Meinungsentwicklung zu kommerzieller Software
In den letzten 15 Jahren hat sich meine Meinung zu kommerzieller Software ziemlich geändert. Der Prozess war aber so kontinuierlich, dass mir erst neulich aufgefallen ist, wie stark die Veränderung gewesen ist.
Früher während der Schulzeit hatte ich nur begrenztes Taschengeld. Ich hatte auch nur begrenzte Möglichkeiten mir zusätzliches Geld zu verdienen. Dafür hatte ich aber viel Zeit. Somit war der Wert meiner Zeit gering. Ich konnte viel Zeit mit Frickelei verbringen. Und so war die Hürde mit Software zu kaufen sehr hoch, schließlich konnte ich mit Frickelei die Sachen irgendwie ans Laufen bekommen. Dazu kam ein Gemeinschaftsgefühl durch meine unbezahlten Beiträge im Bereich freier Software. Schließlich wäre es als Schüler schwer gewesen für ein bisschen Softwareentwicklung bezahlt zu werden.
Daraus hatte ich extrapoliert, dass auch öffentlich genutzte Software immer frei sein sollte. Der Staat sollte nicht Geld für proprietäre Software ausgeben, sondern freie Software einsetzen und wenn nötig sein Personal die noch fehlenden Dinge programmieren lassen. So würden alle davon profitieren und man wäre auch nicht einem Hersteller ausgeliefert.
Ich hörte von einer Institution, die für jede E-Mail-Adresse 8 EUR/Monat bezahlt. Das erschien mir absurd viel, schließlich bezahle ich 2,50 EUR/Monat für meinen Webspace und habe dort hunderte E-Mail-Adressen zur Verfügung. Warum stellt die Firma nicht einfach einen Server für E-Mail dort hin und administriert den nebenbei mit?
Mit der Zeit bekam ich aber ein Gehalt. Damit konnte ich mir Software oder Dienste leisten. Der Wert meiner Zeit stieg, und plötzlich gab es Abwägungen mit dem Wert der Zeit, die ich basteln würde. Und seit ungefähr zwei Jahren arbeite ich in der freien Wirtschaft und entwickele dort den ganzen Arbeitstag Software. Und dort hat meine Zeit einen klaren Wert für meinen Arbeitgeber. So lohnt es sich, einige hundert EUR pro Jahr für Softwarelizenzen auszugeben. Auch der Preis für die E-Mail-Adresse scheint gerechtfertigt, schließlich wird sie zum Arbeiten gebraucht und bietet Kalender und Terminfindung mit allem Kollegen, Verwaltung der Besprechungsräume und Single-Sign-On für weitere Dienste.
Auch kümmert sich der Anbieter um Ausfälle, Aktualisierungen und so weiter. Wir müssen da nichts mehr tun, wenn ein Problem auftritt. Natürlich kann man dann selbst auch nichts machen, allerdings muss man so nicht dutzende Baustellen selbst anpacken. Das ist an der Uni so, und häufig ist dort Chaos. Dienste fallen aus, und nur eine Person kann sich darum kümmern. Wenn die gerade abwesend ist, geht nichts mehr. Dafür entstehen keine Kosten für Dienstleister.
Privat geht es mir ähnlich. Ich zahle jetzt 4 EUR/Monat für eine Backup-Lösung, um die ich mich nicht weiter kümmern muss. Ich muss kein NAS administrieren, Sicherheitsaktualisierungen installieren, VPN nach Hause einrichten, RAID überwachen oder Festplatten tauschen. Eine externe Festplatte an der FRITZ!Box wäre günstiger und wahrscheinlich nach einem Jahr schon rentiert. Aber auch nur, wenn nichts schiefläuft.
Generell sehe ich es jetzt mehr aus Arbeitgebersicht: Was kostet die Software von einem Dienstleister, und wie lange würden meine Leute brauchen, um eine Lösung selber zu bauen? Und da kann für beides ein Preis berechnet werden. Meist ist denn Dienstleister dann günstiger, weil dort eine ganz andere Skala betrieben wird. Und somit wird automatisch auf wenige Hersteller konsolidiert, anstelle von Insellösungen.
Der Kapitalismus regelt den Markt nach Software. Es gibt einige Probleme mit Monopolbildung und marktbeherrschenden Stellungen bei Plattformen. Aber bei vielen Dienstleistungen ist der Markt hier nicht inhärent böse. Er schließt jene aus, die nicht am Wirtschaftskreislauf teilnehmen. Und das ist eigentlich ein größeres Problem und unabhängig von Software an sich.