Meinungsfreiheit auf Twitter

Die Abrissparty bei Twitter ist das Drama, das ich aktuell gerne verfolge. In der ersten Staffel ging es ja um das Hin und Her, der Held konnte sich nicht entscheiden, ob er seinem Verlangen nachgeben soll und Twitter kauft, oder ob er eine Ausrede sucht, die Übernahme nicht vollziehen zu müssen. Der Cliffhanger mit dem Gerichtsprozess war schon ziemlich spannend. Aber in der zweiten Staffel fängt es direkt toll an, die Richterin hat sozusagen die Zwangsehe erzwungen und den Protagonist in die Defensive gerückt. Nun versucht er sich in seiner neuen Realität zu orientiert und ist wohl auch noch mit diversen Gefühlen überfordert.

Leider gibt es, im Gegensatz zur Fußball WM, keinen Live-Ticker bei der Tagesschau. Ich muss mir da die Neuigkeiten aus diversen anderen Quellen zusammensuchen. Unter anderem auf Twitter selbst, oder bei Heise. Und wenn man schon einmal bei Heise ist, dann kann man auch in das Forum schauen. Da tummeln sich viele Leute, die auf Twitter eigentlich super aufgehoben werden, die aber irgendwie doch lieber in dem Forum herumhängen. Eines der Themen, das jetzt immer wieder diskutiert wird, ist die Meinungsfreiheit.

Mit Musks Übernahme von Twitter wird es jetzt dort endlich wieder Meinungsfreiheit™ geben. Die gab es bisher dort anscheinend nicht. Die rechten Leute stellen es so dar, als sei Twitter von den linken komplett unterwandert und übernommen worden. Der linke Mob würde systematisch dem rechten Mob das Twittern schwer machen, ständig die Beiträge melden und die linke Moderation bei Twitter würde die Accounts dann sperren. Dabei garantiert ihnen die Verfassung doch Meinungsfreiheit.

Schaut man einmal den ersten Zusatz zur US Verfassung an, findet man das hier:

Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.

Für mich steht da nur drin, dass die Volksvertreter kein Gesetz zum Einschränken der Rede beschließen dürfen. Es darf also niemand straf- oder ordnungsrechtliche Konsequenzen dadurch bekommen, dass eine Meinung geäußert wird. Es bedeutet allerdings nicht, dass Leute zuhören müssen. Und auch nicht, dass man eine Plattform bieten muss. Wie sich das dann zu Straftatbeständen wie Beleidigung verhält, ist für mich nicht so einfach aus diesem Gesetzestext ersichtlich.

Ich kann auf meinem Blog diverse Dinge schreiben, solange sie nicht durch das Strafrecht explizit verboten sind. Beleidigungen gehen nicht, üble Nachrede auch nicht. Das Markenrecht könnte auch noch ein Problem werden. Dann gibt es noch das Urheber- und Zitatrecht. Und zuletzt fällt mir noch das Verbot gewisser verfassungsfeindlicher Symbole und Sätze ein, die ebenfalls strafbewährt sind, wenn man sie nicht gerade für eine historische Auseinandersetzung benutzt. Durch diese Dinge fühle ich mich aber nicht eingeschränkt. Das ist die Basis, auf der wir miteinander kommunizieren können. Ich habe hier diverse Meinungen auf dem Blog, die für manche Leute ziemlich polarisierend sein könnten (Radverkehr, Gender-Sprache, Klimaschutz, …). Dies beleidigt niemanden, und für diese Meinung habe ich seitens des Staats nichts zu fürchten.

Es steht allerdings jeder Person frei, diesen Blog nicht zu lesen. Ich kann niemanden zwingen, den zu lesen. Da ich aber für den Webspace selbst bezahle, kann ich hier meine Meinung frei vertreten. Anders sähe es aus, wenn ich die Blogartikel bei einer Plattform wie Medium oder Facebook teilen würde. Oder als Threads auf Twitter. Dann bin ich auf einer anderen Plattform, und muss mich dort an die Regeln halten. Wenn die betreibende Firma der Plattform meine Inhalte nicht mag, dann verbreitet sie diese nicht für mich. Oder anderes herum: Wenn ich einen Leserbrief zu einem Blogeintrag bekomme, bin ich in keiner Weise verpflichtet den hier zu veröffentlichen oder die Meinung der einsendenden Person auf dem Blog zu verbreiten. Die Person kann ihre Meinung mir gegenüber frei kundtun, und es gibt keine Geheimpolizei die dann schreckliche Dinge tun würde.

Die rechten Leute auf Twitter stellen es aber so dar, als müsste Twitter ihnen eine Plattform geben. Und wenn Twitter ihnen diese nicht gibt, dann würde Twitter zensieren und die Meinungsfreiheit einschränken. Und jetzt, wo Musk alle gesperrten Accounts entsperren möchte, soll die Meinungsfreiheit zurückkommen. Ich bezweifele, dass das irgendwas ändern wird. Bisher schon konnten die Rechten ihre Inhalte verbreiten, genauso wie die Linken das konnten. Sobald es strafrechtlich relevant wurde, wurden die Inhalte halt gesperrt. Teilweise mag es Fehler bei der Moderation gegeben haben, aber das ist für mich keine grundsätzliche Einschränkung der Meinungsfreiheit, die das Verhältnis zum Staat beschreibt.

Die Linken haben durchaus versucht, den Rechten ihre Plattformen zu entziehen. Das hat man bei diversen Sperren auf Twitter oder YouTube schon gesehen. Das ist etwas, das wirklich passiert. Und das kann man gut finden, weil man aus der linken Perspektive die Inhalte der Rechten für uninformierten Hass und Verschwörungstheorien hält. Ein Unternehmen wie Google kann sich entscheiden diese Leute zu verbannen um die Werbekunden nicht zu verscheuchen. Die Rechten finden es nicht gut, wenn sie gesperrt werden. Dann wandern sie zu anderen Plattformen oder gründen neue. Dieses »Deplatforming« ist etwas, das man durchaus diskutieren kann. Das sorgt dafür, dass man seine Meinung nicht mehr so verbreiten kann, wie man es vorher konnte. Und Musk wird bestimmt den Rechten wieder mehr eine Plattform geben, das scheint absehbar.

Das ganze ist aber für mich von der Meinungsfreiheit getrennt. Die hatten wir die ganze Zeit, zumindest in den westlichen Ländern. Man kann jederzeit einen eigenen Blog betreiben und dort Verschwörungstheorien veröffentlichen. Dann liest es nur vielleicht niemand, und das ist das eigentliche Problem, um das es dabei geht.