß reduziert. Und das scheint wohl bei so vielen Leuten so viel Sorge auszulösen, dass sie sich mit ihren »Brüdern im Auto« solidarisieren. So zumindest mein Erklärungsversuch.

So oder so finde ich es aber bescheuert andere vor einer Geschwindigkeitskontrolle zu warnen. Das zu schnelle Fahren ist das Problem, nicht die Kontrolle.